Medienbericht
Laut einem Medienbericht hat der Elektroautohersteller Tesla innerhalb von sechs Monaten 190 Arbeitsunfälle in seinem Brandenburger Werk gemeldet - darunter auch schwere und schwerste. Zudem wurden bereits 26 Umwelt-Havarien gemeldet.
In der Fabrik des US-Autobauers Tesla in Grünheide (Oder-Spree) kommt es einem Medienbericht zufolge zu deutlich mehr Arbeitsunfällen als in anderen Autowerken.
Wie der "Stern" [Bezahlinhalt] am Donnerstag unter Berufung auf Angaben von Behörden und Rettungsdiensten berichtet, seien darunter auch schwere und schwerste Arbeitsunfälle. Kritik gibt es nun auch an der Rolle der brandenburgischen Landesregierung um Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD).
Laut "Stern" meldete Tesla allein zwischen Juni und November 2022 mindestens 190 Unfälle in Grünheide - also fast einen pro Tag. Arbeitsunfälle, die zu einer mindestens dreitägigen Arbeitsunfähigkeit führen, sind in Deutschland meldepflichtig.
Rettungsstellen zufolge sei zudem im ersten Jahr nach der Eröffnung 247 Mal ein Rettungswagen oder Hubschrauber gerufen werden, berichtete das Magazin weiter. Auf die Mitarbeiterzahl umgerechnet seien das dreimal so viele Notfälle wie beispielsweise im Werk von Audi in Ingolstadt.
"Wir sind schon seit längerem besorgt über die Arbeitssicherheit bei Tesla in Grünheide", erklärte der Bezirksleiter der IG Metall für Berlin, Brandenburg und Sachsen, Dirk Schulze. "Zahlreiche Beschäftigte berichten uns von Unfällen und Gesundheitsbelastungen. In einigen Bereichen führt dies zu Krankenständen von bis zu 40 Prozent." Dem "Stern" sagte Schulze, er habe "die größte Sorge, dass irgendwann jemand zu Tode kommt".
Der Gewerkschafter macht der Tesla-Führungsetage deshalb schwere Vorwürfe: Das Management reagiere "mit Druck auf die Kranken", erklärte er. "Und die noch Gesunden werden angehalten, mit weniger Personal die gleichen Stückzahlen zu produzieren." Angesichts der Medienberichte sei nun zu befürchten, dass Tesla nach den Mitarbeitern suche, die mit der Presse gesprochen haben, anstatt die Missstände zu beheben.
Aktuell arbeiten in dem Werk in Brandenburg Unternehmensangaben zufolge mehr als 10.000 Beschäftigte, "perspektivisch sind 22.500 Mitarbeiter möglich", erklärte Tesla. Der Konzern will die Produktionskapazität in dem Werk auf eine Million Autos verdoppeln.
Der Brandenburger Ministerpräsident Woidke sagte dem "Stern", dass er von den häufigen Unfällen im Tesla-Werk wisse. Er sei aber "nicht der Sprecher von Tesla". Derweil reichte das Transparenzportal "FragDenStaat" Klage gegen den SPD-Politiker ein, um Einsicht in Unterlagen einer gemeinsamen Taskforce der Landesregierung mit dem Autobauer zu erhalten.
Nach Angaben der Staatskanzlei gibt es seit Ende 2019 regelmäßig Treffen von Ministerien- und Unternehmensvertretern. Die Aktivisten werfen Woidke vor, Informationen zu diesen Treffen unter Verschluss zu halten. Aiko Kempen von "FragDenStaat" sagte dem "Stern": "Die Öffentlichkeit hat das Recht zu erfahren, wie ein Milliardenkonzern Einfluss auf das Land nimmt."
Die vielen Arbeitsunfälle sind derweil nicht das einzige Problem für das US-Unternehmen: Tesla hat in seiner Fabrik seit der Eröffnung vor eineinhalb Jahren 26 Umwelt-Havarien gemeldet. Das geht aus Informationen des Brandenburger Landesamts für Umwelt hervor, über die der "Stern" ebenfalls berichtet und die auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegen.
Zu den Havarien zählen Austritte von 15.000 Liter Lack, 13 Tonnen Aluminium sowie 50 und 150 Liter Diesel. Nach Informationen des Landesumweltamtes wurden Lack und Aluminium fachgerecht oder ordnungsgemäß entsorgt. Bei Diesel sei der Boden in einem Fall ausgekoffert worden. Seit März 2022 gab es zudem acht Brände.
Bei den Vorfällen handelt es sich laut Landesumweltamt um Betriebsstörungen, nicht um Störfälle im Sinn der sogenannten Störfallverordnung. Ein Teil des Geländes liegt im Wasserschutzgebiet. Tesla weist Bedenken zurück.
Der Autobauer räumte ein, dass es auf dem Fabrikgelände während der Bauarbeiten und seit der Inbetriebnahme mehrere Vorfälle gegeben habe. Bei keinem der Vorfälle habe es sich um einen Störfall nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz gehandelt, bei keinem Vorfall sei es zu Umweltschäden gekommen, heißt es bei dem Unternehmen. Wenn nötig, seien Korrekturmaßnahmen umgesetzt worden.
Der Leiter Ökosysteme am Leibniz-Institut für Gewässerökologie und Binnenfischerei, Martin Pusch, sprach von einer grundsätzlich hohen Gefährdung mit Blick auf das Trinkwasser. "Es ist ein hohes Risiko der Beeinträchtigung der Trinkwasserversorgung aufgrund der geringen Rückhaltekapazität des Untergrunds", sagte Pusch der Deutschen Presse-Agentur.
Der Brandenburger Umweltminister Axel Vogel (Grüne) räumte auf Anfrage des "Sterns" ein, dass Probleme auf dem Werksgelände aufgetaucht seien, sah aber keine Gefahr. Auf die Frage, ob er ausschließen könne, dass das Grundwasser unter der Fabrik verseucht ist, sagte er laut "Stern": "Kann ich ausschließen. Die Überwachung funktioniert."
Sendung: Antenne Brandenburg, 28.09.2023, 10:30 Uhr
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