Audio: Antenne Brandenburg | 28.08.2023 | Michel Nowak | Quelle: Michel Nowak/rbb
Schicksale im Fokus
Eberwalderin forscht zu jüdischem Leben im Barnim
Ellen Grünwald verlegt Stolpersteine, pflegt Gräber oder arbeitet sich durch Archivmaterial aus der Nazi-Zeit. Damit will sie auf das jüdische Leben und Schicksale aufmerksam machen. Denn vergessen werden, dürfen die Menschen nicht.
In Brandenburg wohnten in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts zehntausende Menschen jüdischen Glaubens. Mit den Deportationen der Nazis veränderte sich dies grundlegend. Das jüdische Leben verschwand - und das bis heute in vielen Orten weitgehend so geblieben. Die Erinnerung aber ist wichtig, sagt Ellen Grünwald. Ehrenamtlich forscht sie in Eberswalde (Barnim) nach der jüdischen Vergangenheit.
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Begegnung mit ehemaliger Bewohnerin gibt Anstoß
Wenn Ellen Grünwald in ihrer Heimatstadt unterwegs ist, dann oft auf der Suche nach Spuren jüdischen Lebens. Und davon gibt es viele - so wie das Denkmal an der ehemaligen Synagoge. Interesse für jüdische Geschichte hatte sie immer. Doch den Anstoß für ihre jetzige Arbeit gab eine Begegnung "2003 hat eine jüdische Frau an meiner Tür geklingelt und gesagt, dass sie mal in meinem Haus gewohnt hätte. Ob sie reinkommen dürfe. Ich dachte: eine echte Jüdin und hatte einen großen Moment, jemanden zu erleben, der hier als Kind gelebt hat. Das ist etwas sehr Besonderes."
Arbeit gegen das Vergessen
Mit der Geschichte der früheren Synagoge beschäftigte sich Ellen Grünwald nach der Begegnung. Beim Verlegen vieler Stolpersteine für deportierte Juden hat sie ebenfalls mitgewirkt. Und die Eberswalderin will noch mehr über die schwierige Vergangenheit wissen, sagt sie. "Diese jüdischen Bewohner sind komplett weg. Wir müssen als Stadt an sie erinnern. Sonst erinnert sich keiner mehr, dass es sie gegeben hat."
Vergessen ist für die 54-Jährige keine Option. Das gilt auch für den wiederentdeckten Alten Jüdischen Friedhof. "Dieser Ort ist ein Zeichen von jüdischem Leben, das es nicht mehr gibt", sagt Grünwald. "Deswegen ist es uns auch so wichtig, dass wir auch Pflegemaßnahmen machen, damit die Namen sichtbar bleiben. Das ist im Judentum eine wichtige Sache, dass die Personen verloren gehen. Und wir können zu jedem Grabstein eigentlich eine Familiengeschichte erzählen."
Marieta Böttger und Ellen Grünwald auf dem jüdischen Friedhof in Eberswalde | Quelle: rbb
Der Alte Jüdische Friedhof war lange nahezu vergessen und blieb sich selbst überlassen. Heute kümmert sich auch Ellen Grünwald und Mitstreiterinnen wie Marieta Böttger um die rund 100 Grabsteine. "In der heutigen Zeit gibt es die Projektleute, die mal kurze Zeit etwas machen", sagt Böttger. "Aber sie [Ellen Grünwald, Anmerk. d. Red.] engagiert sich seit Jahrzehnten in verschiedenen Bereichen."
Auf Spurensuche in den Depots
Vier Tage die Woche arbeitet die Mutter eines Sohns als Hortleiterin. Einen Tag forscht sie ehrenamtlich. Dazu gehören auch Besuche im Barnimer Kreisarchiv. Dort im Depot verstecken sich Polizeiakten, die Rückschluss auf die jüdische Gemeinde geben. Beim Lesen sei sie manchmal erschüttert.
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Zum Nachdenken anregen
Ellen Grünwald ist ständig auf der Suche, auch nach Zeitzeugen-Berichten und historischen Fotos. Aus dem Warschauer Ghetto hat sie Filmaufnahmen gefunden. Darauf zu sehen sind beispielsweise Menschen, die aus Eberswalde dorthin deportiert wurden. "Hier kommen etwa Anna Steinhart und ihre Tochter Magot", sagt Grünwald mit Blick auf die Aufnahmen. Das Mädchen überlebte. Die Forscherin hat Margot Steinhart später in Israel getroffen. Das sei ein Motivationsschub für ihre Arbeit. "Ein großes Ziel ist es, auf möglichst viele Eberswalder Juden aufmerksam zu machen. Ich glaube nicht, dass jeder einen Gedenkstein bekommt, aber vor einem Haus stehen zu bleiben und sich zu fragen, wer da gewohnt hat, und dann etwas zu erfahren und darüber nachzudenken, das wäre mein großes Ziel."
Ellen Grünwald will weitermachen. Weil sie findet, dass noch mehr von Eberswaldes jüdischer Vergangenheit wert ist, erzählt zu werden.