Stübgen hat "kein Verständnis"
Brandenburgs Innenminister Stübgen fordert angesichts verstärkter Migration stationäre Kontrollen an der Grenze zu Polen. Bundesinnenministerin Faeser lehnt dies ab. Locker lassen will Stübgen trotzdem nicht.
Die Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) lehnt die Verschärfung von Grenzkontrollen an EU-Binnengrenzen ab. Diese waren gefordert worden, um illegale Einreisen einzudämmen. Grenzkontrollen seien derzeit "nicht Gegenstand hiesiger Überlegungen", so Faeser in einem Schreiben an Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) und Sachsens Innenminister Armin Schuster (CDU), das auch dem rbb vorliegt.
Damit erteilt sie jüngsten Forderungen der beiden Innenminister eine Absage, die sich für stationäre Kontrollen ausgesprochen hatten – ähnlich wie auch an der deutsch-österreichischen Grenze. "Die vorübergehende Einführung von Binnengrenzkontrollen setzt eine ernsthafte Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit voraus", begründet sie. Solche Kontrollen seien dabei stets "Ultima Ratio".
Das Migrationsgeschehen an der deutsch-polnischen Grenze sei "bislang schwankend" und läge erst seit Ende Februar dieses Jahres über jenem an der Landesgrenze zu Österreich, so Faeser weiter. Die Feststellungen unerlaubter Einreisen an der deutsch-tschechischen Landesgrenze seien seit einem Höchststand im September 2022 "stark rückläufig". Man vermute, dass nicht die deutsch-polnische Grenze, sondern die Grenze zu Österreich Schwerpunkt illegaler Einreisen bleibe.
Brandenburgs Innenminister Stübgen kündigte an, an seinen Forderungen festzuhalten. "Ich habe kein Verständnis, dass die Bundesinnenministerin diese Lage an der Grenze zu Polen nicht gegeben sieht." Viele Eingereiste würden gezielt von Russland eingeschleust, um das Land zu destabilisieren. Bliebe es bei den aktuellen Zugangszahlen, müsse man bis Jahresende in Brandenburg mit mehr als 10.000 illegalen Einreisen rechnen, so Stübgen. "Über Zuspruch für Populisten und Scharfmacher, die unsere Gesellschaft spalten wollen, braucht man sich dann nicht weiter wundern. Ich bin nicht bereit, das hinzunehmen." Das letzte Wort sei in dieser Angelegenheit noch nicht gesprochen.
Ähnlich äußerte sich Brandenburgs CDU-Landeschef und Fraktionsvorsitzender Jan Redmann. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb die Bundespolizei gegenwärtig zu einem "uniformierten Begrüßungskomitee" gemacht werde, "weil sie nichts weiter tun dürfen, als die, die über die Grenze kommen, nach Eisenhüttenstadt zu fahren", sagte Redmann. In Eisenhüttenstadt befindet sich die Erstaufnahmeeinrichtung für Geflüchtete.
Auch der Vorsitzende der Gewerkschaft der Bundespolizei, Heiko Teggatz, kritisierte die Innenministerin auf einer Pressekonferenz der CDU-Landtagsfraktion in Potsdam. Die Gewerkschaft hatte sich Forderungen nach mehr stationären Kontrollen angeschlossen. Optimal wäre eine Kombination mit der bereits eingesetzten Schleierfahndung. "Wir haben die Kontrolle komplett verloren darüber, die Dunkelziffer ist unglaublich hoch."
"Ich stoße da regelmäßig auf taube Ohren, entweder weil man es nicht verstehen will oder fachlich nicht versteht", so Teggatz.
Innerhalb der brandenburgischen Landesregierung ist das Thema umstritten. Situationen wie während der Grenzschließungen in der Corona-Zeit mit langen Lkw-Staus, seien aktuell nicht zu rechtfertigen, entgegnen Grüne und SPD. "Wir wissen, dass auch die Menschen vor Ort genau diese offenen Grenzen schätzen und es im übrigen auch für die Wirtschaft vor Ort wichtig ist, dass Pendler:innen schnell von A nach B gelangen können", sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Petra Budke am Dienstag. "Lageabhängig mit Einvernehmen des Landes Brandenburg aber auch der anderen Seite Polen ist das für mich vorstellbar. Derzeit ist die Lage aber nicht geboten", sagte der SPD-Fraktionsvorsitzende Daniel Keller. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) unterstützte zuletzt Stübgens Forderungen.
Deutschland kontrolliert seit Herbst 2015 in Bayern an der Grenze zu Österreich, nachdem sich Zehntausende Flüchtlinge und andere Migranten von Griechenland über die Balkan-Route auf den Weg nach Westeuropa gemacht hatten. Eigentlich aber gibt es im Schengen-Raum, dem 26 europäische Länder angehören, keine stationären Personenkontrollen an den Grenzen.
Sendung: rbb24 Brandenburg aktuell, 23.05.2023, 19:30 Uhr
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