Interview | Burgschreiberin Franziska Hauser
Dank eines Stipendiums lebt Autorin Franziska Hauser seit Januar allein auf der Burg Beeskow und arbeitet an ihrem neuen Roman, kleineren Texten und hält Lesungen. Nach der Hälfte ihres kreativen Exils zieht sie eine erste Bilanz.
Der Landkreis Oder-Spree und die Stadt Beeskow vergeben jedes Jahr ein Förder-Stipendium für Literaten. Neben insgesamt 5.000 Euro beinhaltet das auch für fünf Monate eine kleine Wohnung mit Arbeitszimmer auf der Mittelalterlichen Burg Beeskow. Das soll dem Burgschreiber oder der Burgschreiberin ermöglichen, ein literarisches Vorhaben umzusetzen und gleichzeitig die Kultur vor Ort beispielsweise mit Lesungen zu bereichern.
Die inzwischen 30. Burgschreiberin ist aktuell Franziska Hauser aus Berlin. Das Amt in Beeskow hat sie seit Januar inne, dort arbeitet sie an ihrem Roman über eine junge Frau, die aus einer Kommune in die Großstadt flieht, dort aber nicht zurechtkommt. rbb|24 hat mit der Autorin über Leben und Arbeiten auf der Burg gesprochen.
rbb|24: Frau Hauser, haben Sie sich mittlerweile eingelebt und sind in Beeskow angekommen?
Franziska Hauser: Ich bin sehr gut angekommen. Wenn ich den Leuten in der Stadt begegne, sagen sie schon alle wieder: Sie sind ja bald wieder weg. Ich muss dann immer erklären, dass ich noch eineinhalb Monate da bin. Ich will schließlich auch noch die schöne Jahreszeit miterleben. Ich hatte ja nur die Wintermonate, aber da habe ich die Stadt auch gut kennenlernen können.
Haben Sie denn mittlerweile eine Art Alltag hier?
Nein, aber das liegt daran, dass ich eh nie einen Alltag habe. Ich lasse mich treiben und habe überhaupt keine Routinen und mache jeden Tag alles anders. Ich habe Leute kennengelernt, indem ich einfach in die Türen reingegangen bin, die offen waren: Keramikkurs, Jugendklub, Geschäfte. Die Leute sind ja auch sehr redselig, insofern ist es nicht schwierig, mit ihnen ins Gespräch zu kommen.
Was für Menschen haben Sie denn kennengelernt?
Was mich total überrascht hat, ist, dass wirklich die drängendste Frage alle Menschen, denen ich begegne, ist: Wie sind die Beeskower so? Wie stehen wir in der Welt da? Das überfordert mich komplett, weil man nicht sagen kann, wie die Menschen sind oder eine Stadt. Sobald man anfängt, genauer hinzugucken und die Leute kennenzulernen, ist es unmöglich das zu beurteilen. Das kann man nur, wenn man nicht genau hinguckt. Aber das will ich nicht, sondern die verschiedenen Menschen kennenlernen. Wenn man mich fragt, wie der Beeskower ist: Ich habe keine Ahnung.
Sie sind nicht nur in der Stadt unterwegs, sondern machen täglich zum Teil viele Kilometer weite Spaziergänge. Was entdecken Sie dabei?
Ich bin Berlinerin und somit auch irgendwo Brandenburgerin. Meine Natur ist die brandenburgische. Ich bin als Kind sehr viel auf dem Land aufgewachsen. Insofern fühle ich mich eh zwischen den Kiefern sehr wohl. Ich habe mich vom ersten Tag an sehr zu Hause gefühlt und liebe diese Situation, dass man einfach vor die Tür gehen kann und da hat man Wasser, Nutrias, Felder und Wälder. Und dieses Spree-Delta ist schon echt traumhaft. Da laufe ich stundenlang lang und habe in den Wintermonaten einfach die Dunkelheit zum Schreiben genutzt.
Fließen denn die Umgebung und die Menschen auch in Ihre Texte mit ein?
Nicht in den Roman, aber in andere Texte natürlich. Ich schreibe parallel auch kleinere Texte für Lesebühnen oder Zeitungen und da schreibe ich auch über die Gegend und was ich hier so erlebe. Aber nicht direkt über Menschen. Das kann man in Berlin machen, wie über irgendwelche Ärgernisse in der U-Bahn oder der Supermarkt-Schlange. Man kann sich aufregen über irgendwelche doofen Leute.
Sowas geht hier natürlich nicht. In Berlin muss ich nur auf meine Familie und meine engsten Bekannten Rücksicht nehmen. Hier ist es aber so, als ob die ganze Stadt meine Familie ist, weil ich mich nicht über Leute lustig machen kann, die sich alle kennen.
