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Quelle: Video: Brandenburg Aktuell | 27.09.2023 | J.Paczkowski/M. Dercz

Parlamentswahl am 15. Oktober

Antideutsche Töne im polnischen Wahlkampf

Am 15. Oktober wählt Polen ein neues Parlament. Die Regierungspartei PiS bemüht immer wieder das Bild von den "bösen" Deutschen, um ihre Wählerschaft zu mobilisieren. Ob sie mit dieser Rhetorik Erfolg haben wird, ist ungewiss. Von Agnieszka Hreczuk

Vergangenen Samstag in der Sporthalle einer Gorzower Grundschule, nur 80 Kilometer von Frankfurt (Oder) entfernt: Ein kleiner runder Mann mit verschmitztem Lächeln wird auf der Bühne von seinen Anhängern gefeiert. Jarosław Kaczyński, der Vorsitzende der regierenden Partei PiS, ist gekommen. Seit Wochen ist er auf Wahlkampftour in Polen unterwegs. Wer denkt, er würde dabei über hohe Inflation, Wohnungsmangel und fehlende Fachkräfte sprechen, der irrt. Sein Hauptthema ist Deutschland, die Deutschen und diejenigen, die seiner Meinung nach für die Deutschen arbeiten - die Opposition.

Offene Stellen bei Stahlwerk

Arcelor Mittal in Eisenhüttenstadt veranstaltet Ausbildungsnacht

Sein Kontrahent von der Bürgerkoalition, Donald Tusk, wolle in Polen "die deutsche Ordnung“ einführen, erklärt Kaczyński seinen begeisterten Zuhörern. "Was soll das heißen?" fragt Kaczyński in die Menge und gibt gleich selbst die Antwort. "Früher hieß es die Teilung Polens, Germanisierung und dann der Zweite Weltkrieg".

Bis die PiS 2005 zum ersten Mal an die Macht gekommen sei, habe eigentlich Deutschland in Polen regiert, so Kaczyński weiter. Aber ihre Glanzzeit hätten die Deutschen vor allem unter der Amtszeit von Donald Tusk erreicht. "Acht Jahre deutsche Ordnung war es. Sogar das Rentenalter in Polen musste bei Frau Merkel angefragt werden“, behauptet Kaczyński unter Applaus des Publikums. „Die Bürgerkoalition ist keine polnische Partei, sie ist aus Deutschland! Er soll lieber nach Berlin und dort direkt für sie arbeiten".

Beisetzung von Kriegssoldaten in Lebus

"Die haben alle ein würdevolles Grab verdient"

In Lebus wurden am Freitag Kriegssoldaten der Roten Armee beigesetzt. Rund 80 Menschen gedachten der Rotarmisten, die bei Kämpfen im Oderbruch und Berlin ums Leben kamen. Die Umbettung übernehmen Ehrenamtliche der Kriegsgräberfürsorge.

Antideutsche Kampagne auf höchster Ebene

Steile Thesen, die PiS-Politiker nicht nur jetzt auf Wahlkamptour äußern. Auch der staatliche Rundfunk und andere regierungsnahe Medien wiederholen sie immer wieder. In einem aktuellen Wahlspot sagt Ministerpräsident Mateusz Morawiecki über Donald Tusk: "Der gefärbte Fuchs ist aus Brüssel zurückgekommen, um die Anweisungen von Merkel und Weber auszuführen".

Justizminister Zbigniew Ziobro vergleicht Agnieszka Holland mit den Propagandisten des Dritten Reiches. Die international erfolgreiche polnische Regisseurin hatte einen Film über die Situation der Flüchtlinge an der polnisch-belarussischen Grenze gedreht hat. "Während des Dritten Reichs produzierten die Deutschen Propagandafilme, in denen Polen als Banditen und Mörder dargestellt wurden. Heute haben sie Agnieszka Holland, die das für sie tut…", schreibt der Minister aus seinem X-Konto.

