Winddrachen zur Stromerzeugung
Mit Hochleistungsdrachen will die Firma EnerKíte aus Wind Strom machen. Entstanden ist die Idee an der TU Berlin, gebaut werden die Drachen in Eberswalde. Auf dem havellänischen Fllugplatz Stölln/Rhinow wird getestet. Von Philipp Gerstner
Erneuerbare Energien sollen in Deutschland immer mehr ausgebaut werden. Deshalb entstehen auch immer mehr Windräder in der Region. Zuletzt verlangte die Bundesregierung einen noch stärkeren Ausbau der Windkraft. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat das Ziel angekündigt, bis 2030 sollen täglich deutschlandweit vier bis fünf Anlagen hinzukommen. Viele Anwohner sind damit nicht glücklich, zum Beispiel weil sie das Landschaftsbild verändern. In Eberswalde im Barnim schrauben Ingenieure gerade an einer Alternative.
Eine Testreihe jagt mittlerweile die andere. Dreh- und Angelpunkt von aktuellen Tests ist der Flugplatz Stölln/Rhinow im Havelland. Bei einem Test steht dort ein blaues Fahrzeug. Es sieht aus, wie ein Feuerwehrauto. Drumherum dreht ein Drachen seine Kreise. Dieser hat rund vier Meter Spannweite und ist mit Seilen an einem Mast befestigt, der wiederum auf dem Dach des Fahrzeuges angebracht ist.
Mit diesen Hochgeschwindigkeitsdrachen will die Eberswalder Firma Enerkite in Zukunft mit sehr viel weniger Aufwand Wind zu Strom machen. "Man hat jetzt Windräder mit Rotorblättern. Wenn man gedanklich von diesen nun die Spitzen abschneidet, diese an ein Seil bindet, dann hat man eigentlich das Teil, was am meisten Energie an einem Windrad bringt", erklärt Enerkite-Chef Florian Breipohl die Idee. Wenn man die Drachenkonstruktion noch höher bekommt als die Windräder jetzt, könne Enerkite mit 95 Prozent weniger Materialeinsatz den doppelten Stromertrag einfahren als ein herkömmliches Windrad - auch weil in höheren Regionen der Wind sehr viel stärker weht, so Breipohl.
In ihrer Produktionshalle in Eberswalde schrauben die Ingenieure gerade am ersten serienreifen Modell. Das soll im Container angeliefert werden und bis zu 100 Kilowatt liefern. Das ist in etwa Strom für rund 200 Haushalte. Mit Hilfe eines drehbaren Mastes und einer besonderen Starttechnik soll der Drachen bei nahezu jeden Windbedingungen abheben können, sagt der technische Leiter Christian Gebhardt. "Wir drehen in vier Sekunden einmal um 360 Grad, das heißt, an der jetzigen Mastlänge hat der Flügel ungefähr 50 Stundenkilometer Anströmgeschwindigkeit. Und das reicht auf jeden Fall, um auch bei Windstille starten zu können", so der technische Leiter weiter.
Sobald der Drachen eine Höhe von 200 Metern erreicht hat, so Breipohl, läuft die Stromerzeugung auf vollen Touren. Dafür muss der Hochgeschwindigkeitsdrachen auf eine achtförmige Flugbahn einbiegen. Wenn die Tragfläche dann in Position ist, bringt es über eine Seilverbindung eine in der Bodenstation befestigte Trommel zum Drehen. Ein darin eingebauter Generator wandelt die Bewegung in Strom. Nach rund 100 Metern Flugbahn wird ein kleiner Teil der Energie genutzt, um den Drachen wieder näher zum Boden zu ziehen. Dann beginnt der einminütige Kreislauf von vorne.
Aufgrund der einfachen und schnellen Montage sieht Breipohl viele Einsatzmöglichkeiten. Für die kleineren Anlagen seien das vor allem landwirtschaftliche Betriebe zur Eigenstromversorgung. Denkbar seien auch Schulen oder kleine Kommunen. Dann könnten es Mini-Grids entstehen, also kleine Netze, die sich aus verschiedenen Energieträgern speisen und über verschiedene Abnehmer verfügten. Wasserstoffproduktion sei so sehr gut denkbar.
Noch ist das alles noch Zukunftsmusik. Enerkite braucht bis zu Serienreife noch etliche Testflüge und Genehmigungen. In vier Jahren sollen die Drachen aus Eberswalde dann in Serie abheben, ist sich Florian Breipohl sicher.
Sendung: Antenne Brandenburg, 06.02.2023, 15:10 Uhr
Beitrag von Philipp Gerstner
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