Chancen-Aufenthaltsrecht
Seit Ende 2022 können viele ausländische Menschen mit Duldungsstatus eine 18-monatige Aufenthaltsgenehmigung beantragen. Allein in Märkisch-Oderland könnten hunderte Menschen profitieren - wie eine Eritreerin, die aktuell nicht arbeiten darf.
Seit zwei Monaten ist das Gesetz zur Einführung eines Chancenaufenthaltsrechts in Kraft. Damit sollen Menschen, die nach Deutschland geflüchtet und hier langjährig geduldet sind, langfristig unter bestimmten Voraussetzungen bleiben dürfen. Das Gesetz soll auch dem aktuellen Fachkräftemangel entgegenwirken. Deutschlandweit könnten laut Angaben des Bundestags mehr als 136.000 Menschen davon profitieren. Allein im brandenburgischen Landkreis Märkisch-Oderland sind nach Angaben des Kreises von insgesamt 812 Ausreisepflichtigen 477 vom neuen Gesetz betroffen.
Eine von ihnen ist Fantanesh Birhan. Die 27-jährige Frau aus Eritrea hat in den vergangenen drei Jahren in verschiedenen Restaurants in Strausberg gearbeitet, wie sie sagt. "Ich bin gesund und kann arbeiten." Auf sie warte eigentlich einen neuen Job in einer kleinen Konditorei, doch sie bekomme dafür keine Arbeitsgenehmigung mehr von der Ausländerbehörde. Der Grund dafür: Sie hat eine Duldung bekommen, wie Mona Abdelkarim vom Strausberger Jugendsozialverband dem rbb sagt. Eine Duldung ist eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung von ausreisepflichtigen Ausländern. Birhan dürfe deswegen nicht mehr arbeiten.
Eine Lösung für die Eritreerin könnte das seit dem 31. Dezember geltende Chancen-Aufenthaltsrecht sein. Einen Antrag können Menschen stellen, die seit mindestens fünf Jahren in Deutschland geduldet, gestattet oder mit einer Aufenthaltserlaubnis leben. Diese Menschen dürfen wegen einer vorsätzlichen Straftat nicht verurteilt sein und ihre Identität oder Staatsangehörigkeit nicht getäuscht haben. Für sie gibt es auf Antrag eine 18-monatige Aufenthaltsgenehmigung und eine Beschäftigungserlaubnis.
Um nach den 18 Monaten eine dauerhafte Bleibeperspektive zu erhalten, müssen Menschen mit Chancen-Aufenthaltsrecht laut der Integrationsbeauftragen der Bundesregierung hinreichende mündliche Deutschkenntnisse nachweisen, ihren Lebensunterhalt durch Arbeit sichern und ihre Identität klären. "Sie können sich dann bemühen, Arbeit finden und sich integrieren", sagt Mona Abdelkarim. "Das ist eine große Chance."
Birhan habe auch einen Antrag gestellt, weil sie die Voraussetzungen für das Chancen-Aufenthaltsrecht erfülle. Seit neun Jahren wohne sie nun in Strausberg mit ihrer Familie – Mann und zwei Kindern. Aus Eritrea sei sie aus Angst vor Unterdrückung und Misshandlung geflüchtet. "Ich möchte sicher leben", sagt sie. Eritrea gilt nach dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) nicht als sicheres Herkunftsland. Menschen aus Eritrea haben laut dem BAMF eine gute Bleibeperspektive in Deutschland. In Märkisch-Oderland hat laut Angaben des Kreises eine zweistellige Anzahl an Menschen bereits einen Antrag gestellt.
Die Eritreerin hat aber ein weiteres Problem: Sie konnte bisher ihre Identität nicht nachweisen, weil sie aus ihrem Heimatsland ohne jegliche Papiere geflüchtet sei. Doch Menschen, die in Deutschland kein Asyl erhalten und nur geduldet werden, dürfen ohne Identitätsnachweis, beispielsweise einen Reisepass, erstmal nicht arbeiten. Wenn Birhan aber das Chancen-Aufenthaltsrecht bekommt, hat sie weitere 18 Monate, um ihre Identität nachzuweisen.
"Sie ist ambitioniert und will sich auf dem Arbeitsmarkt etablieren", sagt Robert Droß, Chef der Strausberger Konditorei Tortenduft über Birhan. Er suche dringend Mitarbeiter und würde die Eritreerin gern einstellen. Droß verstehe die bürokratischen Hürden nicht. "Es ist eigentlich schade, dass Menschen, die arbeiten wollen, nicht arbeiten dürfen", sagt er.
Sendung: Antenne Brandenburg, 28.02.2023, 16:20 Uhr
Mit Material von Eva Kirchner-Rätsch
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