Energieversorgung
Bislang lief die Treuhandverwaltung über die Mehrheitseigner der Ölraffinerie PCK in Schwedt nur bis Mitte September. Um die Energieversorgung zu sichern, verlängert die Bundesregierung die Anordnung nun bis März 2024.
Der Bund verlängert die Treuhandverwaltung der PCK-Ölraffinerie in Schwedt (Uckermark) um ein halbes Jahr. Das gab das Wirtschaftsministerium am Freitag bekannt. Damit solle die Versorgungssicherheit und der Erhalt von Arbeitsplätzen gewährleistet werden, sagte Michael Kellner (Grüne), Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium dem rbb.
"Wir müssen uns als Bundesregierung an Recht und Gesetz halten, und immer das mildeste Mittel wählen, weil wir in das Eigentum von Dritten eingreifen, indem wir das unter Treuhand stellen", sagte Kellner, "deswegen ist das mildeste Mittel jetzt zu dem Zeitpunkt die Verlängerung der Treuhand."
Kellner argumentierte weiter, dass durch die Treuhand bis dato Arbeitsplätze und eine umfangreiche Produktion gesichert werden konnten. Diese Situation zu erhalten, sei grundlegend, so der Staatssekretär: "Das ist, was wir wollen und was wir tun."
Mehrere mit dem Vorgang betraute Personen sagten der Nachrichtenagentur Reuters zur Begründung außerdem, dass es weiter keine Fortschritte in den Verhandlungen mit dem russischen Ölkonzerns Rosneft über den Verkauf seiner Anteile an der Raffinerie gebe. Dies dürfte auch die Suche nach möglichen Investoren verzögern. "Mit der Verlängerung der Treuhandverwaltung begegnen wir einer weiterhin drohenden Gefährdung der Energieversorgungssicherheit", sagte Wirtschaftsstaatssekretär Michael Reuters gegenüber.
Deutschland hatte den Ölverarbeiter, der den Osten Deutschlands und Teile Westpolens mit Benzin versorgt, im September vergangenen Jahres unter die Treuhandschaft der Bundesnetzagentur gestellt und das mit der Sicherung der Energieversorgung begründet.
Eine Klage von Rosneft, dem 54 Prozent an der Raffinerie gehören, war im März zurückgewiesen worden. Die Bundesregierung könnte Rosneft auch enteignen, schreckt vor diesem Schritt aber bisher zurück.
Die polnische Regierung hatte im Juni auf mehr Tempo gedrängt, Rosneft aus dem Unternehmen zu drängen, um den Weg etwa für polnische Investoren freizumachen. 37 Prozent der Anteile an Schwedt liegen bei Shell, gut acht Prozent bei der italienischen ENI. Auch Shell sucht Käufer für seinen Anteil an der Raffinerie. Nach Angaben mehrerer Beteiligter sind die Verhandlungen dabei weit fortgeschritten. Als potenzielle Käufer gelten private polnische Unternehmen. Dem polnischen Staatskonzern Orlen werden keine Chancen eingeräumt. Shell lehnte eine Stellungnahme ab.
Die Bundesregierung lobte die Gespräche etwa mit Polen. "Wir arbeiten sehr gut mit der polnischen Seite zusammen", sagte Wirtschaftsstaatssekretär Kellner. "Und wir sind weiter sehr an einem Ausbau dieser Kooperation bei der Raffinerie in Schwedt interessiert." Es sei sehr gut, dass nicht nur Shell, sondern erstmals auch der Konzern Eni ein Schiff in Danzig für die Versorgung von Schwedt hat löschen lassen.
Seit dem EU-Öl-Embargo gegen Russland wegen des Angriffs auf die Ukraine läuft die Hauptversorgung der Raffinerie zum größten Teil über den Hafen Rostock. Die Pipeline von dort soll ausgebaut werden. Zudem wird Öl von Danzig nach Schwedt geliefert, ein Teil kommt aus Kasachstan. Die Versorgung liege bei mehr als 80 Prozent und sei stabil, sagte Brandenburgs Wirtschaftsminister Jörg Steinbach (SPD) in der vergangenen Woche.
Unklar ist, ob auch etwa kasachische Firmen bei Schwedt einsteigen könnten. Zwei kasachische Firmen, KazMunayGas und die Tochter Kaztransoil, sollen sich für die Anteile von Shell interessieren.
Die Bundesregierung hatte die kasachischen Öllieferungen begrüßt. Allerdings wird in Berlin auch darauf verwiesen, dass Russland Lieferungen aus dem zentralasiatischen Land jederzeit unterbinden könne. Als Voraussetzung für einen Kauf der Rosneft-Anteile werden in der Bundesregierung genannt, dass Investoren ein Produktionsniveau von 75 Prozent garantieren.
Die Brandenburger Landesregierung hält die verlängerte treuhänderische Verwaltung für die Mehrheitseigentümer der PCK-Raffinerie mit Blick auf künftige Weichenstellungen für richtig. "Sie verschafft allen Beteiligten einen zeitlichen Puffer hinsichtlich der Entscheidung über eine weitere neue Eigentümerstruktur", sagte Wirtschaftsminister Steinbach am Freitag auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur. "Das ist keine leichte Aufgabe und daher operative Hektik fehl am Platz."
Kritik kommt hingegen vom Brandenburger Bundestagsabgeordneten Christian Görke (Linke). Er forderte am Freitag vom Bund klare Entscheidungen zur Zukunft der PCK-Gesellschafter. "Mit der aktuellen Entscheidung der Bundesregierung geht die Hängepartie leider weiter", so Görke. Dabei hätten die kasachischen Staatsunternehmen signalisiert, dass sie an einer langfristigen Zusammenarbeit interessiert seien. "Auch eine Übernahme der Rosneft-Anteile durch den Bund wäre eine praktikable Lösung, um die Versorgungs- und Energiesicherheit zu gewährleisten und tausende Arbeitsplätze langfristig zu sichern", sagte Görke.
Der Brandenburger Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) hat derweil entschiedenes Handeln bei der Transformation der Region Schwedt weg vom Öl angemahnt. "Wir müssen machen", sagte der SPD-Politiker am Freitag im ZDF-"Morgenmagazin", das in der Stadt in der Uckermark zu Gast war. "Wir müssen beweisen, dass es funktioniert. Und wir müssen beweisen, dass es vorwärts geht", so Woidke. Jammern helfe nicht. Eine Lösung sei sehr wichtig, um den Menschen Sicherheit zu geben, sagte der SPD-Politiker.
Die Raffinerie ist mit seinen gut 3.000 direkt und indirekt Beschäftigten auch einer der größten Arbeitgeber in Brandenburg.
Sendung: Antenne Brandenburg, 08.09.2023, 10:30 Uhr
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