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Audio: Antenne Brandenburg | 05.07.2022 | Audio: Eva Kirchner-Rätsch | Quelle: Eva-Kirchner-Rätsch/rbb

Flucht aus Russland

Moskauer Historikerin forscht jetzt an der Viadrina in Frankfurt (Oder)

Die Moskauer Historikerin Tatiana Timofeeva forscht seit mehr als 30 Jahren zum Thema Beutekunst. Vor vier Wochen verließ sie ihre Heimat. Dort konnte sie nicht mehr frei forschen. Jetzt lebt die 57-Jährige in Frankfurt (Oder).

Sie sind Frankfurts größter Schatz: die historischen Fenster der Marienkirche. Lange galten sie als verschollen. Bis sie in russischen Museen wiederentdeckt und zurück an die Oder kamen. Diese Geschichte ist nur ein Beispiel für großartige Kunst, die Dank intensiver Forschung auf deutscher und russischer Seite zurückgeführt werden konnte.

Auch die Historikerin Tatiana Timofeeva aus Moskau forscht seit mehr als 30 Jahren zum Thema Beutekunst. Bis vor wenigen Monaten noch direkt in den russischen Museen. Vor vier Wochen trifft sie die Entscheidung, ihre Heimatstadt zu verlassen. Die Geschichtsprofessorin an der namhaften und traditionsreichen Lomonossow-Universität in Moskau lehrt und forscht zu den Themen NS-Zeit und Kunstraub — im Zweiten Weltkrieg durch die Nationalsozialisten und danach durch die Rote Armee. Doch solche Parallelen zu ziehen, ist inzwischen streng verboten.

Freiheit zur Forschung in Russland eingeschränkt

Damit wurde ihr die Freiheit, in Russland wissenschaftlich zu arbeiten und zu forschen, genommen. Auch deshalb war es für Dagmara Jajesniak-Quast, Leiterin des Zentrums für interdisziplinäre Polenstudien an der Viadrina Universität in Frankfurt (Oder) ganz selbstverständlich, die russische Kollegin zu unterstützen: "Wir wussten natürlich, dass sie dieses Regime von Putin nicht unterstützt. Wir haben ihr gesagt, wenn sie möchte, kann sie zu uns kommen und weiter hier arbeiten an dem Projekt".

Finanziert wird das Forschungsprojekt zur Erstellung einer Datenbank zur systematischen Erforschung der Beutekunst vom Deutschen Historischen Institut. Das Wichtigste für Tatiana Timofeeva: Alle Unterlagen, die sie für ihre Arbeit braucht, liegen in digitaler Form vor. Denn noch vor ihrer Flucht hatte die Historikerin im Rahmen der Projektarbeit Zugang zu russischen Archiven, unter anderem im Moskauer Puschkin Museum und im russischen Militärarchiv. Hier entdeckte sie wichtige Unterlagen, die den systematischen Raub der Nazis und der Roten Armee belegen, erzählt die 57-Jährige: "Karteien, Listen, Schriftwechsel, Beschreibungen, dienstliche Briefe, sogar Fotos und Rückseiten der Fotos mit Bemerkungen aus der NS-Zeit."

Riesige Datenbank soll entstehen

Insgesamt 40.000 Kopien sind entstanden, die nun sortiert und zugeordnet werden müssen. Ziel ist eine umfangreiche Datenbank, die vielleicht dabei helfen kann, bisher verschollene Kunstwerke wieder zu entdecken, so Dagmara Jajesniak-Quast. Dabei gehe es vor allem darum, Transparenz zu schaffen.

Tatiana Timofeeva ist die einzige Exilwissenschaftlerin aus Russland, die an der Viadrina Universität arbeitet. Elf weitere Exilforscherinnen und Exilforscher an der Europa-Universität kommen aus der Ukraine.

Sendung: Antenne Brandenburg , 05.07.2022, 16:10 Uhr

Mit Material von Eva Kirchner-Rätsch

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