Polen und Deutsche diskutieren in Frankfurt (Oder) über den Umgang mit Geflüchteten
Polen zeigt eine unglaubliche Solidarität mit ukrainischen Flüchtlingen. Anders sieht es an der belarussischen Grenze aus: Dort werden Flüchtlinge zurückgedrängt. Wie kann das sein? Darüber haben Journalisten, Experten und Bürger im Kleistforum diskutiert.
Polen hat seit Beginn des Ukraine-Krieges rund 4,4 Millionen Flüchtlinge aus dem Nachbarland aufgenommen. Gleichzeitig werden seit 2015 an der Grenze zu Belarus Migranten aus dem arabischen Raum zurückgewiesen – bis heute. Aber wie passt das zusammen? Um das zu klären, hat am Donnerstagabend unter dem Motto "Gute Flüchtlinge, schlechte Flüchtlinge" im Kleistforum in Frankfurt (Oder) eine Debatte zwischen Journalisten, Experten und Bürgern stattgefunden – präsentiert vom rbb und in Zusammenarbeit mit der polnischen Tageszeitung Gazeta Wyborcza.
Pauschalisierung vermeiden
Pauschal zu sagen, dass Polen bei den Flüchtlingen in Gut und Böse unterscheiden – so einfach sei das nicht, möchte Jan Pallokat zu Beginn klarstellen. Seit fünf Jahren ist er für den rbb als Korrespondent vor Ort. Er kennt das Land, den Umgang mit den Flüchtlingen und leitet die Diskussionsrunde. "Es ist ja hauptsächlich eine politische oder mediale Darstellung, dass da irgendwelche bösen Leute kommen."
Polen nimmt über eine Million ukrainische Geflüchtete mit offenen Armen auf - aber schiebt Menschen aus dem Nahen Osten immer wieder ab. Und Deutschland? Eine Talkrunde zur Flüchtlingspolitik Deutschlands und Polens im rbb|24-Livestream.
Bei den Menschen, die an der belarussischen Grenze im Wald gekämpft haben, soll es unglaublich viel Solidarität gegeben haben, berichtet Pallokat weiter. Während in Deutschland oftmals nur der gewaltsame Einsatz oder die fünf Meter hohe Grenzmauer Thema gewesen seien, hätten Polen auch Trinkflaschen in den Wald gestellt oder sogar versucht, Flüchtlinge aufzunehmen. "Obwohl sie Angst haben mussten, dass dann der Grenzschutz kommt und sie vielleicht Ärger bekommen", so Pallokat
Das habe sich schon nach der Flüchtlingsbewegung von 2015 auch in Umfragen gezeigt. "Die Polen waren auch in der Belarus-Krise geteilter Meinung." Für den langjährigen Korrespondent sei es daher eine "künstliche Unterteilung und eine Generalisierung", wenn man den Polen eine Einteilung in gute und schlechte Flüchtlinge unterstellen würde.
Hochkarätige Gesprächspartner
Gemeinsam mit Dr. Marcin Kędzierski, Programmdirektor des Zentrums für Analysen des konservativen Jagiellon-Clubs und Juniorprofessor an der Ökonomischen Universität Krakau, Gerad Knaus, Migrationsforscher und Leiter der Europäischen Stabilitätsinitiative, Katarina Niewidzial, Berliner Beauftragte für Integration und Migration und Bartosz Wieliński, stellvertretender Chefredakteur der Tageszeitung Gazeta Wyborcza, diskutierte auch Rebecca Schönebach von der Nichtregierungsorganisation "VETO für den Rechtsstaat".
Für Schönebach gibt es auch gute Gründe, warum Polen den Ukrainern eine größere Offenheit zukommen lassen: Die Ukrainer "wissen was Freiheit ist, weil sie die Unfreiheit noch gut in Erinnerung haben, und sie kämpfen für die Demokratie", sagt die Kolumnistin der Tageszeitung "Die Welt". Diese Fälle seien von den Migrationsströmen von 2015 zu unterscheiden: "Es ist natürlich was ganz anderes, wenn solche Menschen herkommen, als Menschen, die geflohen sind vor einem Diktator, aber selbst nicht unbedingt für Demokratien kämpfen."
Weniger Polarisierung gefordert
Trotz unterschiedlicher Standpunkte waren sich die Teilnehmer am Ende der Debatte in einer Hinsicht fast alle einig: Die Grenzen sollten auf "humane" Art geschützt werden. Und in der Debatte um Flüchtlinge soll es ausgewogener zugehen – weniger Polarisierung, Generalisierung und Moralisierung. Deutsche und Polen sollen sich mit dem Thema sachlicher auseinandersetzen und mehr gegenseitiges Verständnis für die Sichtweise des Anderen aufbringen.
Sendung: Antenne Brandenburg, Antenne am Nachmittag, 01.07.2022, 14:40 Uhr