Frankfurt (Oder)
Die steigende Zahl von Asylsuchenden in Deutschland hält die Debatte über die Ausweitung stationärer Grenzkontrollen am Laufen - Frankfurts Oberbürgermeister stellt sich bisher dagegen. Derweil werden Klagen über Racial Profiling lauter. Von Robert Schwaß
Seit 2015 gibt es stationäre Grenzkontrollen an der bayerisch-österreichischen Grenze. Doch weil es derzeit vor allem über die Belarus-Route und Polen zu illegalen Einreisen kommt, fordern Landespolitiker aus Brandenburg und Sachsen stationäre Grenzkontrollen zu Polen und Tschechien. Sowohl Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen (CDU) als Ministerpräsident Dietmar Woidke (SDP) hatten das zuletzt immer wieder bekräftigt. Brandenburgs CDU-Landeschef Jan Redmann reist am Mittwoch nach Bayern, um sich an der Grenze zu Österreich über die Arbeit der Grenzpolizei zu informieren.
An der Frankfurter Stadtbrücke, die Frankfurt (Oder) mit der polnischen Nachbarstadt Slubice verbindet, führen Beamte der Bundespolizei lediglich verstärkte Grenzkontrollen durch. Die Stadtbrücke wird von vielen Pendlern täglich genutzt. Stichprobenartig kontrollieren Polizisten Fahrzeuge und Passanten. Fast täglich werden Personen entdeckt, die versuchen illegal nach Deutschland einzureisen. Deshalb kontrolliert die Bundespolizei seit mehreren Wochen mit mehr Personal an der Odergrenze, bestätigte Sprecher der Bundespolizei in Brandenburg, Jens Schobranski, dem rbb: "Mitte dieses Jahres hatten wir 12.000 Migrantinnen und Migranten an der gesamten deutsch-polnischen Grenze festgestellt. Das sind 168 Prozent Steigerung im Vergleich zum Vorjahr."
Die Zahl der Asylsuchenden steigt weiter. Deshalb unterstützt auch Frankfurts Oberbürgermeister René Wilke verstärkte Kontrollen. Von stationären Grenzkontrollen, die auch Brandenburgs Innenminister Michael Stübgen von der CDU immer wieder fordert, hält der Linken-Politiker wenig. Derartige Forderungen hält er für Populismus: "Wenn ich mir anschaue, was denn der konkrete Unterschied ist zu dem was jetzt passiert und was der Mehrwert von so genannten stationären Grenzkontrollen ist, da wird es dann meistens recht dünne."
Wilke sei wichtig, dass das Alltagsleben in der Doppelstadt nicht beeinträchtigt wird. Das sei derzeit, durch den verstärkten Einsatz der Polizei, auch nicht der Fall: "Es gibt auch keine Staus, die dadurch erzeugt werden. Hin und wieder wird der Doppelstadtbus auch mal angehalten und dann gibt es da wieder eine stichenprobenartige Kontrolle, aber das sind alles Sachen, die ich nicht als Einschränkungen bezeichnen würde."
In der Bevölkerung stoßen die verstärkten Kontrollen auf gemischte Gefühle. "Ich denke, dass es gut ist, das so kontrolliert wird. Unterschiedliche Leute überqueren die Grenze und sie verhalten sich auch verschieden, sagte Slawomir Hajodarz aus Slubice dem rbb. Marcus Kopps aus Eisenhüttenstadt, findet hingegen, dass das Geld für sinvollere Zwecke eingesetzt werden sollte, statt in "Grenzkontrollen Kontrollen, die sowieso nicht bringen werden."
Kritik an den jetztigen Kontrollen kommt auch von Michael Kurzwelly. Der Frankfurter Künstler ist Mitbegründer von Slubfurt. Der multikulturelle Verein ist auch Treffpunkt für viele Frankfurter aus Syrien oder Afghanistan. Schleierfahndungen, so Kurzwelly, begünstigen Racial Profiling, die Identitätskontrolle aufgrund äußerlicher Merkmale wie der Hautfarbe: "Die noch kein Asyl haben, die dürfen natürlich weiterhin nicht auf die polnische Seite. Und andere, die Asyl haben, werden dann trotzdem von der Polizei öfter kontrolliert als zum Beispiel jemand wie ich. Also sie sind von dieser Form des Racial Profiling betroffen."
Mitte Juli organisierte Kurzwelly gemeinsam mit weiteren Slubfurt-Mitgliedern, darunter auch ehemalige Flüchtlinge, eine Demonstration gegen die EU-Außenpolitik. Sie demonstrierten gegen Racial Profiling, Pushbacks an der belarussisch-polnischen Grenze und forderten die Gleichbehandlung aller Asylsuchenden.
Oberbürgermeister Wilke kann Eindruck von Racial Profiling nicht teilen. Er selbst werde regelmäßig kontrolliert, berichtet der Linken-Politiker. Vielmehr spiele seiner Beobachtung nach die Frage des Transportmittels und Kennzeichens eine Rolle bei der Kontrolle der Polizeibeamten
Die Bundespolizei bezieht sich laut eigenen Angaben bei den Kontrollen dagegen auf Lageerkenntnisse. Sie arbeite bei der Schleierfahndung verstärkt mit polnischen Grenzbeamten zusammen, so Bundespoliziesprecher Jens Schobranski. "Wir fahnden viel mehr gemeinsam in Polen und können dort schon eingreifen, wenn wir Schleusungen erkennen. Dann bleiben die Migrantinnen und Migranten auf polnischem Hoheitsgebiet."
Kurzwelly wünscht sich indes nicht nur in Deutschland, sondern in der ganzen EU ein gleiches Asylrecht für alle.
Sendung: Antenne Brandenburg, 16.08.2023, 08:30 Uhr
Mit Material von Robert Schwaß und Felicitas Montag
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