Interview | Automobilforscher Dudenhöffer
Nach nur zwei Jahren Bauzeit hat Tesla 2022 in Grünheide mit der Produktion von E-Autos begonnen. Nun wurde ein massiver Ausbau angekündigt. Branchenexperte Dudenhöffer warnt die deutsche Konkurrenz im Interview vor Tesla-Boss Elon Musk.
Der US-Autobauer Tesla will in dieser Woche die Öffentlichkeit über Pläne für den Ausbau der Fabrik in Grünheide (Oder-Spree) informieren. So sollen die bestehenden Anlagen deutlich erweitert und 22.500 Mitarbeiter beschäftigt werden, um künftig bis zu einer Millionen Autos pro Jahr zu produzieren. Für den Automobilexperten Ferdinand Dudenhöffer kommen die Erweiterungspläne wenig überraschend. Er warnt die Konkurrenz, nicht vom Tesla-Tempo überrollt zu werden.
rbb|24: Herr Dudenhöffer, ab Mittwoch liegen die Antragsunterlagen aus. Tesla möchte seine Produktion erweitern auf eine Millionen Fahrzeuge im Jahr. Wie schätzen Sie diese Entwicklung ein und was bedeutet das für den Automobil-Standort Deutschland?
Ferdinand Dudenhöffer: Dass Tesla bis zu einer Million in Grünheide bauen will, überrascht mich überhaupt nicht. Ich denke er (Firmengründer Elon Musk, Anmerk. d. Red.) will sogar noch mehr bauen. Denn Tesla hat große Pläne und will bis zum Jahr 2030 weltweit 20 Millionen Elektroautos jährlich bauen und verkaufen. Wenn man die bisherigen Steigerungsraten nimmt, könnten es sogar 30 Millionen sein. Das wäre in etwa zwei oder dreimal so groß wie VW – und zwar VW weltweit. Und von daher macht er die Produktionskapazitäten. Genauso arbeitet er schon seit fünf Jahren. Er lässt sich nicht durch konjunkturelle Dellen oder Probleme aufhalten, sondern er hat seinen Plan und geht ganz rigoros danach vor. Die eine Million ist also für mich realistisch.
Wir haben derzeit schwierige Rahmenbedingungen mit hoher Inflation und weltweiten Lieferkettenproblemen und Steueranreize in den USA, welche die Produktion dort wesentlich attraktiver erscheinen lässt. Warum macht Tesla in einem verhältnismäßig teuren Produktionsland eine solche Ankündigung?
Er will 2023 20 Millionen Autos verkaufen. Wenn er auf China, Asien, USA und Europa gleichmäßig verteilt, wären das sieben Millionen Fahrzeuge im Jahr in Europa - und ein Großteil der Fahrzeuge kommt aus Deutschland. Eine Million ist also eher eine zu kleine Kapazität für Elon Musk. Und Elon Musk hat sich noch nie dadurch stören lassen, dass gerade eine Inflationsrate hoch ist.
Er hat einen knallharten Plan und ein Teil seines Plans ist es, alle anderen in die Knie zu zwingen. Er wird mit seinem Preisstrukturen im Weltautomarkt furchtbar wüten - im deutschen, im europäischen. Man kann nicht ausschließen, dass es bei anderen Autobauern zu Konkursen führen wird. Elon Musk hat ein Ziel und setzt mit aller Gewalt und äußerster Brutalität dieses Ziel durch. Und dieses Ziel heißt: Er will und wird der weltweit größte Autobauer sein. Dazu braucht er die Produktionskapazitäten. Dazu baut er auch Grünheide aus. Sein größter Wettbewerber sind die Chinesen - allen voran BYD. BYD arbeitet ähnlich. Die europäischen Autobauer müssen sich warm anziehen.
Ist dieser Ausbauplan, der jetzt mit dieser Offenlegung gestartet wird, also eine Kampfansage an die heimische, aber auch internationale Konkurrenz?
Absolut ist das eine Kampfansage an alle Autobauer weltweit. Denn Elon Musk zeigt und hat gezeigt, dass er mit enormen Tempo nach vorne geht und enorme Dinge bewegt. Deshalb müssen alle sehr achtsam sein. Auf der anderen Seite ist es ja gut, dass wir ihn in Deutschland haben. Denn je näher ich an meinem Wettbewerber sitze, umso wacher bin ich und umso schneller kann ich reagieren. Der große Vorteil von Grünheide für ganz Deutschland - auch für BMW, VW und Mercedes - ist es, dass man in Grünheide bei Tesla ähnliche Zulieferer wie bei BMW, VW oder Mercedes hat. Das heißt, wir - unsere Zulieferer und Autobauer - können von Grünheide lernen.
Wir haben hier einen Genehmigungsplan, der ja schon Zukunftsmusik andeutet. In der ersten Genehmigung geht es darum, die schon bestehende Anlage zu modernisieren, mit geschlossenem Wasserkreislauf, stärkeren Schmelzöfen und einer Erweiterung der Pressen. Also Anlagen, die eigentlich noch nicht alt sind. Was steckt da dahinter?
Bei Elon Musk ist es so, dass er in der Fahrzeugproduktion ganz große Spuren hinterlässt. Und er baut eine neue Autoproduktion. Dazu hat er etwa eine große Gießmaschine, geht mit anderen Dingen auch schnell voran. Dazu automatisiert er, Recycling und diese Wasserkreisläufe. Er ist jemand, der im Produktionsbereich unendlich viel bewegt. Das ist bei ihm wichtiger als das Fahrzeug selbst. Wenn er das vernünftig macht, ist er allen anderen überlegen, weil er die besten Kostenstrukturen hat und so wird er seine 20 Millionen + X erreichen.
Jetzt haben wir in Deutschland aber auch Fachkräftemangel oder öffentliche Beteiligung auch von Umweltverbänden. Wo sehen Sie die Herausforderungen, wo möglicherweise dann doch diese ambitionierten Zeitpläne zum Erliegen kommen könnten?
Elon Musk wird das machen und es wird ihm nach meiner Einschätzung auch gelingen. Er ist nicht VW und kein Staatsunternehmen. Er ist ein Typ, der brennt, Dinge umzusetzen. Alles, was er bisher angefasst hat - auch wenn zeitlich verzögert - hat geklappt. Ich glaube nicht, dass er damit Probleme hat. Probleme könnten andere haben. Die IG Metall wird nie ein Freund von Tesla werden. Tesla wird immer eigenständig sein, so wie es Amazon und andere sind. Aber Tesla wird erfolgreicher sein als die IG Metall. Dort muss man sich ein neues Konzept überlegen.
Vielen Dank für das Gespräch!
Bei dem vorliegenden Text handelt es sich um eine gekürzte und redigierte Fassung. Das Interview führte Martin Krauß für Antenne Brandenburg.
Sendung: Antenne Brandenburg, 17.07.2023, 15:10 Uhr
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