Was macht die Tesla-Krise mit der Fabrik in Grünheide?
Chaotischer Chef, abstürzende Aktie und immer mehr Konkurrenz: Viele sehen den E-Autobauer Tesla in der Krise. Wie schlimm ist die Lage wirklich? Und was bedeutet das alles für das Werk in Grünheide? Von Philip Barnstorf
Im Dezember des vergangenen Jahres rollten in Grünheide zum ersten Mal 3.000 Tesla Model Y innerhalb einer Woche vom Band. Ein Dreivierteljahr nach der Fabrikeröffnung ist das eine stolze Zahl, zu der auch Elon Musk per Twitter gratulierte. Dennoch hat Tesla damit ein von Musk gestecktes Ziel verfehlt. Noch 2021 hatte der Tesla-Chef verkündet, die Fabrik solle jetzt schon 5.000 bis 10.000 Autos wöchentlich produzieren.
Tesla verpasst immer wieder Fristen
Derlei vollmundige Versprechen nicht einzuhalten, gehört zur Tesla-DNA. Jedes neue Modell kam später als zunächst anvisiert, und die meisten Beobachter dürften den Überblick verloren haben, wie oft Elon Musk schon das komplett autonome Fahren ankündigte. Aber dieses dauernde Deadline-Verpassen hat dem Unternehmen bisher nicht geschadet. Im Gegenteil: Für viele schien es eher Teslas Ambition und Ehrgeiz zu unterstreichen. Die Aktie stieg und stieg, Elon Musk wurde immer reicher und für sein Unternehmen schien es nur bergauf zu gehen.
Tesla muss den Wasserverband Strausberg-Erkner nicht mehr unmittelbar über Grundwasseruntersuchung auf dem Werksgelände informieren – laut Verband ein "handfester Skandal". Doch Landes- und Kommunalbehörden widersprechen.
Das ist inzwischen anders: Musk hat sich in einer erratischen Twitter-Übernahme verheddert und verbreitet wirre Verschwörungstheorien. Wegen derlei Eskapaden sehen laut einer Spiegel-Umfrage rund zwei Drittel der Deutschen Tesla jetzt negativer [spiegel.de / Bezahlinhalt]. Außerdem lassen neue Innovationen des Unternehmens - etwa das autonome Fahren oder die neuen Modelle Cybertruck und Model 2 - auf sich warten.
Tesla in der Krise?
Im vergangenen Jahr hat die Aktie massiv nachgelassen und Tesla ist nicht so stark gewachsen wie erwartet. Schließlich wird die E-Auto-Konkurrenz etwa aus Deutschland und China stärker, sodass Tesla vor einigen Tagen seine Preise kräftig gesenkt hat - und das mitten in einer Rekordinflation.
Aber: Im vergangenen Jahr hat Tesla mit 1,3 Millionen Fahrzeugen mehr reine E-Autos verkauft als alle anderen Hersteller und damit auch seine eigene Bestmarke aus 2021 übertroffen. Die zwei am meisten verkauften E-Auto-Modelle weltweit und in Deutschland stammten mit dem Model Y und Model 3 beide von Tesla.
Das Unternehmen fährt inzwischen regelmäßig Gewinne ein und ist an der Börse immer noch mehr wert als VW, Mercedes-Benz und BMW zusammen. Wenn Elon Musk sich nicht noch unbeliebter macht, sind Spekulationen über eine Pleite des Unternehmens oder ein Ende der Fabrik in Grünheide (Oder-Spree) also unbegründet. Aber Teslas Nimbus als unangefochtener E-Auto-Primus, der eine erfolgreiche Innovation an die nächste reiht, hat Kratzer bekommen. Das Unternehmen ist zunehmend ein E-Auto-Hersteller unter mehreren.
Teslas Zukunft hängt auch von Grünheide ab
Daher geht es für Tesla umso mehr darum, sich jetzt so aufzustellen, dass das Unternehmen auch in Zukunft die Nachfrage auf dem E-Auto-Markt bedienen kann. Der wächst nämlich rasant: Waren vor zehn Jahren gerade mal 4.500 vollelektrische Autos auf deutschen Straßen unterwegs, waren es im vergangenen Jahr schon mehr als 600.000. Und unter den 2022 in Deutschland neu zugelassenen Autos waren knapp 14 Prozent rein elektrisch. Tesla tut also gut daran, weiter Produktionskapazitäten aufzubauen. Dafür ist der Standort in Grünheide unverzichtbar.
Dementsprechend hat Tesla in den vergangenen Monaten massiv Personal eingestellt. Inzwischen arbeiten mehr als 9.000 Menschen in der Brandenburger Fabrik, sodass in diesen Wochen eine dritte Schicht starten und die Produktion weiter steigern soll. Außerdem hat Tesla das Bebauungsplanverfahren für zusätzliche Lagerflächen im Osten des Geländes angestoßen.
Grünheide soll massiv ausgebaut werden
Schließlich will das Unternehmen in den kommenden Monaten eine massive Erweiterung des Grünheider Standorts beantragen. Teile des Antrags sind mit zuständigen Beamten schon vorbesprochen: Demnach plant Tesla etwa die Produktionskapazität der Batteriefabrik zu verdreifachen, heißt es aus Behördenkreisen.
Derzeit darf Tesla in Grünheide jährlich Batterien mit einem Gesamtvolumen von 50 Gigawattstunden Strom bauen. Mit der nun angepeilten Erweiterungen sollen es bis 150 Gigawattstunden werden. Elon Musk hatte ja in Grünheide die größte Batteriefabrik der Welt angekündigt. Immerhin dieses Versprechen könnte sein Unternehmen damit einlösen. Wobei auch die anderen E-Auto-Bauer inzwischen in riesige Batteriefabriken investieren.