Afrikanische Schweinepest in Brandenburg
Die Angst geht um unter Brandenburgs Schweinebauern: Wenn die Afrikanische Schweinepest einen Bestand befällt, ist der komplett verloren. Deshalb wächst die Kritik an Freilandhaltern. Aber auch die stehen mit dem Rücken zur Wand. Von Marie Asmussen
Schweineställe in Brandenburg sind in den letzten Wochen zu Hochsicherheitstrakten geworden. Nur die Landwirte und ihre Mitarbeiter haben da noch Zutritt. Alle anderen sollten tunlichst draußen bleiben. Grund ist die Afrikanische Schweinepest, kurz ASP, die das Land erreicht hat.
Die Schweine von Anja Koch kann man immerhin sehen, wenn auch nur aus sicherer Entfernung. Ihre etwa hundert Tiere leben in der Nähe von Brück am Rand des Hohen Flämings unter freiem Himmel - 19 Sauen, ein Eber, der Rest Ferkel.
Zur Wühlmühle heißt der Weg, an dem die große Koppel liegt. Dieser Name ist Programm, vor allem für die Ferkel, die mit ihren Rüsseln unentwegt das Unterste nach oben befördern - und umgekehrt. Zum Schutz vor Wildschweinen sind die insgesamt 30 Hektar rundherum mit einem hohen, stabilen Elektrozaun abgesperrt. Zwischen den Metallpfosten verlaufen in dichtem Abstand zehn waagerechte Drähte. Einige Meter dahinter kommen dann noch die Koppelzäune - auch die sind zwei- und dreifach gespannt.
Vor ASP-infizierten Wildschweinen sind ihre Tiere damit sicher, meint Anja Koch. Dass Krähen, die hier herumfliegen, mal irgendwas Ansteckendes fallen lassen, das kann die Landwirtschaftsmeisterin nicht völlig ausschließen. Viele ihrer Berufskollegen, besonders die mit den großen Zucht- und Mastbetrieben finden Freilandhaltung deshalb hochriskant. Bei einer Info-Veranstaltung zum Thema Schweinepest vor einiger Zeit hat die Vierzigjährige das deutlich gespürt - und deshalb lieber gar nicht erzählt, dass ihre Sauen und Ferkel draußen leben. "Es war schon eine extrem schlechte Stimmung gegenüber Freilandhaltung - aber auch gegen Biobetriebe mit Auslauf, also Offenstallhaltung", sagt Koch.
Wenn in der näheren Umgebung bei einem Wildschwein Afrikanische Schweinepest festgestellt werden sollte, muss Anja Koch ihre Schweine in den Stall bringen. Das Problem ist nur, dass sie gar keinen hat. Den könnte sie dann pachten, allerdings würden da auch nicht alle Tiere reinpassen. Koch versucht deshalb bereits jetzt, Sauen loszuwerden: "Ich fange an zu reduzieren und muss dann sehen, wie sich die Lage entwickelt. Es muss ja irgendwie auch wirtschaftlich bleiben und der Betrieb aufrechterhalten werden - zumindest solange noch keine Einstallung gefordert ist."
Einfach sei das nicht, sagt Koch, denn für Altsauen gebe es eigentlich keinen Markt – für die müsse sie dann mühsam einen Käufer suchen. Sollte sie den finden, würden ihr die verkauften Schweinemütter aber fehlen. Denn Geld verdient die Bäuerin hauptsächlich durch den Verkauf von Ferkeln.
Noch spazieren die Outdoor-Sauen auf der Koppel herum und ahnen nicht, was ihnen womöglich blüht. Ihre Schweine werden es im Stall nicht aushalten, fürchtet Anja Koch. "Die sind das nicht gewöhnt. Die werden extremen Stress haben und das wird auch nicht gutgehen." Sie könne die Tiere dann nur einstallen und stehenlassen bis sie geschlachtet werden.
Und dann sei es vorbei, sagt Koch: "So wie ich die Stimmung im Moment einschätze, wird es auch keine Genehmigung mehr für Freilandhaltung geben." Ihre wirtschaftliche Existenz wäre damit kaputt, und das findet sie ungerecht - die Einstallung sei doch eigentlich nur dafür da, um die industrielle Schweinehaltung zu schützen: "Sobald die Seuche den Hausschweinbestand erreicht, trifft das den Export."
Für den Menschen sei das Virus nicht gefährlich, und wenn ihre Tiere krank würden sei das ihr Problem und ihr finanzielles Risiko, meint Anja Koch. "Deswegen schütze ich meine Schweine ja auch davor." So gut sie es eben kann.
