Große Entwicklungen
Die rapiden Entwicklungen der KI lassen die Grenze zwischen menschlichem Können und Technologie immer mehr schmelzen. Nicht nur Datenschützer haben Bedenken. An der Viadrinna wurde hierüber jetzt diskutiert. Von Franziska Eberlein
Um sich mit den rapiden Entwicklungen der Künstlichen Intelligenz (KI) auseinanderzusetzen, haben sich internationale Wissenschaftler:innen jetzt an der Viadrina in Frankfurt (Oder) ausgetauscht. Unter anderem Professoren:innen und Forscher:innen aus Potsdam, Wien, Edinburgh und Texas haben sich über zwei Tage mit neuen Ereignissen und Technologien beschäftigt.
Auch das derzeit viel diskutierte digitale Sprachmodell ChatGPT stand im Fokus der Diskussion. Das KI-Programm aus den USA kann anhand von Daten eigenständig Fragen beantworten, sowie ganze Paragrafe selbst formulieren. In nur fünf Tagen habe ChatGPT eine Million Nutzer erreicht - im Vergleich sei Instagram dieses Ziel erst nach zweieinhalb Monaten gelungen, erklärte Nicolas Flores-Herr, Leiter Conversational AI am Institutsstandort Dresden des Fraunhofer IAIS.
Gerade aufgrund des großen öffentlichen Interesses an KI wäre es wichtig, Menschen aufzuklären und den öffentlichen Dialog zu ändern, sagte Organisatorin Britta Schneider. Denn KI sei oft in Form einer Maschine mit übermenschlichen Fähigkeiten dargestellt, die schlagartig alles verändern kann. Doch diese Perspektive müsse man ändern, "weil am Ende hinter den Maschinen ja immer Menschen stehen. Es ist ja nichts in diesen Maschinen, was nicht Menschen gemacht haben. Menschliche Werte und menschliche Kultur ist da mit drin", so Schneider.
Deshalb ging es bei der Konferenz vor allem um die Betrachtung von KI als Interaktion zwischen Menschen, sagte Schneider dem rbb.
An diesem Aspekt forscht auch Kommunikationswissenschaftlerin Joanna Rączaszek-Leonardi an der Universität Warschau. Anhand davon, wie zwischenmenschlichen Mikro-Interaktionen von moralischen Werten geleitet sind, könne man Menschen von Maschinen unterscheiden.
Sprache sei eine menschliche Erfindung und ein Produkt der kulturellen Evolution, welche zwischenmenschliche Interaktionen beeinflusst. In diesem Sinne solle man auch über KI nachdenken und sprechen, sagte Rączaszek-Leonardi dem rbb.
"Alles, was wir sehen, tun und hören, bezieht sich darauf, was wir erlebt haben. Soweit ich weiß, obwohl es Versuche gibt, ist die Künstliche Intelligenz noch weit davon entfernt, das zu können", so Rączaszek-Leonardi weiter.
Unter anderem beschäftigt sich Rączaszek-Leonardi mit der Interaktion zwischen Müttern und neugeborenen Kindern. Anhand dieses Verhältnisses könne man erkennen, wie sehr das Baby durch die Einflüsse der Mutter, von Körpersprache, Mimik und Rhythmus, beeinflusst wird.
Aufgrund dessen sehe Rączaszek-Leonardi neue Technolgien wie ChatGPT auch derzeit nicht als Bedrohung. Man müsse den Technologien mehr Anerkennung geben und neue Sprachmodelle wie ChatGPT besser einsetzen. Durch Anerkennung könne man demnach auch bessere Konzepte in Hinblick auf Datenschutzregulationen entwickeln, die den Umgang sicherer gestalten würden.
Um zu gewährleisten das KI-Sprachsysteme keine Fehlinformationen verbreiten, könne man beispielsweise einen "Wächter" einsetzen. Dieser könnte eine menschliche Person sein, die KI erstellte Texte, vor der Veröffentlichung zensiert, so Rączaszek-Leonardi.
