Von Bolivien in die Lausitz
Die "Kupferschiefer Lausitz GmbH" will bei Spremberg Metall abbauen. Die Behörden sehen offene Fragen beim Umweltschutz. Doch offen ist auch, wer genau hinter der Firma steckt. Von Fabian Grieger und Ute Barthel
Ab den 2030er Jahren möchte ein Unternehmen in der Lausitz Kupfer fördern. Mit "modernem Bergbau" will die Kupferschiefer Lausitz GmbH (KSL) das Metall bei Spremberg (Spree-Neiße) aus dem Boden holen. Seit rund zehn Jahren läuft das Verfahren. Doch im September ist die KSL im Raumordnungsverfahren gescheitert.
Die Gemeinsame Landesplanung war von den Umwelt- und Sicherheitsplänen der KSL für das geplante Kupfer-Bergwerk nicht überzeugt. Die Bedenken der Planungsbehörde betrafen vor allem die Lagerung von giftigen Reststoffen, die Einleitung von Grubenwasser in die Spree, die Auswirkungen des Abbaus auf die Trinkwasserverfügbarkeit und mögliche Bodenabsenkungen. Anwohner sorgen sich auch vor Umweltzerstörungen und einer Zunahme von Verkehr.
"Dass über einen Antrag komplett negativ entschieden wird, passiert ganz selten", sagt Ralf Noack, von der Spremberger Interessengemeinschaft gegen den Kupferbergbau. "Das ist aber in dem Fall eingetreten und hat uns selbst wirklich auch verblüfft."
Doch bei der KSL hält man an den Plänen fest und will weitere 50 Millionen Euro investieren, wie Blas Urioste, Country-Manager der KSL, im Interview mit rbb24 Recherche sagt. Für den Aufbau der Produktionsanlagen und den tatsächlichen Abbau sollen weitere Investoren gewonnen werden, um die bislang geplante Gesamtinvestition von 1,5 Milliarden Euro zu stemmen. Im Januar werde es dazu ein Treffen mit Interessenten geben. KSL-Vertreter Urioste ist zuversichtlich, die Bedenken der Behörden ausräumen zu können.
Mit der Milliardeninvestition könnte die KSL zukünftig zu einem der prägenden Unternehmen Brandenburgs werden. Doch wer hinter der KSL steckt und wo letztlich die Gewinne landen könnten, ist bislang unbekannt.
Ein Blick ins deutsche Handelsregister zeigt, dass die KSL einer "Fabulosa Mines Limited" mit Sitz in Nikosia auf Zypern gehört. Doch an der Firmenadresse in Nikosia findet sich noch nicht einmal ein Briefkasten. Der Portier gibt an, die Firma nicht zu kennen. Die zypriotische "Fabulosa" wird nämlich nur von einer Anwaltskanzlei verwaltet. Eigentümer ist laut Handelsregistereintrag eine in Panama registrierte "Minera S.A.". Die ist über eine Adresse in Washington/USA erreichbar. Wer jedoch aktuell hinter der "Minera" steckt, lässt sich in Panama nicht in Erfahrung bringen.
Dabei hält die "Minera S.A." die Abbaurechte am Lausitzer Kupfer. In Spremberg stellte sich die Firma als international agierendes Bergbau-Unternehmen vor, doch eine Webseite oder öffentliche E-Mail- oder Telefonkontaktdaten sucht man vergeblich.
Die "Minera" ist nach rbb-Recherchen Teil eines verschachtelten Firmen-Netzwerks, zu dem auch ein schwedisches Bergbau-Unternehmen gehört. Dieses muss nach schwedischem Recht - anders als in Deutschland - die wirklichen Eigentümer offenlegen. Einer von ihnen ist Gonzalo Sanchez de Lozada, genannt "Goni", ehemals Präsident Boliviens.
In seiner ersten Amtszeit von 1993 bis 1997 machte er sich durch die Privatisierung von Staatseigentum einen Namen. Seine zweite Amtszeit endete 2003 nach nur einem Jahr. Eine Steuerreform sowie Pläne zum Gasexport hatten Massenproteste, die von indigenen Organisationen angeführt worden, ausgelöst. Das Militär ging gegen die Demonstranten vor, mehr als 60 Menschen wurden getötet. Sanchez de Lozada setzte sich mit seinem engsten Umfeld in die USA ab, wo er bis heute lebt.
Dort wurde der Ex-Präsident 2018 von einem Zivilgericht wegen der außergerichtlichen Tötung von Zivilisten:innen zu einem Schadensgeld von zehn Millionen Dollar "verurteilt". Lozada ging gegen das Urteil vor, Ende September dieses Jahres einigten sich die Parteien auf einen Vergleich.