Soziologe Krzysztof Wojciechowski (Collegium-Polonicum) | Quelle: rbb

Der zahme Elefant hinter der Grenze

Für Krzysztof Wojciechowski sind solche Vorstellungen über Deutschland absurd. "Aber Populisten denken nicht, sondern tun einfach." 30 Jahre lang hat sich der promovierte Soziologe und ehemalige Direktor des Collegium Polonicum in Słubice mit dem Verhältnis von Polen und Deutschen auseinandergesetzt. Sein Resümee ist einleuchtend: „Stellen Sie sich einen Elefanten vor, einen zahmen Elefanten, den sie lieben und der sie liebt."Sie legen sich mit diesem Elefanten ins Bett. Können Sie ruhig schlafen? Nein, ein Teil von Ihrer Natur sagt: Pass auf, er kann dich erdrücken. Und das ist in uns allen verankert - etwas Angst vor etwas Großem, was hinter der Grenze ist."

Dazu kommt, dass die PiS ihr Repertoire für neue Wahlversprechen ausgeschöpft hat. Hetze gegen LGBT trägt nicht mehr, das Kindergeld sowie die 13. und 14. Rente sind schon da. Weitere Sozialversprechen kann die PiS angesichts des Haushaltslochs nicht machen. Das Thema Migration bleibt aktuell, ist aber wegen der aktuellen Affäre über tausende angeblich von polnischen Beamten nach Asien und Afrika verkaufte Visa schwierig. Außer kostenlose Medikamente für Rentner und Kinder bleibt nur das kostenneutrale Thema "Deutschland will uns knechten".

32. Landschaftspleinair in Schwedt

Internationale Künstler verarbeiten Oder-Katastrophe

Neun internationale Künstler lassen sich derzeit von der Natur der Uckermark inspirieren. Doch der Pinsel wird beim diesjährigem Landschaftspleinair auch politisch eingesetzt. Die Oder-Katastrophe gibt dem Thema einen aktuellen Bezug.

Polen mögen die Deutschen mehr als Deutsche die Polen

In den aktuellen Studien des Deutschen Poleninstituts in Darmstadt zeigt die Hetze gegen Deutschland bisher keine Auswirkung. Die Einstellung der Polen zu Deutschland ist seit Jahren stabil. 50 Prozent der Polen halten Deutsche für freundlich, nur 15 Prozent lehnen sie klar ab. Im Vergleich dazu mögen 43 Prozent der Deutschen die Polen und 14 Prozent lehnen sie ab.

Vor allem in Westpolen scheint die antideutsche Rhetorik weniger zu fruchten. In den grenznahen Städten Gorzów Wielkopolski und in Słubice hat vor vier Jahren die Bürgerkoalition gewonnen. "Die Spots von Kaczyński sind die dümmste Sache in der Welt", sagt der 67-jährige Remigiusz, ein gebürtiger Słubicer. "Will er uns zu Feinden machen?" Edward sieht es genauso. Der Taxifahrer ist regelmäßig auf beiden Seiten der Oder unterwegs. "Wir leben hier seit Jahren miteinander. Ich weiß, dass viele Deutsche zu uns kommen, um einzukaufen oder zum Frisör zu gehen – und nicht um uns zu unterwerfen."

In Deutschland schaut man gelassen auf die antideutschen Parolen im polnischen Wahlkampf. Timm Beichelt, Professor für Europa-Studien an der Universität Viadrina, sieht aber auch die Gefahr, dass sie den deutschen Blick auf Polen verschlechtern. "Es gibt in Deutschland kleine Communities, die sich professional mit Polen auseinandersetzten, die sehen es differenziert... Aber viele Deutsche, die sich nicht mit Polen auskennen, werden durch solche Sprüche in ihren Vorurteilen bestärkt: mit Polen kann man nicht reden, sie sind fremdenfeindlich. Man muss leider auch sagen: Der Großteil der Deutschen steht Polen gleichgültig gegenüber. Die meisten beschäftigen sich nicht damit, was die Politiker in Polen über sie sagen."

Sendung: team Kowalski, Polen Update 18.09.2023

Beitrag von Agnieszka Hreczuk

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