Zeitenwende in Neukölln
Am Freitagmorgen stoppen im Neuköllner Philip-Morris-Werk die Bänder - die Großproduktion von Zigaretten wird eingestellt, 1.000 Beschäftigte müssen sich neu orientieren. Ein paar Dutzend dürfen bleiben und stehen vor neuen Aufgaben.
Im Philip-Morris-Werk in Berlin-Neukölln wird die Zigarettenproduktion am frühen Freitagmorgen eingestellt. Die letzte Schicht beginnt am späten Donnerstagabend.
Schon im Mai wurden die knapp 1.000 Beschäftigten der Philip Morris AG darüber informiert, dass ihr Werk zum Jahresende seine Produktion weitgehend einstellt. Für sie wurde in den vergangenen Monaten ein Sozialplan ausgehandelt, an dem Betriebsrätin Petra Selchow maßgeblich beteiligt war. "Jetzt ist halt die letzte Woche, am Donnerstag startet abends um 23 Uhr die letzte Produktion, bis Freitag früh um sechs. Ich werde hier sein und gucken, wen man seelisch und moralisch soweit möglich unterstützen kann." Dem Sozialplan sind nach ihren Worten nahezu alle Mitarbeiter freiwillig gefolgt, offenbar hat der Tabakkonzern dafür tief in die Tasche gegriffen. Über Zahlen wollte Betriebsrätin Selchow im Interview mit der rbb-Abendschau nicht sprechen.
Das Philip-Morris Werk produziert seit 1972 Zigaretten und Tabak für Selbstdreher. Tabak wird auch künftig aus Berlin kommen, aber in abgewandelter Produktion. 75 Mitarbeiter werden weiterhin für Philip Morris in Neukölln tätig sein. Dagmar de Boni ist eine von denen, die bleiben. Sie ist seit zehn Jahren in der Zigarettenabteilung beschäftigt und wird sich nun umstellen müssen: "In der Zigarettenproduktion kommt der Tabak an in der Maschine und wird dann verarbeitet als Zigarette. Da ist der Tabak also schon fertig. In der neuen Abteilung muss ich ihn erstmal dafür vorbereiten. Wie auch immer das geht - ich weiß es noch nicht."
Der Marlboro Cowboy wird sich also weiterdrehen auf dem Werksdach in Neukölln, und trotzdem schließt am Freitag ein Kapitel Berliner Industriegeschichte. Den Anfang im 19. Jahrhundert machten Namen wie Muratti, Manoli und Garbaty. Auch nach dem Zweiten Weltkrieg kamen die meisten Zigaretten für den ost- und den westdeutschen Markt aus Berlin.
In Berlin ansässig waren Unternehmen wie Brinkmann, Reemtsma und Austria, auch dank der Berlin-Subventionen. Ende der 1990er Jahre wurden hier vier von fünf Zigaretten in Deutschland produziert: Berlin war Marktführer. Mit dem Jahr 2000 brach dann der Absatz der Zigaretten ein, auf zuletzt 75 Milliarden Stück im vergangenen Jahr.
Sendung: Abendschau, 17.12.2019, 19:30 Uhr
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