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Video: rbb24 Brandenburg Aktuell | 08.02.2023 | P. Barnstorf | Quelle: dpa/P. Pleul

E-Autoproduktion in Grünheide (Oder-Spree)

Rechtsexperte hält Tesla-Arbeitsvertrag für teilweise rechtswidrig

Tesla verpasst Mitarbeitern in Grünheide rigoros einen Maulkorb. Das zeigt ein Dokument, das dem rbb exklusiv vorliegt. Experten sehen darin Gesetzesverstöße und eine Gefährdung des Datenschutzes. Ein Anwalt von Tesla widerspricht. Von Philip Barnstorf

Der Elektroautohersteller Tesla ist bekannt dafür, sich hermetisch abzuriegeln. Das Unternehmen redet kaum mit Journalisten, wurde mit einem Negativpreis für seine Intransparenz “ausgezeichnet” und steht in dem Ruf, Mitarbeiter unter Druck zu setzen. Sie sollten am besten gar nichts aus dem Werksinneren nach außen tragen. Dem rbb sind nun Dokumente zugespielt worden, die diesen Eindruck verstärken. Nach Meinung von Experten zeigen sie rechtlich bedenkliche und teils sogar rechtswidrige Praktiken bei Brandenburgs großer Wirtschaftshoffnung.

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"Den Mitarbeiter trifft die Beweislast"

Zunächst geht es um einen Arbeitsvertrag aus dem Grünheider Werk, der dem rbb in Ausschnitten vorliegt. Der Vertrag verpflichtet den Mitarbeiter zunächst, "Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse streng geheim zu halten". Diese Verschwiegenheitspflicht gelte nur dann nicht, heißt es da, wenn die Betriebsgeheimnisse sowieso schon öffentlich sind, wenn sie rechtmäßig von Dritten erlangt werden oder wenn sie vom Mitarbeiter selbst und unabhängig von Tesla entwickelt wurden. Soweit ist das nichts Besonderes. Der dann folgende Satz ist dagegen kritisch: "Für den Nachweis der vorherigen Kenntnis trifft den/die Mitarbeiter*in die Beweislast."

Vertrag könnte Mitarbeiter einschüchtern

Wenn Tesla also einem Mitarbeiter vorwirft, Geschäftsgeheimnisse weitergegeben zu haben, muss der nachweisen, dass eine der Ausnahmebedingungen erfüllt ist. Dazu sagt Johannes Weberling, Anwalt und Universitätsdozent für Arbeitsrecht: “Der Arbeitgeber darf dem Arbeitnehmer nicht zu seinen Lasten besondere Pflichten auferlegen, die der Arbeitnehmer möglicherweise gar nicht erfüllen kann und wo er automatisch Fehler macht.” Das heißt: Für Angestellte dürfte es unter Umständen schwer sein, nachzuweisen, dass eine der Bedingungen erfüllt ist. Der Passus könnte daher Mitarbeiter vor allem einschüchtern und sie dazu verleiten, weniger über ihre Arbeit zu reden, als sie dürfen. Weberling sieht deshalb einen Verstoß gegen das Recht der allgemeinen Geschäftsbedingungen.

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Tesla-Anwalt sieht kein Problem

Wie viele Mitarbeiter solche Arbeitsverträge unterschrieben haben, beantwortet Tesla auf Nachfrage des rbb nicht. Stattdessen verweist das Unternehmen auf seinen Anwalt Bernd Weller, der den Vertrag mitentworfen hat.

Weller äußerte sich zunächst im Telefon-Interview mit dem rbb, ein zugesagtes Interview vor der Kamera sagte er jedoch wenige Stunden vor dem Termin wieder ab: Tesla wolle nicht, dass "das Thema zu großes Gewicht bekommt". Folgende Statements aus dem Telefoninterview bestätigte der Arbeitsrechtsanwalt später aber schriftlich: "Wann Mitarbeiter Geschäftsgeheimnisse weitergeben dürfen, ist rechtlich immer kompliziert und nicht einfach zu beantworten", schreibt Weller, "Insofern sind auch die arbeitsvertraglichen Regelungen dazu stets etwas komplexer". Daher denke er nicht, dass Mitarbeiter von der Komplexität der Klausel eingeschüchtert seien. Generell liege die Beweislast in solchen Fällen beim Arbeitnehmer.

Mitarbeiter sollen so wenig wie möglich mit Behörden kooperieren

An anderer Stelle definiert der Arbeitsvertrag, was Mitarbeiter tun sollen, wenn staatliche Behörden wie Gerichte oder Polizei sie zur Offenlegung von Geschäftsgeheimnissen verpflichten. Sowas müsse der Angestellte Tesla "soweit rechtlich zulässig" sofort mitteilen, damit das Unternehmen "rechtliche Maßnahmen zur Unterbindung der Offenlegung einleiten kann". Außerdem müsse der Mitarbeiter "die Unterlagen bis zu einer etwaigen Entscheidung zurückhalten", wenn Tesla ihn dazu auffordert. Weiter heißt es: "In jedem Fall muss der/die Mitarbeiter*in alle vernünftigen Schritte unternehmen, um die Offenlegung der Informationen im größtmöglichen Umfang zu verhindern oder zu beschränken."

