Wasser-Untersuchungen
Messwerte in der Oder zeigen weiter einen hohen Salzeintrag an. Der Verursacher ist noch unbekannt. Ein Gewässerökologe warnt vor einer neuen Umweltkatastrophe - und sieht eine Verbindung zum Oder-Ausbau.
Die Oder führt unvermindert sehr viel Salz im Flusswasser mit sich. Das haben neue Untersuchungen des Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB) ergeben.
Den Daten zufolge wurden in der unteren Oder über 1.400 Mikrosiemens je Zentimeter gemessen. Dort sei das Wasser allerdings durch den Fluss Warthe verdünnt, berichtete Gewässerökologe Christian Wolter am Dienstag. Bei Frankfurt (Oder) lägen die Werte aktuell sogar regelmäßig über der Messbereichsgrenze von 2.000 Mikrosiemens je Zentimeter.
Eine Umweltkatastrophe hatte im August in der Oder zu einem großen Fischsterben geführt. Auf deutscher und polnischer Seite verendeten nach Angaben des Bundesumweltministeriums schätzungsweise mindestens 350 Tonnen Fische. Experten gehen davon aus, dass ein hoher Salzgehalt im Fluss ein wesentlicher Grund ist, verbunden mit Niedrigwasser, hohen Temperaturen und einer giftigen Algenart. Hunderte chemische Substanzen können nach Ministeriumsangaben als Mitverursacher der Umweltkatastrophe in Frage kommen.
Gewässerökologe Wolter nannte mit der Durchflussgeschwindigkeit noch eine andere Komponente, die sich negativ auswirken kann. Der Durchfluss in der Oder liegt Wolter zufolge aktuell bei 130 Kubikmetern pro Sekunde, zur Zeit der Umweltkatastrophe im August dieses Jahres waren es nur 85 Kubikmeter je Sekunde. "Da geht also weiterhin massiv Salz in die Oder", schätzte Wolter ein.
Es sei dringend notwendig, bis zum kommenden April die Einleitgenehmigungen von zulässigen Frachten umzustellen und die Leitfähigkeit bei maximal 1.400 Mikrosiemens je Zentimeter zu begrenzen. Das müsste von polnischer Seite aus geschehen. "Andernfalls haben wir die Katastrophe im kommenden Jahr wieder." Momentan sehe er keine Anstrengungen in diese Richtung, so der Experte.
Das Fischsterben hatte zu Verstimmungen im Verhältnis zwischen Deutschland und Polen geführt. Polen pocht zudem weiter auf einen Ausbau der Oder, Deutschland will einen Stopp. Das Land Brandenburg klagt vor dem Verwaltungsgericht Warschau gegen den Ausbau, weil bei aktuellen Maßnahmen zum Flussausbau Auswirkungen auf die Umwelt und vor allem die angrenzenden Auen in der grenzüberschreitenden Umweltverträglichkeitsprüfung nicht ausreichend dargelegt sind.
Forscher Wolter stellt sich noch einmal klar gegen den Ausbau der Oder. Betrachte man die mittelbaren Ursachen der Oder-Katastrophe, dann begünstigten Niedrigwasser und höhere Verweilzeiten des Wassers Algenblüten, stellte er dar. Der Ausbau werde das Einsetzen und die Dauer von Niedrigwasserperioden fördern, weil er das Wasser im Frühjahr schneller ins Meer ableite, schätzte Wolter ein. Das führe auch zu einer Tiefenerosion. Zudem sinken bei geringeren Durchflüssen die Wasserspiegel weiter ab und die Landschaft werde entwässert.
Bei einem Besuch im Nationalpark Unteres Odertal am Montag hatte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) gesagt, sie sei zum Thema Ausbau der Oder mit Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) im Gespräch. Es gehe beim Ausbau in Polen nicht um eine "kleine Reparatur" sondern um eine tiefgreifende Veränderung des Ökosystems - auch für die Fischbestände.
Sendung: Antenne Brandenburg, 13.12.2022, 17:30 Uhr
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