Industrie in Brandenburg
Fachkräfte sind derzeit in Deutschland rar gesät. Auch bei Brandenburgs größtem privaten Arbeitgeber Tesla in Grünheide ist der Bedarf hoch. Das schillernde US-Unternehmen stemmt sich mit unterschiedlichen Methoden gegen den Mangel.
Mechatroniker, Ingenieure, Lagerlogistiker, Personalmanager - deutschlandweit klagen Arbeitgeber über den Mangel an Fachkräften. Gleichzeitig baut das US-Unternehmen Tesla gerade in Brandenburg eine der größten E-Auto-Fabriken der Welt.
Tesla-Chef Elon Musk setzt dennoch große Hoffnungen auf die gut ausgebildeten Arbeitskräfte hierzulande. "Deutschland produziert tolle Autos", sagte Musk schon 2019 bei der Ankündigung der neuen Fabrik. "Jeder weiß, dass deutsche Ingenieurskunst herausragend gut ist. Unter anderem deshalb bauen wir unsere europäische Giga-Factory in Deutschland."
Inzwischen läuft der Betrieb im Werk in Grünheide (Oder-Spree). Rund 10.000 Menschen sind dort angestellt. Damit ist der Konzern zum größten privaten Arbeitgeber in Brandenburg aufgestiegen. Hat Tesla also alle benötigten Fachkräfte gefunden? Das Unternehmen selbst äußert sich dazu nicht. Auch die Mitarbeiter reden offiziell nicht mit der Presse. Sie müssen strenge Verschwiegenheitserklärungen unterschreiben.
rbb-Recherchen lassen dennoch erahnen, wie Tesla dem Fachkräftemangel begegnet. Eine Methode nennt Ferdinand Dudenhöffer, Wirtschaftswissenschaftler am "Center for Automotive Research" in Duisburg. "Ein hohes Tempo erreicht man auch dadurch, dass man Leute schnell einstellt, weil man sie gerade braucht und dann vielleicht nicht immer diejenigen einstellt, mit denen man länger zusammenarbeiten will. Man nimmt relativ viele und geht in die Strategie über, dass man sagt: die, die schlecht sind, werden uns wieder verlassen." In den USA ist diese sogenannte "Hire and fire" Personalpolitik verbreiteter als in Detuschland. Auch aus Mitarbeiterkreisen ist zu hören, dass im Brandenburger Werk andauernd Leute gehen und neue dazu kommen.
Ein zweites Tesla-Mittel gegen den Fachkräftemangel kennt Jochem Freyer. Als Chef der Arbeitsagentur in Frankfurt (Oder) hat er schon mehr als 1.300 Arbeitslose an Tesla vermittelt. "Die Leute machen einen neuen Job und haben die Motivation. Das reicht Tesla aus. In der Fertigung und Logistik kann man als Quereinsteiger gut landen, auch wenn der eigene Berufsabschluss schon lange her ist und aus ganz anderen Bereichen kommt."
Tesla scheut sich nicht, Leute auch ohne die entsprechenden Ausbildungen einzulernen. So war aus Branchenkreisen zu hören, dass der E-Autohersteller etwa Zigarettendreher sucht, die in der Batteriefabrik des Werkes arbeiten sollen. Auch Friseure, Bäcker und Kellner hat Tesla wohl schon für einfachere Arbeiten zum Beispiel in der Montage angestellt.
Des Weiteren ist aus anonymen Quellen zu hören, dass ein nicht unerheblicher Teil der Arbeitskräfte - etwa 1.000 Menschen - von Zeitarbeitsfirmen gestellt werden.
Aber ganz ohne Fachkräfte dürfte es auch in Grünheide nicht gehen. Auf seiner Internetseite sucht Tesla etwa Maschinenbauer mit Arbeitserfahrung, Chemieingenieure oder Elektrotechniker. Bei der Rekrutierung kommt Tesla die Nähe zu Berlin zugute. So betreibt das Unternehmen eigene Busse, die mehrmals täglich von mehreren Orten in der Hauptstadt abfahren und Mitarbeiter zum Werk bringen. Automobil-Experte Dudenhöffer kennt noch einen weiteren Standortvorteil: "Grünheide ist nicht weit von Polen entfernt. Von daher kann man auch in Polen Facharbeiter ansprechen und darauf aufmerksam machen, dass sie in Grünheide arbeiten könnten. In der EU geht das ja." Da verwundert es nicht, dass im Werk wohl vor allem Englisch gesprochen wird.
Aber gleichzeitig setzt Tesla auch auf eine sehr deutsche Institution, um an Facharbeiter zu kommen: nämlich die duale Ausbildung. Das Unternehmen hat sich mit regionalen Hochschulen zusammengetan und im vergangenen Jahr wenige Monate nach der Werkseröffnung schon 130 Azubis angestellt. Ab diesem Jahr will Tesla bis zu 180 Lehrlinge jährlich anheuern. Bei einer dreijährigen Lehre wären dann insgesamt 500 Nachwuchskräfte in je verschiedenen Ausbildungsjahren bei Tesla beschäftigt. Sie lernen beispielsweise Lagerlogistik und Fachinformatik.
Spannend wird jetzt zu sehen, ob Tesla seine Facharbeiter auch halten kann. Die IG Metall berichtet nämlich von langen Schichtdiensten, schlecht klimatisierten Werkshallen und eher spärlichen Löhnen beim E-Auto-Primus. Da könnte die Konkurrenz zum Beispiel mit mehr Arbeitnehmermitbestimmung punkten und Tesla die Fachkräfte abwerben.
Sendung: Antenne Brandenburg, 06.03.2023, 14:10 Uhr
Mit Material von Philip Barnstorf
Artikel im mobilen Angebot lesen