Noch viele offene Fragen
Vertreter aus Politik und Wissenschaft fordern, die Ukraine stärker in den Mittelpunkt zu stellen. In Frankfurt (Oder) soll dazu nun ein Zentrum geschaffen werden. Auch wenn die Pläne Gestalt annehmen, ist noch vieles offen.
Nach der gescheiterten Bewerbung als Standort für das geplante Zukunftszentrum für Deutsche Einheit und europäische Transformation will Frankfurt (Oder) nun ein Ukraine-Zentrum im Stadtgebiet entwickeln. Dafür haben sich 20 Vertreter aus Politik und Wissenschaft in einer "Frankfurter Erklärung" ausgesprochen, die Ende März auf der Internetseite des Brandenburger Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kultur veröffentlicht wurde [mwfk.brandenburg.de]. Doch bislang ist noch vieles offen und die Realisierung noch in weiter Ferne. So zum Beispiel, wo das mögliche Ukraine-Zentrum eigentlich entstehen soll.
Bislang gibt es die geplante Einrichtung nur als Vision auf dem Papier. Seit einem Jahr werde an dem Konzept gearbeitet, berichtete Brandenburgs Wissenschaftsministerin Manja Schüle (SPD) Mitte April: "Es hat sich dann ja sehr schnell herausgestellt, dass unser Wissen noch defizitär ist, unser Blick in den vergangenen Jahrzehnten immer Richtung Westen ging und dass wir entgegen anders lautender Aussagen Mittel- und Osteuropa immer mehr aus dem Blick verloren haben", sagte Schüle dem rbb. Das könnte sich aber mit der Realisierung eines Ukraine-Zentrum ändern.
Frankfurt sei dafür ein idealer Ort, so Schüle weiter. Lehre, Forschung und Wissenstransfer könnten dort in den Fokus gerückt werden.
Bereits seit Jahren gibt es an der Europa-Universität Viadrina viele Verbindungen in die Ukraine, wie Universitäts-Präsident Eduard Mühle im Interview Anfang April betont. Es sei in seinem Interesse als Präsident, die vorhandenen Verbindungen zu stärken, auszubauen und zu bündeln, so Mühle im Gespräch mit dem rbb. Idealerweise sollen die bisherigen Ukraine-Verbindungen der Viadrina später die Grundlage für "das Ukraine-Zentrum in Frankfurt" bilden, formulierte Mühle den Anspruch seiner Hochschule.
Der Viadrina könne nach Ansicht des Präsidenten einer möglichen Gründung des Zentrums auch selbst einen neuen Schub geben. Zuletzt hatte die Universität mit sinkenden Studierendenzahlen zu kämpfen gehabt.
Dabei sei der Austausch mit den östlichen Nachbarn angesichts des Russland-Krieges aktuell wichtiger den je, erklärte auch die ehemalige Universitäts-Präsidentin Gesine Schwan im rbb-Interview am 14. April: "Die Idee der Integration der Gesellschaften Mittel- und Osteuropas auch jetzt der Ukraine – dies alles gehört zur DNA der Viadrina und zu ihrer langen Praxis."
Und auch in der Ukraine selbst komme die Idee eines Ukraine-Zentrums gut an: Botschafter Oleksii Makeiev befürwortet das Vorhaben und bot Mitte April in Frankfurt die Expertise seines Landes an. Das Interesse an der Ukraine sei allgemein vorhanden, doch fehle es vielerorts an Wissen, so Makeiev: "Man muss damit anfangen, dass in den Schulen, in den Hochschulen ukrainische Geschichte, ukrainische Sprache studiert wird, damit die Menschen verstehen, dass es eigentlich um ein europäisches Land geht."
Der Frankfurter Oberbürgermeister René Wilke (Linke) möchte dabei ein mögliches Ukraine-Zentrum nicht mit der Bewerbung für das Zukunftszentrum vermengen. "Ich glaube, wenn es das Zukunftszentrum nicht gegeben hätte als Idee oder wenn es nach Frankfurt (Oder) gekommen wäre, dann hätten wir trotzdem die Diskussion zum Ukraine-Zentrum gebraucht", sagte Wilke vergangene Woche, der die Diskussionen grundsätzlich begrüßt. Nun müsse weiter diskutiert werden.
Denn obwohl die Ideen rund um das Ukraine-Zentrum nach Aussage von Wissenschaftsministerin Schüle konkreter werden, sei noch viel zu tun. So sei die Dimension des Zentrums noch unklar. Weiter offen seien auch die Fragen, ob es eigenständig oder Teil der Viadrina werden und vor allem wie es finanziert werden soll. Antworten darauf sollen die nächsten Wochen bringen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 26.04.2023, 15:40 Uhr
Mit Material von Robert Schwaß
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