Ein Jahr Tesla-Produktion in Grünheide
Genau vor einem Jahr lieferte Tesla die ersten in Grünheide gefertigten Autos aus. Seitdem hat der US-Elektroautobauer die Region verändert - ob es um Jobs geht oder den Blick auf das Wasser. Von Martin Krauß und Juan F. Álvarez Moreno
Es sind Bilder, die um die Welt gehen: Vor genau einem Jahr, am 22. März 2022, startet in Grünheide die Produktion des ersten europäischen Tesla-Werks. Firmenchef Elon Musk persönlich ist gekommen, um die ersten Teslas Made in Germany an 30 Kunden zu übergeben – Party und Politprominenz inklusive. Unter den 500 geladenen Gästen befinden sich auch Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) und Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).
Ein Tag, der vielen in Erinnerung bleiben soll - denn die Ansiedlung im grünen Grünheide, die zum Teil in einem Wasserschutzgebiet liegt, polarisiert von Anfang an. Während der Produktionsstart für die einen ein "besonderer Tag für die Mobilitätswende in Deutschland" darstellt (Robert Habeck) oder durch die Ansiedlung der Osten fortan "industriell vorne mit dabei" ist (Olaf Scholz), sehen andere das andere kritischer.
So kommt es, dass während in den Hallen der in Windeseile errichteten und genehmigten "Gigafactory" Berlin-Brandenburg noch gefeiert und getanzt wird, sich draußen bereits der Protest formiert. Denn auch die Umweltaktivisten von "Sand in Getriebe", "Ende Gelände" und "Extinction Rebellion" wissen den Tag medienwirksam zu nutzen – spielen jedoch in den darauffolgenden Monaten im Tesla-Diskurs kaum noch eine Rolle. Anders die Bürgerinitiative Grünheide.
Das lokale, Tesla-kritische Bündnis ist auch an diesem 22. März mit einem Protestzug vor Ort. Auch Mitglieder der Umweltverbände Nabu und der Grünen Liga Brandenburg finden sich unter den 100 Teilnehmern. Die Mitglieder der Initiative eint insbesondere die Sorge um das Wasser. Ein Thema, das bereits wenige Tage nach dem Produktionsstart eine neue Dimension bekommen soll.
Denn bereits am 25. März reichen die Umweltverbände Widerspruch gegen die Genehmigung der Tesla-Fabrik ein. Sie fordern (bis heute) Akteneinsicht in die teilweise geschwärzten Antragsunterlagen sowie Aufklärung über den Wasserbedarf, die Abwasserbehandlung und den Umgang mit möglichen Störfällen.
Offene Fragen, die knapp einen Monat später eine neue Relevanz bekommen - mit einem ersten Zwischenfall auf dem Tesla-Gelände Mitte April. Eine wassergefährdende Flüssigkeit aus der Lackiererei tritt aus und gelangt ausgerechnet beim Entsorgen durch ein Fachunternehmen ins Freie. Der zuständige Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE) sprich von einem Störfall, die Genehmigungsbehörden versuchen zu beruhigen.
Es bleibt nicht der einzige Vorfall dieser Art. Ende Juni passiert es erneut: Auf einem Tesla-Außenlager im nahegelegenen Güterverkehrszentrum Freienbrink treten zehn Kilogramm eines wassergefährlichen Kathodenmaterials zur Batterie-Herstellung aus. Auch dabei soll es sich um einen Unfall handeln - wie auch am 26. September, als es zu einem Brand eines Recyclinghofs auf dem Werksgelände kommt.
Das Wasser wird zum größten Streitpunkt zwischen Tesla und den Kritikern. Immer stärker involviert ist auch der Wasserverband Strausberg-Erkner (WSE). Denn obwohl Tesla noch in der Genehmigungsphase seinen Wasserbedarf um zwei Drittel senken kann, verbraucht das Werk bis heute noch sehr viel.
Der WSE sichert dem US-Elektroautobauer immerhin rund 1,8 Millionen Kubikmeter pro Jahr für seine Produktion zu - den durchschnittlichen Verbrauch von umgerechnet rund 40.000 Haushalten. Doch damit sind die letzten verfügbaren Fördermengen für das gesamte Verbandsgebiet aufgebraucht, wie der WSE immer wieder betont. In der Folge erteilt der WSE allen neuen Plänen für Wohn- und Gewerbegebiete in seinem Verbandsgebiet eine Absage.
Und auch vor Gericht wird der Streit um das Wasser ausgetragen. Für die Ansiedlung des US-Konzerns hatte nämlich das Landesamt für Umwelt (LfU) eine erhöhte Fördermenge am Wasserwerk Eggersdorf genehmigt - und zwar der Tesla-Geschwindigkeit entsprechend schnell. Umweltverbänden ging das jedoch zu schnell. Sie beklagten, dass die Erlaubnis ohne ausreichende Prüfung erfolgte und zogen vor das Verwaltungsgericht Frankfurt (Oder), wo sie nur wenige Tage vor dem Produktionsstart in Grünheide Anfang März in Teilen Recht bekommen.
Um den angestrebten Produktionsstart aber nicht zu verzögern, muss das LfU daraufhin eine Duldung aussprechen, so dass in Eggersdorf zumindest die für Tesla benötigte Förderung erfolgen kann. Da dies aber keine dauerhafte Lösung für die angespannte Wassersituation sein konnte, startete auf Landesebene die Suche nach einer nachhaltigen Lösung.