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Rechtsexperte: Vertragsklauseln sind rechtswidrig

Arbeitsrechtsexperte Weberling kritisiert: "Der Mitarbeiter wird mit hoher Wahrscheinlichkeit Schwierigkeiten haben zu beurteilen, ob er überhaupt die Offenlegung von Informationen gegenüber staatlichen Informationsersuchen verweigern darf." Angestellte dürften also nicht genau wissen, was sie in so einer Situation dürfen und was nicht. Das liegt laut Weberling auch daran, dass "vernünftige Schritte" ein "unbestimmter Rechtsbegriff" sei.

Das aber könne böse Folgen haben: Wenn nämlich Angestellte Informationen verweigern, die rechtskonform von Staatsbehörden eingefordert werden, können sie sich strafbar machen. "So etwas darf ein Unternehmen von einem Mitarbeiter auf keinen Fall verlangen", fasst Weberling seine Kritik zusammen. Der Viadrina-Dozent ist sich sicher: Sollte so ein Vertrag vor einem Arbeitsgericht landen, würden die Richter beide Klauseln für unwirksam erklären, "und zwar schon in erster Instanz".

Tesla-Anwalt Bernd Weller sieht das anders. "Unbestimmte Rechtsbegriffe gehören selbstverständlich zum Rechtswesen dazu", schreibt er. "Ein Arbeitsgericht würde die Klauseln nicht für ungültig erklären, sondern sich die Mühe machen zu interpretieren, was ‘vernünftige Schritte’ sein könnten."

Aber nicht nur der Vertrag erregt Anstoß: Dem rbb liegt außerdem eine Informationsbroschüre vor, die Tesla per Email an Mitarbeiter in Grünheide verschickt hat. Laut dem Dokument werden Tesla-Angestellte immer wieder von Außenstehenden nach "vertraulichen Informationen" aus der Fabrik gefragt. So hätten sich etwa Menschen, "die sich als Marktforscher ausgeben", über eine Internetplattform an Werksmitarbeiter gewandt. Auch auf dem Weg zur Arbeit seien Angestellte von "Personen, die sich als Journalisten ausgeben", auf vertrauliche Informationen angesprochen worden. Schließlich wird auch eine Situation beschrieben, in der private "Freunde" sich bei Mitarbeitern nach "exklusiven Autolackfarben von Giga Berlin" erkundigt hätten. Die Broschüre fordert die Mitarbeiter auf, solche Fälle der Informationssicherheitsabteilung des Werkes zu melden. Sie sollten "wenn möglich, so viele Details wie möglich mitteilen", etwa was gefragt wurde "und wer die Person behauptete zu sein".

Stiftung Datenschutz fürchtet um Persönlichkeitsrechte

Tesla ist als Unternehmen stark von seinen exklusiven Innovationen abhängig. Dass der Konzern sich mithilfe von Informationssicherheits-Experten gegen Wirtschaftsspionage wehrt, ist nachvollziehbar. Aber in diesem Dokument hält Tesla Mitarbeiter dazu an, sogar private Bekannte zu melden, wenn sie nach vertraulichen Informationen fragen. Geht das Unternehmen damit zu weit?

Die bundeseigene Stiftung Datenschutz sagt: Ja. "Sobald sich Daten auf eine bestimmte Person beziehen und in Teslas Computern auf irgendeine Weise verarbeitet werden, etwa indem sie gespeichert oder verschickt werden, gilt das volle Datenschutzrecht", erklärt der Stiftungsvorstand Frederick Richter. Tesla müsste Menschen, über die das Unternehmen ohne deren Wissen Daten speichert, darüber informieren. Es erscheine unwahrscheinlich, dass Tesla von Mitarbeitern erst erfragt, wer die nach Interna fragende Person "behauptete zu sein" - und diese Informationen dann nicht speichert.

Landesdatenschutzbeauftragte: "Kein Anlass, an Tesla heranzutreten"

Bricht Tesla also Datenschutzrecht? Das Büro der Brandenburgischen Landesdatenschutzbeauftragten sieht angesichts der Broschüre "keinen Anlass, an das Unternehmen heranzutreten". Die Aufforderung, Informationen an Tesla weiterzugeben, sei "recht offen". Außerdem bestehe "ein berechtigtes Interesse des Unternehmens an der Verhinderung der Ausforschung von Geschäftsgeheimnissen", wie die Behörde dem rbb mitteilte. Nur falls Tesla gesammelte Daten über Dritte "in großem Umfang verarbeitet", ergebe sich "eine datenschutzrechtliche Relevanz". Was also macht Tesla mit den von den Mitarbeitern erfragten Informationen? Darauf hat das Unternehmen auf Nachfrage nicht geantwortet.

Sendung: rbb24 Brandenburg Aktuell, 07.02.2023, 19:30 Uhr

Beitrag von Philip Barnstorf

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