Klimawandel in Brandenburg
Kaum Regen, lange Trockenphasen und extreme Hitze lassen in Brandenburg den Grundwasserspiegel sinken. Das Land braucht Lösungen für die Wasserknappheit. Nach Meinung von Experten sind die zuständigen Stellen jedoch überfordert. Von Philip Barnstorf
Die Luft flimmert im Sonnenschein über den parkenden Autos vor dem Kulturhaus in Rüdersdorf. Es ist Ende Mai 2023. Seit Wochen hat es kaum geregnet, ein weiterer Dürresommer zeichnet sich ab. Drinnen diskutieren Naturschützer mit Vertretern von Behörden und Wasserversorgern den Plan des Landesumweltamtes (LfU), in Eggersdorf mehr Wasser fördern zu lassen. Damit sollen Tesla und weitere Zuziehende versorgt werden.
Aber nach der Veranstaltung hagelt es Kritik für die brandenburgischen Umweltbeamten, die die Diskussion leiten. Unstrukturiert sei die Debatte verlaufen, sagt ein Umweltschützer. Außerdem hätten Unterlagen gefehlt. Die Berliner Wasserbetriebe kritisieren, das Landesumweltamt habe nicht ausreichend dargelegt, wie sich die Förderung auf ein nahes Berliner Wasserwerk auswirkt.
Das Amt weist die Vorwürfe gegenüber dem rbb zurück. Aber es steht nicht zum ersten Mal in der Kritik: Im Februar hatte ein Wasserverbandsvorsteher aus Ludwigsfelde die Arbeit des Amtes zum Wassermonitoring bei Tesla in einer Regionalzeitung als "amateurhaft" bezeichnet. Und inzwischen bezweifeln auch Wissenschaftler, die schon lange zu Wasserressourcen unter anderem in Brandenburg forschen, dass die Umweltbeamten der wachsenden Wasserknappheit in der Region gewachsen sind. Was ist da dran?
Im März 2022 hat das Amt den "Wasserversorgungsplan Brandenburg" veröffentlicht. Angesichts der sinkenden Wasserpegel "müssen wir Antworten auf die Frage finden, wie viel Wasser zukünftig noch zur Verfügung steht und wie wir am besten mit dem vorhandenen Angebot umgehen", schreibt Landesumweltminister Axel Vogel (Grüne) im Vorwort. Mit dem Landesumweltamt und weiteren Fachverwaltungen habe Brandenburg dafür die nötige Expertise.
Christian Müller und Franz Schneider wollen ihre richtigen Namen nicht veröffentlicht sehen, dem rbb sind sie bekannt. Die beiden Akademiker arbeiten als Naturwissenschaftler an namhaften Wissenschaftsinstituten und erforschen unter anderem Brandenburgs Wasserhaushalt. Sie bezweifeln, dass das Landesumweltamt der Aufgabe gewachsen ist. Die beiden Forscher belegen ihren Verdacht mit konkreten Beispielen.
Müller sagt, die Beamten hätten im Wasserversorgungsplan falsch prognostiziert, wieviel Wasser in Brandenburg verdunstet. Sie haben nämlich mit einem Verdunstungswert für Grasland gerechnet. Dabei ist mehr als ein Drittel Brandenburgs bewaldet und über Wald verdunstet mehr Niederschlag als über Gras. Auf Nachfrage des rbb bestreitet das LfU nicht, dass mit der Grasland-Verdunstung kalkuliert wurde. "Die Berechnung der Verdunstung über Grasland ist ein internationaler Standard zur Ermittlung der potenziellen Verdunstung. Diese Methode liefert gut vergleichbare Werte."
Christian Müller überzeugt das nicht. "Ich gehe davon aus, dass diese Verdunstungsprognose in manchen Gebieten massiv daneben liegt", sagt der Wasserexperte. Er schätzt, dass die Prognosen mit etlichen Milliarden Litern zu viel Wasser rechnen, die pro Jahr das Grundwasser in Brandenburg anreichern.
Für eine solide Wasserprognose müssen die Beamten außerdem wissen, wieviel Regen im Boden versickert - also dem regionalen Wasserhaushalt zukommt - und wieviel über Flüsse in Richtung Ozeane wegfließt. Hier sieht Müller weitere Fehler im Wasserversorgungsplan. Die Beamten hätten nicht berücksichtigt, dass bei starken und plötzlichen Regenfällen - wie sie immer öfter vorkommen - der Boden nicht so schnell allen Niederschlag aufnehmen kann, sodass mehr Wasser abfließt. Das LfU gibt auf rbb-Nachfrage zu: Man habe mit "langjährigen Mittelwerten" gerechnet. "Starkregen werden daher nicht gesondert berücksichtigt." Dennoch werde sich Brandenburg "auf die prognostizierte Zunahme von Starkregenereignissen vorbereiten". Wieso das Amt selbst annimmt, dass es mehr Starkregen geben wird, das aber nicht in seine Berechnung aufnimmt, bleibt unklar.