Zwei Optionen werden daraufhin verstärkt geprüft. Die eine ist eine Versorgung durch die Berliner Wasserbetriebe; dafür prüft das LfU eine Leitung nach Waßmannsdorf. Die andere Option favorisiert vor allem der Wasserverband WSE selbst. Er will in der Nähe des Güterverkehrszentrums Freienbrink - und somit in der Nähe von Tesla - ein eigenes Klärwerk errichten. Dieses soll einerseits Abwässer zu verarbeiten und andererseits durch die Wiederaufbereitung neues Wasser in den Kreislauf einzuspeisen.
Im September 2022 bestätigt der Brandenburger Haushaltsausschuss den Verkauf eines Grundstücks, damit der WSE sein Klärwerk bauen kann. Doch der Verkauf zieht sich hin - und auch die Option Waßmannsdorf wird weiterhin geprüft.
Seit Dezember prüft das Land darüber hinaus eine dritte Option: eine Wasserförderung im Grünheider Ortsteil Hangelsberg. Auch Tesla selbst begibt sich mit eigenen Erkundungsbohrungen im Gebiet des Wasserverbands Fürstenwalde auf die Suche.
Doch der Wasserstreit hat noch weitere Facetten: Im November entscheidet das LfU, dass Tesla den Wasserverband nicht mehr unmittelbar über die Ergebnisse seines Grundwassermonitorings auf dem Werksgelände informieren muss. Der WSE spricht von einem "handfesten Skandal" und reicht Widerspruch gegen die Entscheidung des LfU vor Gericht ein. Auch der Umweltausschuss des Brandenburger Landtages fordert Aufklärung zu dem Vorgang in einer Sondersitzung.
Abseits der Rechtsstreitigkeiten und des Streits um das Wasser und die Umweltsicherheit kann Tesla nach einem Jahr Produktion wirtschaftliche Erfolge vebuchen: Mit rund 10.000 Mitarbeitern ist Tesla in Brandenburg inzwischen der größte private Arbeitgeber. Mittlerweile rollen rund 4.000 Autos pro Woche vom Band - etwa 200.000 Fahrzeuge im Jahr. Damit ist die erste Zielmarke von 500.000 Autos im Jahr zwar noch nicht zur Hälfte erreicht; Landesregierung und der US-Konzern erwarten aber, dass die Produktion in den kommenden Monaten weiter ausgeweitet werden kann. Gesetzt den Fall, dass Tesla genug geeignete Mitarbeiter findet. In puncto Beschäftigte hat die Ansiedlung positive Effekte erzielen können. So berichtet die Arbeitsagentur Frankfurt (Oder), dass in den vergangenen zwölf Monaten 1.400 Arbeitslose erfolgreich an Tesla vermittelt werden konnten. Zuzug von Arbeitnehmern wiederum generiert weitere Steuereinnahmen.
Ein weiterer Effekt: Das Tesla Werk funktioniert als Wirtschaftsmagnet für andere Unternehmen, die sich nun in der Region ansiedeln wollen. So wird im November 2022 bekannt, dass ein US-Logistiker ein Zentrum mit fast 100.000 Quadratmeter in Tesla-Nähe plant. "Tesla wird mit Innovation, Wirtschaftskraft und Arbeitsplätzen gleichgesetzt", sagt damals Wolfgang Rump von der Regionalen Planungsgemeinschaft dem rbb. Auch in Märkisch-Oderland und in Frankfurt (Oder) haben sich bereits Zulieferbetriebe angesiedelt, und überregional Firmen für die Batteriefertigung.
Und auch Tesla selbst hat nach verschiedenen Unsicherheiten seine eigene Batteriefabrik in Betrieb genommen. Bislang werden dort zwar nur Einzelteile hergestellt, dennoch soll auch dort bald die Produktion vollständig erfolgen.
Das Tesla-Werk soll in Zukunft noch größer werden. So haben die Grünheider Gemeindevertreter bereits der Aufstellung eines Bebauungsplans zugestimmt, damit Tesla sich um weitere rund 100 Hektar vergrößern kann. Mitte März reicht der US-Konzern zudem seinen ersten Erweiterungsantrag für die zweite Ausbaustufe ein. Mit dabei ein Versprechen: So will das Unternehmen den Ausbau ganz ohne weitere Frischwassermengen stemmen. Das soll durch einen geschlossenen Wasserkreislauf funktionieren – ein Punkt, den Umweltschützer seit langem fordern. Dafür will das Unternehmen zunächst seine bestehenden Anlagen aufrüsten.
Gleichzeitig sind auch weitere Ausbauschritte in dem Antrag enthalten. Perspektivisch möchte Tesla seine Produktion auf eine Million E-Autos pro Jahr ausweiten. Dafür sollen auf dem bisherigen Gelände neue Produktionshallen entstehen, für die bereits der Wald gerodet worden ist. Auch für diese Anlagen, teilt das Unternehmen dem rbb mit, sollen neue Abwasseraufbereitungsanlagen entstehen.
Sendung: Antenne Brandenburg, 20.03.2023, 16:40 Uhr
Beitrag von Martin Krauß und Juan F. Álvarez Moreno
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