Oder-Spree
In Reichenwalde könnten 63 Kinder bald ohne Kita-Betreuung dastehen. Der Trägerverein und das Amt Scharmützelsee streiten über die Finanzierung - inzwischen sogar vor Gericht.
Dutzende Menschen feiern beim Dorffest in Reichenwalde (Oder-Spree). Auf der Bühne singen zwei Männer Schlager, die Sonne scheint. Doch nicht alle sind sorgenfrei: Auf dem Stand der lokalen Kita verkaufen Eltern und Mitarbeiter Kaffee und Kuchen, Sammeln spenden und versuchen etwas gegen ein für sie schwerwiegendes Problem zu tun. "Eigentlich verkaufen wir jedes Jahr Kuchen für die Kita Reichenwalde. Aber dieses Jahr tun wir es mehr oder weniger um zu überleben", sagt eine Erzieherin am Stand.
Der Kita "Spatzennest" in Reichenwalde droht die baldige Schließung. Der Trägerverein und das Amt Scharmützelsee, zu dem Reichenwalde gehört, verhandeln seit zwei Jahren über die Finanzierung der Kita. Es geht um zehntausende Euro und verschiedene Ansichten darüber, mit welchen Mitteln der Verein die Kita weiterbetreiben kann. Beide Seiten sind inzwischen in einen Rechtsstreit verwickelt.
63 Kinder besuchen aktuell die Kita "Spatzennest". Sie spielen und lernen auf 4.000 Quadratmeter am südlichen Rand von Reichenwalde. Vor dem Neubau der Kita steht Vereinsvorstand Mario Rückert, zeigt eine Werkstatt für die Kinder - "unser Stolz“, sagt er - und spricht seine größte Sorge aus: "Wir wollen die Kita zum Wohl der Kinder und der Mitarbeiter hier weiterführen, aber dafür brauchen wir Geld", sagt Rückert.
2021 kündigte der Verein den Vertrag mit dem Amt Scharmützelsee, um höhere Zuschüsse auszuhandeln. Das Geld habe nicht mehr gereicht, um die steigenden Kosten zu decken, so der Vereinsvorstand. Der Verein beruft sich auf das Kita-Gesetz, wonach das Amt die Einrichtung auskömmlich finanzieren muss. Die Gespräche seien zu Beginn gut gelaufen, betonen beide Seiten. Doch das Amt sah keine Belege, die eine Aufstockung der Finanzierung rechtfertigen würden. Im August hörte das Amt daher auf, Zuschüsse für die Betriebskosten an die Kita zu überweisen.
"Der Verein wollte mehr Geld haben“, sagt Amtsdirektor Christian Riecke dem rbb. "Die Verhandlungen dazu sind gescheitert, er hat uns folglich beim Verwaltungsgericht verklagt und ist zu 85 Prozent abgewiesen worden." Nun gebe es eine Diskussion darum, ob der Träger es schafft, mit seinen Mitteln und Verpflichtungen die Kita weiterhin gut finanzieren zu können, so der Amtsdirektor.
Amtsdirektor Riecke skizziert drei Zukunftsmöglichkeiten für die Kita: Die erste Option wären höhere Zuschüsse nach dem Kita-Gesetz. "Dafür müsste der Träger seine gesamten Finanzen offenlegen" und die entsprechenden Bedingungen erfüllen, sagt Riecke. Die zweite Variante wäre, das der Verein den Kita-Betrieb beendet, so der Amtsdirektor. Eine dritte Option sei, dass sich der Verein mit einem weiteren, freien Träger zusammentut. Dann werde das Amt aber noch entscheiden, ob es das will, sagt Riecke.
In einem Rechtsstreit entschied das Verwaltungsgericht Frankfurt Anfang März, dass die Kita für die Zeit zwischen Januar und März dieses Jahres insgesamt rund 23.000 Euro bekommt. Für 2021 soll sie kein zusätzliches Geld bekommen und über Beiträge für das Jahr 2022 - rund 13.800 Euro - wird noch in einem Hauptverfahren entschieden, das sich monatelang hinziehen könnte.
Bei dem Streit geht es um Geld für Betriebskosten, also für Miete, Energie, Hausmeister oder Reinigungskräfte. Das Geld für das pädagogische Personal hat das Jugendamt ununterbrochen nach seinen gesetzlichen Verpflichtungen zu 85 Prozent bezahlt.
"Wenn wir alle Einnahmen berücksichtigen, dann fehlen uns pro Monat 19.000 Euro", fasst Vereinsvorstand Rückert zusammen. Viel länger könne es so nicht weitergehen: "Wenn der Verein kein Geld mehr hat, dann muss er Insolvenz anmelden", so Rückert. Eine mögliche Schließung sei aber nicht das Ziel. "Wir sind hier nicht angetreten, um den Verein gegen die Wand zu fahren", betont Rückert.
Für das zweite Quartal habe das Amt noch keine Zuschüsse überwiesen, sagt Rückert. Das Amt Scharmützelsee wollte vor der Auszahlung bestimmte Unterlagen über die finanzielle Lage der Kita überprüfen. Ende Mai gingen die Dokumente an das Amt. Am vergangenen Freitag kam die Antwort: Die Dokumente würden Lücken enthalten, hieß es vom Amt. Der Verein schickte laut Rückert am selben Tag weitere Belege. Nun muss die Kita weiter auf das Geld warten.
Am kommenden Dienstag treffen sich der Vereinsvorstand und der Amtsdirektor im Potsdamer Bildungsministerium bei einer Art Schlichtung. Notwendig wäre eine Lösung nicht nur für die Kinder, die bei einer Schließung auf mehrere Kitas in der Umgebung verteilt werden müssten; sondern auch für die Mitarbeiter, die um ihre berufliche Zukunft bangen: "Ich bin frustriert, traurig und wütend. Das ist bei den anderen Kollegen auch zu sehen“, sagt Heike Lemke, jahrelange Erzieherin an der Reichenwalder Kita.
"Wir haben uns als Eltern sehr bewusst für diese Kita entschieden“, sagt Marco Miethe, dessen zweijähriger Sohn die Kita in Reichenwalde besucht. Eltern sollten die freie Wahl haben, das eigene Kind dort hinzuschicken, wo man sich wohl fühle, so Miethe. "Hier fühlen sich 63 Kinder wohl. Es wird hier eine wundervolle Arbeit geleistet. Wir als Eltern wollen, dass es genau so weitergeht für unsere Kinder."
Auch Steffi Scholz bringt ihr Kleinkind in die Kita und will auf jeden Fall eine Schließung der Kita vermeiden. "Ich habe mir überlegt: Wie kann ich der Kita helfen?" Daher habe sie bei einer digitalen Spendenaktion gedacht: "Das kann ich auch." Insgesamt seien etwa 3.000 Euro zusammengekommen, die sie bereits an den Verein überreicht habe, sagt Scholz. "Ich weiß, es ist nur ein kleiner Tropfen auf dem heißen Stein, aber ich denke es hilft trotzdem."
Sendung: Antenne Brandenburg, 05.06.23, 14:12
Beitrag von Juan Francisco Alvarez-Moreno
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