Wasserentsorgung
Der Wasserverband Strausberg-Erkner will in der Nähe des Tesla-Werks ein eigenes Industrieklärwerk bauen. Doch das Umweltministerium hat gänzlich andere Ansichten zu Aufgabe, Kapazität und Standort einer solcher Anlage. Von Martin Krauß
Die Pläne des Wasserverbands Strausberg-Erkner (WSE) zur Errichtung eines Industrieklärwerks stehen vor dem Aus. Das haben Recherchen des rbb-Studios Frankfurt (Oder) ergeben.
Trotz jahrelanger Beratungen über ein mögliches Klärwerk im Bereich des Güterverkehrszentrums (GVZ) Freienbrink, in dem auch der US-Elektroautohersteller Tesla seine europäische Produktionsstätte betreibt, sind sich der WSE, das Brandenburger Umweltministerium und die Gemeinde Grünheide (Oder-Spree) noch immer uneins über die Aufgabe, die Kapazität und den Standort einer solchen Anlage. Dabei drängt die Zeit, wie auch andere Akteure berichten.
Bislang entsorgt der WSE sein Abwasser im Klärwerk Münchehofe, einem Ortsteil der Gemeinde Hoppegarten (Märkisch-Oderland). Betreiber der Anlage sind die Berliner Wasserbetriebe (BWB). Rund 7 Millionen Kubikmeter Abwasser des WSE seien 2022 in Münchehofe gereinigt worden, sagt BWB-Pressesprecher Stephan Natz. Bis 2028 soll dieses Volumen um eine weitere Million steigen: "Das wäre dann aber auch das Limit", so Natz. Aus diesem Grund wünsche sich die BWB eine zügige Entscheidung über die Schaffung neuer Kapazitäten, um die weitere Entwicklung im südöstlichen Umlands Berlins sicherstellen zu können".
Denn diese Region ist in den vergangenen Jahren gewachsen, was auch durch die Ansiedlung von Tesla zu erklären ist. Aus diesem Grund hatte sich der zuständige Ver- und Entsorger, der WSE, schon frühzeitig auf die Suche nach einem geeigneten Standort für ein eigenes Klärwerk in unmittelbarer Nähe des Tesla-Werks begeben – und schließlich auch gefunden.
2021 wurde bekannt, dass dazu Verhandlungen mit dem Land Brandenburg begonnen hätten. Denn: Das besagte Grundstück im Grünheider Ortsteil Spreeau gehörte dem Landesbetrieb Forst und somit dem Land Brandenburg. Mittlerweile sind die zähen Verhandlungen zum Abschluss gekommen und der Landtag hat dem Grundstücksverkauf zugestimmt.
Doch anders als bislang vermutet, sollen die Planungen für ein Industrieklärwerk für diesen Standort schon seit langem abgebrochen worden sein, wie aus einer Antwort des Umweltministeriums auf eine rbb-Anfrage in dieser Woche hervorgeht. Darin heißt es: "Der WSE hatte bereits 2021 entschieden, die begonnen Planungen zur Errichtung eines Industrieklärwerks am Standort Spreeau abzubrechen."
Da das östliche Berliner Umland jedoch neue Klärwerkskapazitäten benötigt, setzt sich das Umweltministerium für eine andere Nutzung des besagten Grundstücks ein: "Der Klärwerkstandort Spreeau […] ist im Rahmen der strategischen Abwasserzielplanung aus Sicht des Landes weiterhin eine Option – jedoch für ein rein kommunales Klärwerk", heißt es aus dem Ministerium. Diese Position sei auch im Gespräch mit dem WSE und dessen Mitgliedsgemeinden in der Arbeitsgruppe "Wasserperspektiven östliches Berliner Umland" vertreten worden. "Entscheidend ist, dass durch die Gemeinden hierfür die planungsrechtliche Grundlage geschaffen werden", so das Ministerium.
Dem widerspricht jedoch Henryk Pilz (CDU), Vorsitzender der WSE-Verbandsversammlung und Bürgermeister von Erkner (Oder-Spree). Mit der Aussage des Umweltministeriums konfrontiert, sagt Pilz: "Die Aussage überrascht mich, dass wir 2021 sozusagen das Projekt schon abgewählt haben, weil zu diesem Zeitpunkt haben wir das Grundstück erst erworben – übrigens vom Land."
