Wie ein Pilotprojekt in Slubice den deutsch-polnischen Ärztemangel lindert
Im polnischen Wahlkampf fordern alle Parteien, dass polnische Ärzte nicht mehr so einfach ins Ausland gehen dürfen. Das ist für Berlin und Brandenburg ein Problem. In Slubice versucht ein Pilotprojekt, den Fachkräftemangel auf beiden Seiten zu lindern.
Polen wählt am Sonntag ein neues Parlament. Thema im Wahlkampf ist auch die Gesundheitsversorgung und damit eine Problematik, die grenzüberschreitend diskutiert wird - auch wenige Meter hinter der Grenze in Frankfurts Partnerstadt Slubice.
Vor der polnischen Parlamentswahl am Sonntag ist das deutsch-polnische Verhältnis Wahlkampf-Thema. Im Fokus steht die illegale Einreise Geflüchteter - und der Vorwurf, Polen winke sie einfach nach Deutschland weiter. Von S. Tzitschke
Zentrum für Versorgung von Polen und Deutschen
In der zweiten Etage des Einkaufszentrums liegt das medizinische Zentrum "Brandmed". Mehr als zehn Ärzte arbeiten dort unter einem Dach - darunter auch Spezialisten wie Urologen, Hautarzt, Orthopäden, Neurologen. Das Besondere: Dort können sich sowohl in Deutschland als auch in Polen versicherte Menschen behandeln lassen. Julia Kastrau ist eine junge, polnische Allgemeinmedizinerin und praktiziert hier. "Ich möchte auf beiden Seiten arbeiten - in Deutschland und in Polen", so Kastrau. "Hier im Grenzgebiet ist das sehr von Vorteil."
Gehalt lockt Ärzte in den Westen
Bei Brandmed erhält Julia Kastrau Fortbildungen und wartet gleichzeitig auf ihre Approbation für Deutschland. Im polnischen Wahlkampf gibt es aktuell aber die Forderung aller Parteien, dass polnische Ärzte doch in Polen bleiben sollten. Besonders die Opposition will in dem Bereich punkten. So sagt Joanna Liddane, Kandidatin der größten Oppositionspartei "Bürgerkoalition" (KO): "Wir werden alles Mögliche unternehmen, um die Ärzte bei uns zu behalten, indem ihre Arbeitsbedingungen verbessert werden. Das steht schon auf unserer Agenda. Wir wollen das Abwandern der Mediziner aus Polen verhindern." Denn vor allem junge Ärzte verlassen oft Polen in Richtung Westen, da dort die Verdienstmöglichkeiten besser sind. Die regierende PiS denkt an günstige Studienkredite, die zum Arbeitseinsatz in Polen verpflichten würden.
"Ich persönlich kann die polnische Regierung da gut verstehen", sagt Ärztin Julia Kastrau. "Wir haben in Polen einen sehr großen Ärzte- und generell einen Personalmangel im Gesundheitssystem. Aber ich als Ärztin wünsche mir dort natürlich bessere Möglichkeiten. Denn Ärzte gehen nun einmal dorthin, wo sie auch mehr Geld verdienen."
Vor der polnischen Parlamentswahl am Sonntag ist das deutsch-polnische Verhältnis wieder Wahlkampfthema. Die Doppelstadt Guben-Gubin an der Neiße zeigt, wie enge Zusammenarbeit geht - und was stationäre Grenzkontrollen bedeuten könnten.
Vereinbarung mit Krankenkassen geschlossen
Diesen Konflikt versuche man bei Brandmed in Slubice zu lösen. Mit zwei großen deutschen Krankenkassen - der AOK Nordost und der Barmer - hat die Zentrumsleitung jahrelang verhandelt und eine Übernahme der Kosten erzielt. So sei das Slubicer Gesundheitszentrum eigenen Angaben zufolge das erste deutsch-polnische seiner Art, welches etwa auch polnischen Bürgern, die auf der deutschen Seite arbeiten, eine Versorgung in der Muttersprache ermöglicht. Eine Win–Win-Situation, sagt Brandmed-Geschäftsführerin Joanna Jozefiak: "Solche Projekte unterstützen beide Länder und helfen den Versicherten und Patienten bei der Versorgung."
Notfälle in der Grauzone
Eine grenzüberschreitende Versorgung zum Beispiel bei Notfällen ist immer noch schwierig. Notärzte, die aus Polen mit Patienten einfach in Richtung der deutschen Spezialkrankenhäuser beispielsweise nach Berlin fahren, arbeiten am Rande der Illegalität. Dort müsse es weitere Verhandlungen geben, sagt Joanna Jozefiak. "Da ist noch ganz viel Luft nach oben. Das Einzige, was wir hingekriegt haben, ist, dass jetzt Krankenwagen über die Grenze fahren dürfen. Noch bis vor zwei Jahren durften wir Patienten nur bis zu Brückenmitte bringen und mussten sie dort in einen anderen Krankenwagen umladen." Als Lösung gebe es mittlerweile aber eine Kooperation mit dem Krankenhaus Frankfurt Markendorf.
Darüber hinaus läuft Brandmed in Slubice aber mittlerweile so gut, dass auch deutsche Bürger, die in Brandenburg etwa keinen Hautarzt finden, dort Termine bekommen können - wenn sie bei einer involvierten Krankenkasse versichert sind. Es ist ein Angebot, das sich rumspricht. Denn werben dürfe Brandmed in Brandenburg nicht, sagt die Geschäftsführung.
Jens-Marcel Ullrich (SPD), der Sozialdezernent von Frankfurt (Oder), denkt da pragmatischer und träumt schon von einem gemeinsamen deutsch-polnischen Medizinzentrum. "Wir haben hier in unserem Mikrokosmos an der Grenze eine Welt geschaffen, die davon gepräg ist, miteinander zu arbeiten, gemeinsam Probleme zu lösen und nicht gegeneinander zu arbeiten. Insofern kann sich auch die aktuelle polnische Regierung hier mal eine Scheibe abschneiden."