Müller sieht noch einen weiteren Fehler im Wasserversorgungsplan: Das Amt habe nicht ausreichend berücksichtigt, dass Regen nicht ins Grundwasser sickern kann, wenn der Grundwasserleiter etwa durch Sand, Kies oder Ton abgedeckt ist. Die Umweltbeamten schreiben dazu, sie hätten diesen Effekt berücksichtigt, indem sie mit 30 Prozent weniger Grundwasserneubildung überall dort rechneten, wo der Grundwasserleiter bedeckt sei. Müller sagt dazu: "Das ist zu pauschal. Über bedeckten Grundwasserleitern versickert teilweise gar kein Niederschlag."
Weiter kritisiert Müller, dass die Umweltbeamten an einigen Stellen den Wasserverbrauch durch Anwohner und Unternehmen nur jahresweise angegeben hätten und nicht monatlich. "Ohne Monatswerte werden trockene Sommer, in denen die Wassersituation besonders angespannt ist, gar nicht erkennbar", sagt er. Auch hier widerspricht das LfU auf Nachfrage nicht: Jahressummen lägen immer vor, Monatssummen "überwiegend".
Müller und Schneider vermuten, dass die Beamten sich den Wasserhaushalt schönrechnen würden, indem sie von zu wenig Verdunstung und zu viel Versickerung ausgingen. Zusätzlich könnten ungenaue Informationen zum Wasserverbrauch eine solide Planung erschweren. Die Wissenschaftler nennen den LfU-Plan daher "totalen Murks".
Franz Schneider hat auch einen Verdacht, wieso das Amt seiner Meinung nach schlampig arbeitet. In den vergangenen Jahren hätten viele Experten das Amt verlassen, sodass Fachkräfte wie Hydrologen, Hydrogeologen und Wasserwirtschaftler fehlen. Um zu prüfen, ob das stimmt, fragt der rbb bei mehreren Mitarbeitern des Amtes nach. Viele lehnen Interviews ab; sie hätten Angst, gegen Arbeitsrecht zu verstoßen, wenn sie ohne offizielle Erlaubnis mit der Presse reden.
Einer sagt dennoch: "Das Thema ist längst überfällig." Insiderkreise sprechen von einem "Riesenproblem durch den Verlust an Fachkompetenz". Auch würden andauernd Mitarbeiter umgesetzt, sodass Einarbeitungszeit fehle. Das LfU teilt dazu mit: "Fachkräfte auf Dauer zu binden ist ein grundsätzliches Problem, das deutschlandweit gleichermaßen alle Wirtschaftszweige und Behörden betrifft."
Glaubt man den Wasserexperten Müller und Schneider, ist das Landesumweltamt mit den Herausforderungen des Klimawandels überfordert. Das liege aber nicht nur am Amt selbst, sagt Müller: "Viele Gesetze, nach denen das Amt arbeiten muss, berücksichtigen den Klimawandel nicht." So berechnen die Beamten im Wasserversorgungsplan die Grundwasserneubildung mit einem über 30 Jahre erhobenen Durchschnittswert. Kurzfristigere Ereignisse, wie die vergangenen Hitzesommer, können so nicht abgebildet werden.
Die Beamten können dafür aber nichts. "Die Verwendung langfristiger Mittelwerte ist in der Grundwasserverordnung vorgegeben. Die Grundwasserverordnung ist ein Bundesrecht und dieses setzt wiederum EU-Richtlinien um", teilt das LfU mit. Die Beamten sind also gezwungen, mit Gesetzen auf den Klimawandel zu reagieren, die nicht auf diesen ausgelegt sind. Laut einem LfU-Insider dauert auch die Bearbeitung von Förderanträgen bisweilen länger, weil die entsprechenden Gesetze den Klimawandel nicht berücksichtigen.
Und es gibt noch weitere Faktoren, die eine Neuausrichtung der Brandenburger Wasserwirtschaft durch das Landesumweltamt erschweren. So pumpt etwa die LEAG an ihren Tagebauen in der Lausitz jedes Jahr Milliarden Liter Wasser aus dem Boden. Diese Förderung ist aber im Bergrecht geregelt und liegt damit schlicht außerhalb der Zuständigkeit des LfU.
Außerdem betreiben etwa Golfplätze, landwirtschaftliche Betriebe und Kleingärtner eigene Brunnen samt Fördererlaubnis. Die sind oft unbegrenzt, weil sie noch aus einer Zeit vor dem Wassermangel stammen. Die Überwachung des Verbrauchs durch solche privaten Brunnen ist daher für das LfU schwierig. Schließlich ist auch die Wasserversorgung in Brandenburg mit rund 30 verschiedenen Stadtwerken und Versorgerverbänden besonders kleinteilig. Dadurch werden etwa die Planung und der Bau von überregionalen Wasserleitungen, die es eigentlich dringend bräuchte, langwierig und kompliziert.
Was bleibt also am Ende: Für viele Probleme, wie etwa die Kleinstaaterei der Wasserversorger oder veraltete Gesetze, kann das Landesumweltamt nichts. Dennoch ist es bei der Lösung dieser Themen gefragt. Ist das Amt dieser Herausforderung gewachsen? Der laut der Wissenschaftler wenig sorgfältige Wasserversorgungsplan und der Fachkräftemangel im LfU lassen daran zweifeln.
Sendung: Antenne Brandenburg, 06.07.2023, 16:40 Uhr
Beitrag von Philip Barnstorf
Artikel im mobilen Angebot lesen