Lastwagen mit Elektro-Betrieb
Zwischen Schwedt und Berlin fahren erste Elektro-LKW mit einem Gewicht von bis zu 40 Tonnen. In der Transportbranche wird der Versuch kritisch beäugt - doch er zeigt auch, wie weit die Elektromobilität bereits ist.
An einem Hof in Angermunde steht am frühen Morgen ein scheinbar gewöhnlicher Lastwagen: Ein weißer, neuer 40-Tonner Sattelschlepper, hinten ein gelber Anhänger mit roten Buchstaben darauf. Berufskraftfahrer Przemyslaw Kaszmarek zieht das Ladekabel ab. Er ist 26 Jahre lang Diesel-LKW gefahren – nun sitzt er in einem Elektro-Lastwagen am Steuer. "Elektro ist gut, perfekt, keine Probleme", sagt der polnische Fahrer und lächelt.
Als Kaszmarek das Firmengelände verlässt, sind nur die Rollgeräusche der Räder zu hören. Heute wird er zwischen Schwedt und Berlin Papier transportieren. In der Hauptstadt werden für Lastwagen stetig die Umweltauflagen verschärft. Auch deshalb investiert sein Arbeitgeber, die Euba-Logistik, in Elektromobilität. Das Angermünder Unternehmen besitzt laut eigenen Angaben 88 Diesel-LKW und jetzt zwei Elektro-Laster. Vier weitere sollen in diesem Jahr dazukommen.
300 Kilometer Reichweite hat der Elektro-LKW, den Kaszmarek fährt. Für den polnischen Fahrer geht es zunächst mit seinen 22 Tonnen Papier an Bord nach Wustermark (Havelland). Dort steht eine Wellpappenfabrik. Kaszmarek fährt die A11 herunter bis zum Dreieck Barnim. Kurz dahinter gibt es Stau. 62 Kilometer ist er bereits gefahren, seine Batterie zeigt noch eine Leistung von 77 Prozent an.
In der Firmenzentrale wird der Stillstand schnell bemerkt. "Hallo? Steht ihr im Stau oder was ist da los?", sagt Kaszmareks Chef Ronald Garkisch am Telefon. Jede Bewegung wird wegen der vergleichsweise kleinen Reichweite genaustens überwacht. "Es ist eine andere Planung, es hat mit Speditionen mit Dieselfahrzeugen nichts mehr zu tun", erklärt Garkisch.
Klimafreundlichkeit sei dem Unternehmer wichtig, sagt Garkisch. Er habe immer zwei Zahlen im Kopf: "Elektro null CO2-Austoß, Diesel sieben Tonnen im Monat." Der 600 PS starke Elektrolaster verbraucht während der Fahrt nicht nur Strom - er kann auch seine Batterie wieder etwas auffüllen: Sein Elektromotor speist bei jedem Bremsvorgang wieder Energie in die Batteriezellen zurück. Ein Diesel-Laster verbrauche dagegen im Durchschnitt etwa 25 Liter Kraftstoff, sagt Garkisch. "Da muss ein Umdenken geschehen."
Die Papierladung ist inzwischen schon beim ersten Kunden in Wustermark entladen - 120 Kilometer, 63 Prozent Batterieladung - und weiter geht es nach Berlin. Im Bezirk Reinickendorf wird Altpapier geladen.
Zwar kosten die Elektrofahrzeuge mehr als das doppelte in der Anschaffung, aber Garkisch sieht auch Einspareffekte: durch die Nutzung von Energie aus der eigenen Solaranlage in Angermünde, staatliche Förderung und den Wegfall der Mautgebühren für Elektrofahrzeuge.
Doch nicht für alle lohnt sich bereits den Einstieg in die Elektromobilität. "Unsere LKW fahren im Schnitt 563 Kilometer", sagt Felix Lösch, Geschäftsführer des Papierlogistikers Leipa aus Schwedt, der dem Angermünder Unternehmen Euba Aufträge erteilt. "An jeder Ladestelle bräuchte man eine entsprechende Möglichkeit, die Wartezeiten auch zum Nachladen nutzen zu können. Und das bieten wir ja selbst noch nicht an", so Lösch weiter. "So weit sind wir einfach noch nicht."
Leipa-Der Geschäftsführer ist überzeugt, dass Wasserstoff auf lange Sicht eine sinnvollere Lösung als Elektrofahrzeuge ist. Damit könnte man auch mit LKW größere Reichweiten erreichen. "Aber dafür braucht es natürlich ein anderes Tankstellennetz", sagt Lösch.
Für Fahrer Kaszmarek reichen die 300 Kilometer Reichweite seines Elektro-Lasters aber erstmals aus. Nach fünf Stunden, 246 Kilometern und einem Verbrauch von 77 Prozent der Batterieleistung ist der Lastwagen-Fahrer wieder auf dem Firmenhof in Angermünde. Nun muss er nachladen - und eine Pause zum Einhalten der Lenkzeit machen.
Sendung: Brandenburg aktuell , 23.06.2023, 19:30 Uhr
Mit Material von Riccardo Wittig
Beitrag von Riccardo Wittig
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