Zwölfter Fund aus Gräberfeld Groß Fredenwalde
Der Weinberg in der Uckermark birgt einen der wichtigsten archäologischen Fundplätze Deutschlands. Jetzt wurde das letzte von insgesamt zwölf menschlichen Skeletten präsentiert. Die Forscher hoffen auf Hinweise zu Wanderungen in Europa.
Als in den 1960er-Jahren in Groß Fredenwalde in der Uckermark ein Funkmast errichtet werden sollte, kamen in der Erde plötzlich Knochen zum Vorschein. Das älteste Gräberfeld Deutschlands aus der Mittelsteinzeit war gefunden. Die meisten Grabreste wurden aber erst viele Jahre später ausgegraben. Das vorerst letzte dort entdeckte Skelett haben Forschende vom Brandenburgischen Landesamt für Denkmalpflege, des Archäologischen Landesmuseums und einiger Hochschulen am Freitag in Berlin präsentiert.
Fast alle Grabstellen haben eine rötliche Farbe aus einem speziellen Gestein, das damals auf den Toten verteilt wurde, gemeinsam. Ausgrabungsleiter zwischen 2012 und 2014 war Andreas Kotula. Er erinnert sich, wie er kurz vor Ende des Projekts 2019 in der Erde eine unscheinbare Stelle entdeckt hatte. Auch diese wies eine rötliche Färbung auf. "In der Hoffnung, dass man das kurz prüft, habe ich angefangen, das von oben systematisch in Schichten abzutragen. Das Erste, was dann kam, war einfach eine Kniescheibe."
Die Kniescheibe gehört zu dem Skelett, das die Forscher am Freitag an der Hochschule für Technik und Wirtschaft Berlin (HTW) zum ersten Mal präsentiert haben. Es ist das zwölfte Skelett vom Weinberg in Groß Fredenwalde. Wie auch die meisten der anderen Skelette dort wird der letzte Fund auf ein Alter von circa 8.000 Jahren geschätzt.
Die Person sei etwa 1,50 Meter groß gewesen und dürfte den Untersuchungen zufolge zum Zeitpunkt des Todes Anfang 20 gewesen sein. Die Beine sind angewinkelt, da die Person wohl in hockender Haltung beerdigt wurde. Anzeichen für Krankheiten gibt es nicht und auch die Todesursache ist bislang unklar.
Laut Thomas Schenk von der HTW sind die Knochen besonders gut erhalten. "Wir haben hier aufgrund der vorzüglichen Knochen-Erhaltung die Möglichkeit, ein umfangreiches analytisches Programm umzusetzen. Wir führen genetische Untersuchungen am Knochenmaterial durch, sodass wir am Ende Aussagen über die Verwandtschaftsbeziehungen zwischen den entdeckten Individuen treffen können, und über mögliche Herkunftsgebiete oder Wanderungsbewegungen."
Herkunft und Wanderungsbewegungen seien genau die Themen, die die Uckermark als Fundort spannend machen, heißt es von den Wissenschaftlern. Nicht nur sei der Friedhof der älteste jemals in Deutschland gefundene. Er liegt auch an einem Ort, der damals zur Mittelsteinzeit eine geografische Grenze zwischen unterschiedlichen Gesellschaftsformen war.
Die indigene Bevölkerung der Uckermark waren Jäger und Sammler, die sich nie weit wegbewegt hätten. Vor ungefähr 7.000 Jahren kamen laut Forschung allerdings die ersten Bauern aus Südeuropa und breiteten sich genau bis zur Uckermark aus.
In Groß Fredenwalde seien nun Menschen aus beiden Gruppen begraben. Das hilft der Archäologin Henny Piezonka von der Universität Kiel dabei, eine bestimmte Frage zu erforschen: "Was passiert, wenn eine jägerisch mobile Gesellschaft und eine sesshafte Einwanderer-, Eroberer-, Kolonialistengesellschaft aufeinandertreffen. Diese Situation haben wir an diesem Platz."
Das Skelett zu erforschen werde allerdings noch lange dauern. Weitere Analysen sollen Hinweise auf das Aussehen liefern. Auch die Bestattungsweise und der Bestattungsritus sollen genauer untersucht werden. Anschließend kommt es in das Brandenburgische Archäologische Landesmuseum. Dank aufwendiger 3D-Technik soll davon aber auch bald in der Uckermark mehr zu sehen sein.
Sendung: rbb24 Abendschau, 13.01.2023, 19:30 Uhr
Mit Material von Konrad Spremberg
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