Auch in Hinblick auf Datenschutz gibt es viele Unsicherheiten, die mit der Weiterentwicklung von KI größer werden. Unter anderem arbeitet deshalb auch Nicolas Flores-Herr, Leiter Conversational AI am Institutsstandort Dresden des Fraunhofer-Instituts für Intelligente Analyse- und Informationssysteme IAIS derzeit an dem Projekt OpenGPT-X – ein von der Europäischen Union und dem deutschen Staat geförderten KI-Sprachmodell.
Sogenannte große Sprachmodelle seien Grundlage für Anwendungen wie ChatGPT. Damit kann beispielsweise die automatische Erzeugung oder Zusammenfassung von Texten ermöglicht werden. Dafür werden große Mengen an Daten in das Sprachmodell eingefügt um es zu "trainieren", erklärte Flores-Herr.
Entwickelt wird das Modell unter anderem, um die Abhängigkeiten von US-amerikanischen Systemen zu mindern, Datenschutz sicher zu stellen und mehr Transparenz zu schaffen. Denn derzeit kommen die meisten KI-Entwicklungen aus den USA und China. Mit OpenGPT-X könne man also ein KI-Sprachmodell einsetzen, welches europäischen Gesetzen, Datenschutz-Verordnungen und kulturellen Werten entspricht, so Flores-Herr.
"Ich denke es ist wichtig, bei dieser rasanten Entwicklung, dass Deutschland und Europa in der Lage sind mitzuhalten. Wir sollten nicht nur, aber spätestens jetzt, vor dem Hintergrund dieser Entwicklung, schnell und sehr entschlossen handeln. Damit Deutschland und Europa technisch in der Welt, den Anschluss behalten", sagte Flores-Herr.
Es sei dennoch wichtig über die Regulation von KI zu sprechen, insbesondere jetzt, wo das Thema in der breiten Öffentlichkeit präsent ist, sagte Flores-Herr. Der Leiter des Projekts von OpenGPT-X am Fraunhofer IAIS sehe jedoch kein Bedürfnis für eine Pause in der Entwicklung von KI.
Damit bezieht sich der Projektleiter auf den Aufruf einer Gruppe bekannter Unternehmer, die eine sechsmonatige Pause bei der Entwicklung von KI-Anwendungen fordern. In dem Brief, der vergangenen Donnerstag veröffentlich worden ist, haben unter anderem Tesla-Chef Elon Musk und Apple-Mitgründer Steve Wozniak ihre Sorge für die Gesellschaftlichen Auswirkungen von KI ausgesprochen.
"Ob das das richtige Mittel der Wahl ist, darüber sollte man sich sehr genau Gedanken machen", so Flores-Herr. Die Frage sei, wie man diese Pause kontrollieren und was in der Zeit konstruktiv passieren soll.
"Mit was für Ideen wollen sie kommen? Vor allem vor dem Hintergrund von rechtlichen Fragen, die weltweit unterschiedliche Implikationen haben, halte ich eine solche Pause für schwierig umsetzbar. Diese Dynamik wird kaum zu stoppen sein, aber es ist wichtig, dass länder- oder regionsspezifisch Leitplanken und Regularien eingezogen werden, und dass aber auch gleichzeitig diese neuen Technologien als Chance gesehen werden, die wir vielfältig nutzen können", sagte Flores-Herr.
Mit dem vom OpenGPT-X-Konsortium gemeinsam entwickelten System könnte man in Zukunft beispielsweise komplexe Texte auf Seiten der öffentlichen Verwaltung in einfache Sprache übersetzen, um diese zugänglicher zu gestalten. Zudem könne man das System nutzen, um die Berichterstattung unterrepräsentierter Sportarten und Vereine zu übernehmen, indem automatische Texte erzeugt werden.
"Mit den Fähigkeiten die KI kann, werden sicherlich Veränderung auf uns zu kommen. Gleichzeitig herrscht in Deutschland ein Fachkräftemangel, der zumindest teilweise mit der Hilfe von Künstlicher Intelligenz aufgefangen werden kann. Gerade da sehen wir potenzial", so Flores-Herr weiter.
Sendung: Antenne Brandenburg, 03.04.23, 15:40
Beitrag von Franziska Eberlein
Artikel im mobilen Angebot lesen