Verbindung zur Oder
Nach dem Fund vieler toter Fische in dem von der Oder abzweigenden Gleiwitzer Kanal in Polen haben polnische Behörden eine Sauerstoffanreicherung des Wassers angeordnet. Dies habe der Krisenstab um den Verwaltungschef der Woiwodschaft Opole am Sonntag beschlossen, teilte das Umweltministerium in Warschau mit.
Nach Angaben der Gebietsverwaltung wurden im Gleiwitzer Kanal sowie in dem davon abzweigenden Kedzierzyn-Kanal insgesamt 450 Kilogramm verendeter Fische geborgen. Der Sauerstoffgehalt des Wassers sei dort dramatisch gefallen. "Die Proben vom 10. Juni zeigen das Vorkommen von Goldalgen im Kedzierzyn-Kanal und an zwei Stellen im Gleiwitzer Kanal. Die Algen haben sich möglicherweise mit der Strömung bewegt", teilte das Umweltministerium mit. Bei vorhergehenden Wasserproben am 7. Juni seien Goldalgen im Kedzierzyn-Kanal, jedoch nicht im Gleiwitzer Kanal gefunden worden.
Der 1939 eingeweihte Gleiwitzer Kanal ist 41 Kilometer lang und verbindet die oberschlesische Großstadt Gleiwitz (Gliwice) mit der Oder. Der 4,5 Kilometer lange Kedzierzyn-Kanal zweigt vom Gleiwitzer Kanal ab und führt zu den Stickstoffwerken in Kedzierzyn-Kozle.
Das Bundesumweltministerium sei über den aktuellen Vorfall bislang nicht von den polnischen Amtskollegen informiert worden, teilte das Ministerium auf rbb-Anfrage am Dienstag mit. "Bundesumweltministerin Steffi Lemke hat für solche Fälle bereits mehrfach ein gemeinsames Frühwarnsystem vorgeschlagen", heißt es weiter in der schriftlichen Mitteilung. Dazu seien weitere Gespräche mit der polnischen Seite vorgesehen.
Das derzeitige Warnsystem erfolge gemäß dem internationalen Warn-und Alarmplan der Internationalen Kommission zum Schutz der Oder gegen Verunreinigung (IKSO), heißt es vom Landesumweltministerium am Dienstag. Dieser Alarmplan sei nach der Umweltkatastrophe 2022 zwar geändert worden. Dadurch würden nicht nur Unfälle und Havarien, sondern auch "natürliche" Ereignisse schneller gemeldet, so eine Ministeriums-Sprecherin gegenüber dem rbb: "Die Einmündung des Gleiwitzer Kanals in die Oder ist allerdings mehrere hundert (Fluss-) Kilometer von der deutschen Grenze entfernt und die Fließzeit beträgt mehrere Tage." Daher habe es bislang noch keine Meldung von polnischer Seite gegeben.
Polen habe im Gleiwitzer Kanal "unter Laborbedingungen getestete algenhemmende Präparate eingesetzt", schrieb Polens Umweltministerin Moskwa am Dienstag in einem Gastbeitrag der Berliner Zeitung. Dabei handele es sich um Präparate, "die in anderen Ländern, unter anderem im Vereinigten Königreich und in den USA, verwendet werden, um Goldalgen- oder sonstige Algenblüten zu stoppen." Mehr als 100 Personen, darunter Soldaten des Chemischen Dienstes und regionale Umweltschutzazfsichtsbehörden, sollen bei dem Einsatz des Mittels zur Bekämpfung der Goldalgenblüte beteiligt gewesen sein.
Christian Wolter vom Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei hat Zweifel, dass dieses Verfahren zielführend ist: "Wir haben jetzt gerade auch in der Oder wieder sehr hohe Salzgehalte. Das darf natürlich nicht sein, dass wir ungehindert Salz einleiten und mit zusätzlichen Chemiekalien dann versuchen die Alge zu bekämpfen, die man ja tatsächlich auch an der Entwicklung hindern könnte, indem man weniger Salz in die Oder gibt oder zumindest die Konzentration niedrig hält, sagte Wolter dem rbb.
Im vergangenen Sommer war es in der Oder zu einem massenhaften Fischsterben gekommen. Experten in Deutschland und Polen kamen zu dem Schluss, dass höchstwahrscheinlich die toxische Wirkung einer Blüte der giftigen Goldalge Prymnesium parvum den Tod der Fische verursacht hatte.
Erst in der vergangenen Woche hatte Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) beim Treffen mit ihrer polnischen Amtskollegin Anna Moskwa betont, dass man zum Schutz der Oder weiter auf einen Dialog mit der polnischen Seite setze. Gleichzeitig unterstrich Lemke, dass sie bei ihrer Forderung nach einem Stopp der Salzeinleitungen in den Fluss hartnäckig bleibe. Die Gesundung des geschädigten Öko-Systems muss in den Vordergrund gestellt werden.
Sendung: rbb24 Infoadio, 12.06.2023, 16:40 Uhr
Artikel im mobilen Angebot lesen