Gang vor Europäischen Gerichtshof angekündigt
Das Verhältnis zwischen Polen und Deutschland war schon mal besser, nun will das Umweltministerium des Nachbarlandes die Bundesrepublik verklagen. Es geht um tausende Tonnen illegalen Mülls.
Das polnische Umweltministerium wirft der Bundesregierung vor, sich nicht um 35.000 Tonnen illegal in Polen verklappten Müll aus Deutschland zu kümmern. So frage die polnische Seite seit Jahren bei verschiedenen staatlichen Stellen an, etwas zu unternehmen, so das Umweltministerium gegenüber dem rbb. Jedoch fühle sich im deutschen Föderalismus niemand hierfür verantwortlich. Deshalb plane das polnische Umweltministerium, Deutschland vor dem europäischen Gerichtshof (EuGH) zu verklagen.
Doch so klar scheint die Ausgangslage gar nicht zu sein, wie ein Blick in das westpolnische Dorf Sarbia zeigt. Es liegt etwa 200 Kilometer von der deutsch-polnischen Grenze entfernt.
Das schmucke Dorf verfügt über viele kleine Häuser, die sich wie auf einer Perlenschnur an einer Straße aufreihen. Dazu gibt es einen kleinen Teich. Es ließe sich hier ganz nett leben, wenn da nicht die riesige Müllhalde wäre. "Für uns ist der Müll ein gewaltiges Problem, denn ganz in der Nähe der Halde ist unsere Wasserentnahmestelle. Wenn es regnet, sickert alles in den Boden und dann irgendwie auch in unser Grundwasser. Das Wasser ist schlechter geworden. Ungekocht kann man es nicht mehr trinken", erklärte Gemeindevorsteherin Longina Vika.
Im Ballen gepresst liege der Müll schon seit 2018 am Dorfrand und niemand wisse so ganz genau, was sich in der Halde alles noch an Giftigem versteckt, sagte sie, denn der Müll sei illegal hier verklappt worden.
In Warschau will man jetzt dafür auch einen Schuldigen gefunden haben. Das polnische Umweltministerium hat vor kurzem einen Film veröffentlicht. Zu sehen sind erst der Deutsche Bundestag und dann die polnischen Müllhalden.
8.700 Tonnen illegalen deutschen Mülls seien es allein in Sarbia, 35.000 Tonnen sollen es insgesamt auf illegalen Halden in Polen sein. Und die Bundesregierung weigere sich, ihn zurückzunehmen, erklärte unlängst der stellvertretende Umweltminister Jacek Ozdoba. Polen werde Deutschland deshalb vor dem Europäischen Gerichtshof verklagen.
Deutsche Firmen hätten illegal Müll nach Polen gebracht, erklärte Ozdoba. "Deutschland will diesen weder zurückholen noch die Beseitigung finanzieren. Es kann nicht sein, dass ein Staat, der behauptet, pro-europäisch und pro-ökologisch zu sein, seinen Müll in ein anderes Land bringt", so der stellvertretende Minister. Grenzüberschreitende Abfalltransporte seien klar geregelt. "Aber wenn man Deutschland auffordert, seine Pflichten zu erfüllen, bekommt man eine Antwort zur Länderpolitik und zu Kommunikationsproblemen", so der polnische Politiker weiter.
Mehrfach habe man sich an die deutschen Behörden und Ministerien gewandt, aber immer ohne Erfolg, erklärte Ozdoba. Schriftlich teilte das Ministerium mit, man habe die Transportpapiere und deutsche Etiketten, um zu beweisen, dass der Müll wirklich aus Deutschland stammt.
Tatsächlich ist Deutschland europaweit größter Exporteur von Kunststoffmüll. In Polen sorgen illegale Mülldeponien seit Jahren für Schlagzeilen - allerdings weniger, weil die Suche nach Verantwortlichen am deutschen Föderalismus scheitert.
In der Regel beauftragen deutsche Unternehmen polnische Entsorger - wegen der niedrigen Preise. Nur der Müll wird dann oft nicht recycelt, wie vertraglich zugesichert, sondern irgendwo verklappt oder schlimmer noch, am Ende angezündet. Das hindert die deutschen Exporteure allerdings nicht daran, stetig Müll nachzuschicken. 130 Deponien brannten allein im Jahr 2018, als auch der Müll nach Sarbia kam.
Die Müll-Mafia sei verantwortlich, findet dann auch Gemeindevorsteherin Vika und die polnischen Behörden, die nicht so genau hinschauen. "Das Gelände gehört der Straßenverwaltung. Sie haben das auch genehmigt, dem zugestimmt. Ich vermute, sie haben ziemlich viel Geld dafür bekommen, dass der Müll hier gelagert werden durfte", so Vika. Warschau müsse handeln, verlangte die Gemeindevorsteherin.
In Warschau hieß es dazu, Berlin müsse handeln. Jetzt soll es der Europäische Gerichtshof sein, der handelt.
Sendung: Antenne Brandenburg, 13.06.2023, 14:10 Uhr
Mit Material von Martin Adam, Warschau
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