Der bolivianische Staat gibt sich damit nicht zufrieden und fordert die Auslieferung des Ex-Präsidenten, um ihn wegen weiterer Tötungen und Korruption vor Gericht zu stellen.
Kritiker in Bolivien werfen "Goni" zudem vor, seine politischen Ämter genutzt zu haben, um sich zu bereichern oder zumindest den Aufbau seines Minenimperiums zu fördern. "Goni ist über Verträge, die für den Staat extrem nachteilig waren, in den Besitz seiner profitabelsten Minen gelangt", behauptet Jorge Campanini, Bergbauspezialist vom Dokumentations- und Informationszentrum Bolivien CEDIB.
Nach seiner Flucht in die USA, verkaufte Sanchez de Lozada einen Großteil seiner bolivianischen Beteiligungen und reorganisierte sein Firmen-Netzwerk - unter dem Dach der "Minera". "Vor dem Hintergrund der Anklagen in Bolivien wollte Goni auch dafür sorgen, dass der bolivianische Staat keinen Zugriff auf sein Vermögen hatte und übertrug einige seiner Anteile Familienmitgliedern oder Strohmännern", sagt Jorge Campanini im rbb-Interview. Inwiefern das zutrifft, lässt sich nicht prüfen. Fest steht: Heute leitet Mauricio Balcázar, Schwiegersohn von "Goni" und persönlicher Sprecher des mittlerweile 93-Jährigen, die Geschicke der "Minera" und der KSL.
Zu den Vorwürfen schreibt Balcázar auf rbb-Anfrage: "Es ist nicht Aufgabe der KSL, politische Vorwürfe aus anderen Ländern zu kommentieren." Außerdem übernehme der Ex-Präsident keine operativen Aufgaben mehr im Unternehmen. Blas Urioste, der Spremberger KSL-Vertreter, findet den kritischen Blick auf das Unternehmen unfair: "Wir können uns dann gerne alle deutschen Konzerne und die Liste ihrer Eigentümer angucken und was es da für Vorwürfe gibt", kommentiert er.
Die "Minera" ist international an Bergwerken in Bolivien und Spanien beteiligt. An beiden Orten gab es Umweltverstöße. In Bolivien verantwortete eine "Minera"-Tochter 1996 nach einem Dammbruch eine der größten Umweltkatastrophen des Landes. Im spanischen Asturien verklagt die Staatsanwaltschaft aktuell ein Unternehmen der "Minera"-Gruppe wegen andauernder Umweltverstöße auf die Zahlung von zehn Millionen Euro – doch der Prozess pausiert wegen eines Formfehlers. Die "Minera" wollte sich dazu nicht äußern.
Vorwürfe wegen Menschenrechtsverletzungen gegen Sanchez de Lozada oder Umweltvergehen in Unternehmensbeteiligungen der "Minera" sind nach deutschem Bergrecht kein Grund, dem Unternehmen die Abbaulizenz zu verweigern. Die KSL kann also weiter ihre Ziele verfolgen.
"Ich rechne damit, dass während meiner Amtszeit eine positive Entscheidung zur Eröffnung des Planfeststellungsverfahrens getroffen wird", sagt entsprechend die Bürgermeisterin von Spremberg, Christine Herntier (parteilos). Die Verbindung der Firma zu Sanchez de Lozada will sie nicht kommentieren. Jetzt gehe es darum, die offenen Fragen aus dem Raumverträglichkeitsverfahren zu klären, so Herntier.
Bürgermeisterin Herntier hofft auf üppige Gewerbesteuereinnahmen. Doch wird die Spremberger Kommunalkasse tatsächlich klingeln? Christoph Trautvetter vom Netzwerk Steuergerechtigkeit hat da seine Zweifel. Zum einen dauere es oft viele Jahre, bis ein Unternehmen mit solch hohen Anfangsinvestitionen überhaupt Gewinne macht, erklärt er. Zum anderen mache ihn die Firmenstruktur hinter KSL skeptisch: "Die ermöglicht es, Gewinne aus Deutschland in steuerfreie Steueroasen zu verschieben." Ob es wirklich dazu kommt, wird sich zeigen, wenn die KSL Gewinne erwirtschaftet.
Für Ralf Noack und andere Gegner:innen des Kupferbergbaus in Spremberg sind das Firmenkonstrukt und die Verbindungen zu Ex-Präsident Sanchez de Lozada das "I-Tüpfelchen der ganzen Geschichte". Das würde seine Zweifel an dem Projekt noch verstärken. „Was passiert mit der Achtung vor Natur und Mensch?“, fragt Noack. "Das ist das, was - wenn man die Historie des Konzerns liest - ja nicht wirklich gegeben ist."
Beitrag von Fabian Grieger und Ute Barthel, rbb24 Recherche; Recherchemitarbeit: Caroline Neubert
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