Ich kann aber hier sehr gut die Geschichten vorlesen, die woanders spielen. Im Prenzlauer Berg kann ich mich super gut über die Prenzlauer Berger lustig machen. Da amüsieren sich alle wie Bolle. Aber in Beeskow geht das nicht. Da sind nur die Geschichten lustig, die nicht in Beeskow spielen. (lacht)
Das ist vielleicht ein bisschen der Grund, warum Künstler eben hier auf dem Land im eigenen Häuschen leben und nicht ihre unmittelbare Umgebung, ihren Ort thematisieren. Es gibt sehr viele Hobby-Künstler, aber es gibt eben kaum Berufs-Künstler, die mitten unter den ganzen Bäckern, Verkäufern und Handwerkern leben, wie es in Berlin ja möglich ist. Das ist schon ein großer Unterschied. Ich denke, es ist, weil die Anonymität fehlt. Eine Frau meinte neulich: In Berlin kann man morgens, wenn man die Kinder in den Kindergarten bringt, jemand anders sein als auf Arbeit oder in der Bar. Aber hier ist man immer derselbe, weil man einfach überall denselben Leuten begegnet.
Wo tragen Sie denn dann die Beeskower literarisch hin?
Ich schreibe sehr diplomatische, vorsichtige Texte, die man auch hier vorlesen kann. (lacht) Ich habe auch das Gefühl, die letzten Burgschreiber sind teilweise sehr auf Landschaftsbeschreibungen ausgewichen. Das will ich eigentlich nicht machen und auch über Menschen schreiben, wie ich es empfinde und ehrlich schreiben. Aber ich kann mich halt nicht lustig machen. Das ist es, was ich aus Berlin gewohnt bin, dass es am unterhaltsamsten ist. Man kann auch berührende Geschichten über Leute erzählen, aber wenn man sie kennt, funktioniert es für mich nicht.
Wie läuft es denn mit Ihrem Buch?
Das Buch hat fast 100 Seiten mehr bekommen. Ich habe nebenbei auch noch andere Texte geschrieben. Dann ist es auch so, dass man das Schreiben an einem Roman nicht beschleunigen kann. Man kann daran arbeiten, wenn es einem gut oder schlecht geht. Am Roman ändert das aber gar nichts. Es ist wie mit Kindern: Die kann man auch nicht schneller größer machen.
Wenn ich manchmal morgens aufwache und eine Szene schnell runterschreibe, dann ist es hier sehr luxuriös. Denn in Berlin muss ich arbeiten gehen und trage dann den ganzen Tag eine Szene mit mir herum und bekomme sie nicht aufgeschrieben. Der Zustand ist als ob man ständig hungrig oder müde ist. Deshalb ist es hier wie eine Autorin-Roman-Kur. Es geht mir einfach besser als wenn ich in der Stadt schreibe.
Sie haben in Beeskow mittlerweile die erste Hälfte hinter sich. Wie geht es in den kommenden Wochen für Sie weiter?
Jetzt fängt hier das Leben an. Die Kirche und das "Älteste Haus" sind offen. Der Markt ist belebt. Ich merke, dass die Leute nach Ostern aus ihren Häusern kriechen. Auch ich habe wieder mehr Veranstaltungen im Kalender und merke, dass diese Winterschlaf-Zeit vorbei ist. Wenn das Wetter dann noch schön wird und ich die Fenster zum Burghof offen lassen kann, ist es wahrscheinlich ziemlich schwer, wenn ich wieder abfahren muss.
Vielleicht ist es noch ein bisschen früh, aber die Ausschreibung für Ihre Nachfolge läuft ja schon: Haben Sie ein paar Tipps?
Ich habe mir ein paar Sachen aufgeschrieben. Ich muss dem nächsten Burgschreiber oder der Burgschreiberin sagen, dass sie sich nicht gleich am Anfang interviewen lassen sollen. Es ist ein bisschen als ob man zur Einschulung gefragt wird, wie man sich als Schulkind fühlt, was man ja noch nicht wissen kann. Man braucht erstmal Zeit, um hier anzukommen, zu wissen, wer man hier sein will und wo man eigentlich ist. Erst dann kann man etwas sagen. Aber die Presse stürzt sich gleich am Anfang auf die Burgschreiber und will wissen, wie sie sich fühlen. Das können sie aber noch gar nicht und ich fand das ein bisschen schwierig. Und man sollte sich auf jeden Fall die Telefonnummer vom Hausmeister geben lassen. (lacht) Das habe ich vergessen und manchmal gibt es kleine Probleme und ich bin die einzige, die hier wohnt und übernachtet.
Und wie ist es nachts, wenn alle Besucher und Mitarbeiter weg sind, die einzige Bewohnerin auf einer mittelalterlichen Burg zu sein?
Herrlich, ich liebe das. Ich habe nachts die Fenster offen und beschalle den Burghof mit meiner Musik. Dann kommt immer ein roter Kater rein und übernachtet bei mir. Es fragen immer alle, ob ich Angst habe. Aber ich habe eigentlich immer eher Angst in großen Menschenmengen. Wenn keiner da ist, habe ich überhaupt keine Angst.
Vielen Dank für das Gespräch!
Das Interview führte Tony Schönberg für Antenne Brandenburg. Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um eine gekürzte Fassung des Gesprächs.
Sendung: Antenne Brandenburg, 17.03.2023, 14:10 Uhr
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