Zudem hätte der WSE auch nach 2021 immer wieder – auch im Rahmen der angesprochenen Arbeitsgruppe - von einem "Industrieklärwerk" gesprochen, dass für diesen Standort von Seiten des Verbandes weiterhin geplant werde. "Von daher gibt es von unserer Seite weder einen Beschluss, dieses Ziel nicht weiter zu verfolgen, noch irgendwelche anderen Interessenslagen." Vom Verband selbst existiere eine solche Absage somit nicht, bekräftigt Pilz.
Aber wie kommt dann eine solche Einschätzung von Seiten des Umweltministeriums zustande? Auf Nachfrage des rbb antwortet das Brandenburger Umweltministerium schriftlich: "Der WSE hatte nach eigenem Bekunden die ingenieurtechnischen Planungen für ein Industrieklärwerk am Standort Spreeau eingestellt. Dies hatte er unter anderem in der vierten Beratung der AG Wasserperspektiven am 26. April 2022 bestätigt (siehe TOP 2.1: [www.mluk.brandenburg.de]). Ferner wurde der hierauf ausgerichtete Förderantrag zurückgezogen. Ebenso sind uns keine weiteren Aktivitäten des WSE in Bezug auf die zu leistende Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) zur Kenntnis gelangt."
Doch unter dem angesprochenen Tagesordnungspunkt 2.1 - "Stand zur Variantenvergleichsbetrachtung zum 'Klärwerk Spreeau'" - wurden diese Aussagen vom Umweltministerium selbst und nicht vom WSE getroffen, wie aus dem Protokoll hervorgeht. Zudem ist auch keine Formulierung zu finden, die einen Abbruch der Planungen von Seiten des WSE erkennen lässt.
Darauf angesprochen berichtet Henryk Pilz, der selbst an der Sitzung teilgenommen hatte, dass sowohl der Förderantrag als auch die Ausschreibung der Ingenieurplanung wegen des bis dato nicht zustande gekommenen Grundstückskaufs beziehungsweise -verkaufs tatsächlich vom WSE zurückgezogen worden seien. Beides solle jedoch erneut erfolgen, sobald die derzeit stattfindenden Vermessungsarbeiten in Spreeau abgeschlossen sind.
Gleiches gelte auch für die geforderte UVP. Hierzu müssten nach der Entscheidung Teslas, seine Abwässer mit der beantragten Abwasser-Recycling-Anlage selbst aufbereiten zu wollen, alle Zahlen zu den zu erwartenden Abwässern, die das Klärwerk verarbeiten soll, noch einmal betrachtet werden, so Pilz. "Wir reden ja über mehrere Industrieansiedlungen an diesem Standort. Und nicht nur über Tesla." Nur so könne darüber entschieden werden, ob ein Industrieklärwerk an dieser Stelle weiterhin sinnvoll wäre.
Ob nun ein Industrieklärwerk – sprich ein Klärwerk zur Aufbereitung von Industrieabwässern - oder ein kommunales Klärwerk an diesem Standort errichtet wird, entscheiden letzlich laut Pilz der WSE und die Genehmigungsbehörde – das Landesamt für Umwelt – gemeinsam. "Und dafür benötigen wir zwingend die Abwasserzielplanung des Landes Brandenburg – ohne die geht es nicht", so Pilz.
Doch bereits jetzt scheint klar, dass der Bau eines rein kommunalen Klärwerks, welches insbesondere Abwässer von Privathaushalten reinigen würde, am Standort Spreeau unwahrscheinlich ist. Nach rbb-Informationen sieht nämlich Grünheides Bürgermeister Arne Christiani (parteilos), dessen Gemeinde in Teilen selbst Mitglied des Wasserverbands Strausberg-Erkner ist, keine Mehrheit für ein solches Vorhaben innerhalb der Gemeindevertretung. Diese müsste jedoch der Aufstellung eines Bebauungsplans zustimmen. Denn erst mit einem solchen ist die Errichtung eines Klärwerks – egal ob für Industrie- oder kommunale Abwässer – am Standort Spreeau überhaupt möglich.
Beitrag von Martin Krauß
Artikel im mobilen Angebot lesen