Mit Berufsausbildungspflicht dem Fachkräftemangel begegnen
An allen Ecken und Enden in der Wirtschaft und im Handwerk fehlt es an qualifizierten Fachkräften. Firmen können schon teilweise keinen neuen Aufträge annehmen, weil die Leute fehlen. Der Landkreis Uckermarck denkt über eine Ausbildungspflicht nach.
Immer weniger junge Menschen in Brandenburg wollen einen handwerklichen Beruf erlernen. Darunter leidet der Mittelstand. Um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken, prescht der Landkreis Uckermark jetzt mit einer bahnbrechenden Idee vor. Ähnlich der Schulpflicht will der Landkreis eine politische Debatte über die Einführung einer bundesweiten Ausbildungspflicht anstoßen.
Chef ist froh über neuen Lehrling
Der Azubi Mathes Saschowa aus dem ersten Ausbildungsjahr erlernt gerade das Versiegeln von Eichenholz. Der 18-Jährige ist einer von zwei Lehrlingen in der Tischlerei Holzfactura in Angermünde. "Ich interessiere mich generell für Holz, mein ganzes Leben schon mit Holz zu tun gehabt, meine Eltern, meine Großeltern sind alle so Holzaffine", sagt Sachowa dem rbb.
Sein Chef Sebastian Kurzhals sei froh über solchen Firmennachwuchs. Fachkräftemangel ist auch für ihm ein Thema. "Es ist im Prinzip so, dass wir ständig am Suchen sind und so gut wie keine Bewerbungen haben. Ja, es fehlt einfach an Fachkräften. Die Auftragslage ist super. Wir können Sachen nicht bedienen, weil wir die Leute nicht haben", so Kurzhals.
Sozialdezernent denkt über bundesweite Berufsausbildungspflicht nach
Tausende freie Stellen gibt es in Brandenburg. Der Landkreis Uckermark will dagegen steuern und prescht jetzt mit einer möglicherweise zukunftsweisenden Idee hervor. "Wir denken schon, dass es wichtig wäre, neben der Schulpflicht und einer einjährigen Berufsschulpflicht, eigentlich auch für junge Menschen in Deutschland eine Berufsausbildungspflicht zu etablieren", sagt der uckermärkische Sozialdezernent Henryk Wichmann (CDU). Mit dem erlernten Beruf könne man sein eigenes Geld verdienen und auf eigenen Füßen stehen. Man müsse dann nicht mehr zu Hause bleiben und sich mit den Leistungen des Staates zufriedenzugeben, so der Sozialdezernent.
Die Kreisbehörde verzeichnet eine steigende Zahl von jungen Menschen, die in die Sozialhilfe abrutschen. Viele seien ohne Berufsabschluss. Diese würden auf dem Arbeitsmarkt fehlen. Wichmann wolle daher jungen Menschen eine Ausbildung im Handwerk schmackhaft machen. Das sollte seiner Ansicht nach schon in der Schule erfolgen. Im Unterricht sollte dafür mehr Zeit sein. In Arbeitsgemeinschaften könnten die Handwerkerberufe beworben und den Jugendlichen nähergebracht werden, so Wichmann.
Allerdings sei es schwer, einmal abgerutschten Jugendlichen den Weg in ein handwerkliches Berufsleben zu ebnen. "Wir beobachten, dass die Jugendlichen praxisfern sind. Die wissen nicht, was hinter den verschiedenen Berufsbildern steckt", sagt Nicole Heise vom Angermünder Bildungswerk. Sie leitet dort die Berufsausbildung. Eigentlich müsste man damit schon im Kindergarten anfangen, beispielsweise den Werkstoff Holz vorstellen und was man damit alles anfangen kann, unterstreicht Heise.
Auch ihr Lehrausbilder Lutz Lehmann sieht Handlungsbedarf in der Schulbildung. Mehr praktischer Unterricht könnte ein Schlüssel zum Erfolg sein. Von einer Berufsausbildungspflicht hat hält Lehmann aber wenig. "Das Interesse muss im Vorfeld geweckt werden. Mit Zwang quälen wir uns als Ausbilder oder die Betriebe genauso rum", sagt er. Wegen fehlendem Interesse entstünden dann nur Fehlstunden. Nur körperlich anwesend zu sein, weil man muss, bringt laut Lehmann wenig.
Tischlermeister von Berufsschulpflicht nicht angetan
Auch Tischlermeister Kurzhals ist für freiwilliges Lernen. Von einer Berufsausbildungspflicht hält er nichts. "Entweder kommt es aus eigenem Interesse, wie bei unseren Mathes, oder ansonsten wird es eher schwierig", so der Tischlermeister. Um in Zukunft Fachkräfte zu sichern, wolle er jungen Menschen mit Praktikumsplätzen und Workshops fürs Handwerk begeistern.
Übrigens: Einige Schulen in Brandenburg haben bereits umgesteuert und bieten praktischen Unterricht an. Für eine großflächige Einführung braucht es aber die Unterstützung aus Handwerk, Industrie und Wirtschaft.