Bilanz nach einem Jahr
Seit fast einem Jahr gilt das Öl-Embargo der EU gegen Russland. Deutschland verzichtet freiwillig auf russisches Öl. Zum 1. Januar wurde der Hahn der Druschba-Erdölleitung zugedreht. Was bedeutete das für die PCK-Raffinierie in Schwedt?
In nur einem Jahr hat es die PCK-Raffinerie in Schwedt (Uckermark) geschafft, was noch vor einem Jahr undenkbar schien: das schwere Öl aus Russland durch anderes zu ersetzen, ohne dass die Anlagen kaputtgehen. Jetzt würden 25 verschiedene Rohöl-Sorten verwendet, sagt der Geschäftsführer der PCK-Raffinerie, Ralf Schairer, dem rbb. "Es war eine Riesenherausforderung, alle haben einen tollen Job gemacht, hart dafür gearbeitet und lange Tage gehabt."
Die PCK in Schwedt, die große Teile des Nordostens Deutschlands und Berlin mit Treibstoff versorgt, verarbeitete bis 2022 hauptsächlich Rohöl aus Russland. Im Zuge der Sanktionen wegen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine beschloss die Bundesregierung, freiwillig auf russisches Öl zu verzichten. Seitdem werden neue Lieferwege genutzt: der Hafen in Danzig (Gdansk) und die Pipeline von Rostock nach Schwedt. Noch bis Ende 2024 soll die Raffinerie monatlich mit 100.000 Tonnen Rohöl aus Kachsachstan beliefert werden. Kasachstan nutzt die Druschba-Pipeline, über die bis Ende 2022, Öl aus Russland nach Deutschland geliefert wurde.
Frank Schaper, Geschäftsführer vom Unabhängigen Tanklagerverband e.V., blickt zufrieden auf das vergangene Jahr zurück. "Es musste umgestellt werden von einer leitungsgebundenen Versorgung zu einer - ich sag mal - eher see- und tankergebundenen Versorgung. Das ist aus meiner Sicht gut gelaufen und hat bis jetzt zumindest nicht zu irgendwelchen Unterbrechungen oder Versorgungsengpässen geführt."
Im Schwedter Rathaus schwärmt Bürgermeisterin Annekathrin Hoppe (SPD) von der Leistung der PCK-Mitarbeiter. Brandenburg und Berlin seien weiter mit Kraftstoffen versorgt worden. "Nach einem Jahr Öl-Embargo kann ich nur sagen, die Schwarzmalerei ist nicht eingetroffen", so Hoppe.
Dass in Schwedt der Ölhahn aus Russland zugedreht wurde, hat vor allem den Rostocker Hafen verändert. Etwa zweimal pro Woche laufen hier seit Januar Riesentanker an Warnemünde vorbei in den Ölhafen. 250 Meter lang sind die Schiffe in der Regel und haben um die 80.000 Tonnen Rohöl an Bord. Ganz selbstverständlich ist das nicht. Erstmal musste gebaggert werden, wie Stefan Gramann vom zuständigen Wasser- und Schifffahrtsamt dem rbb erklärt. "In den ersten beiden Bauabschnitten haben wir die Fahrrinnen um 25 Meter verbreitert. Und diese Erweiterung ist wichtig für große Öltanker, die in den Ölhafen wollen in Rostock. Dadurch entsteht für die ein wesentlich größerer Manövrierraum und das sind gute Verbesserungen."
Nun ist also ausreichend Platz auch für die größeren Exemplare. Insgesamt brachten sie in diesem Jahr etwa sechseinhalb Millionen Tonnen für die PCK Schwedt von Übersee. Das sind etwa drei Viertel dessen, was die Raffinerie braucht. Die meisten Tanker kommen dabei über den Atlantik, manche auch aus Norwegen, Schottland und Afrika, aber nur noch selten aus den traditionellen Ölländern wie zum Beispiel Libyen.
Die Anlagen in Schwedt sind zu 80 Prozent ausgelastet. Trotzdem sitze der Schock über das Öl-Embargo vor einem Jahr tief und die Menschen vor Ort sorgten sich um ihre Zukunft, sagt Konstanze Fischer dem rbb. Die Augenärztin engagiert sich in der Bürgerbewegung "Zukunft jetzt" für den Erhalt der PCK. "Die Angst der Menschen ist, dass es komplett schiefläuft. Dass das PCK irgendwann fallen gelassen wird", erklärt Fischer.
Für die Transformation der PCK-Raffinierie gibt es Fördermillionen vom Bund. Es sollen grüner Wasserstoff und synthetische Kraftstoffe, sogenannte E-Fuels, produziert werden. PCK-Chef Ralf Schairer höre oft die Frage, ob es auch zukünftig noch Raffinerien geben wird, sagt er. "Meine Antwort ist: Selbstverständlich. In einem entwickelten Industriestaat, der Wertschöpfung regenerieren möchte, brauchen Sie eine Wertschöpfung und davon bin ich überzeugt, dass Raffinerien in Zukunft eine Rolle spielen werden."
Schwedt ist erst einmal froh, dass die Raffinerie weiterläuft. Gleichzeitig richtet sich der Blick schon in die Zukunft. Der Transformationsprozess hat in der Oderstadt bereits begonnen. Ein erster Schritt ist die Zusammenarbeit mit Siemens Energy. Eine 100-Megawatt-Elektrolyse-Anlage zur Herstellung von Wasserstoff soll entstehen. Momentan laufen die Planungen.
Die PCK-Raffinerie gehört derzeit zu 54 Prozent Rosneft. Die deutsche Tochterfirma des russischen Konzerns steht seit Herbst vergangenen Jahres unter Treuhandverwaltung der Bundesregierung. Diese wurde im September ein zweites Mal verlängert und gilt bis Ende März 2024.
Die restlichen Anteile der PCK-Raffinerie gehören zu 37,5 Prozent der Shell Deutschland und zu acht Prozent dem italienischen Energiekonzern Eni. Mitte Dezember kündigte Shell an, seine Anteile an die britische Prax-Gruppe verkaufen zu wollen. Der Verkauf soll in der ersten Jahreshälfte 2024 abgeschlossen sein. Allerdings muss das Wirtschaftsminsterium noch zustimmen.
Zudem soll es am 22. Dezember ein Treffen zwischen Vertretern des Bundeswirtschaftsministeriums und Rosneft gegeben haben. Insidern zufolge soll es dabei auch um den Verkauf der Rosneft-Anteile gegangen sein. Das Bundeswirtschaftsministerium wollte das Treffen auf rbb-Anfrage nicht kommentieren.
Sendung: Antenne Brandenburg, 28.12.2023, 16:40 Uhr
Mit Material von Riccardo Wittig und Martin Küper
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