Thomas Paulke vom deutschen Schweinemuseum in Ruhlsdorf findet es richtig, wegen der aktuellen Seuchengefahr Schweine jetzt in Ställe zu sperren. Zu DDR-Zeiten konnten die Tiere der LPGs noch raus an die frische Luft, erzählt der promovierte Landwirt. Im Laufe der 70-er Jahre war damit Schluss, wegen der Seuchengefahr. "Das hat man damals abgeschafft, weil man damals auch schon Probleme mit Schweinekrankheiten hatte. Damals waren das Krankheiten, die heute fast ausgerottet sind - wie Maul- und Klauenseuche und die klassische Schweinepest, die eben auch über Wildschweine übertragen wird."
Jetzt ist es eben die Afrikanische Schweinepest. Damit die Bauern hierzulande von der Seuche verschont bleiben, müsse man auf Abschottung und Hygiene setzen, meint der Schweinehistoriker. Andererseits sieht er, dass die Kluft zwischen Verbrauchern und Erzeugern immer größer wird, wenn das Schnitzel im Supermarkt quasi aus einem hermetisch verschlossenen Paralleluniversum kommt. "Heute sieht kaum noch jemand ein lebendes Schwein", sagt Paulke. "Früher hat fast jeder mal irgendwie mit Schweinen zu tun gehabt. Die Leute konnten einschätzen, was eine gute Art der Haltung ist, welches Tier gesund ist und welches krank, oder wie man ein Schwein oder Ferkel anfasst. Das weiß heute keiner mehr."
In Brandenburg konzentriert sich die Haltung weitgehend auf wenige, große Betriebe. Und denen kann die afrikanische Schweinepest richtig gefährlich werden.
Hans-Christian Daniels ist Ferkelproduzent mit drei Standorten im Land. Einer davon liegt im Oder-Spree-Kreis, nicht weit von da, wo infizierte Wildschweinkadaver gefunden wurden. Der Schweinebauer ist gerade unterwegs zu diesem Hof. Weil ich aus Sicherheitsgründen sowieso nicht in den Stall dürfte, treffen wir uns an der Strecke.
Wenn sich irgendwo ein Schwein das ASP-Virus einfängt, muss der komplette Bestand gekeult werden. Für das Personal in seinen Betrieben gelten deshalb strenge Regeln, erzählt Daniels. Wer in den Stall geht muss immer vorher duschen, komplett die Kleidung wechseln, das Handy in einer UV-Licht-Schleuse desinfizieren und die Mitarbeiter dürfen keine geräucherte Salami, keinen geräucherten Schinken, kein frisches Schweinefleisch auf dem Frühstücksbrot oder für die Mittagspause mitnehmen in den Betrieb. Weil in der Wurst oder im Schinken Fleisch von infizierten Schweinen stecken könnte, und damit das gefährliche ASP-Virus.
Wenn diese Vorsichtsmaßnahmen konsequent eingehalten werden, dann sind die Sauen und Ferkel im Stall ziemlich sicher, meint der Sechzigjährige. Das würde ihm und seinen Kollegen allerdings wenig nützen, wenn sich Freilandschweine wie die von Anja Koch draußen auf der Koppel anstecken: Im Umkreis von mindestens zehn Kilometern dürften dann keine Schweine mehr transportiert und keine Sauen mehr künstlich besamt werden. Da ginge praktisch gar nichts mehr. Der Fleischexport würde einbrechen, wahrscheinlich für Jahre.
Deshalb sollte die Freilandhaltung in den von ASP betroffenen Landkreisen sofort verboten werden, verlangt Daniels als Vorsitzender der Interessengemeinschaft Brandenburger Schweinehalter. "So hart das klingt. Aber das Risiko, dass die Afrikanische Schweinepest in einen Hausschweinebestand eingeschleppt wird, ist sehr groß. Wenn das passiert, wird es für längere Zeit nicht möglich sein, zu exportieren." Und das, sagt Daniels, wäre für die deutschen Schweinehalter auf den Supergau Corona noch eins draufgesetzt.
Kleine Freilandhalterinnen wie Anja Koch im Fläming vermarkten ihre Schweine direkt in der Region - anders als die großen, konventionellen Betriebe.
Die hatten bis vor kurzem gerade wegen der afrikanischen Schweinepest gutes Geld verdient, weil sie so viel Fleisch nach China exportieren konnten. Dort war die Seuche 2018 ausgebrochen. Daraufhin soll in China die unfassbare Menge von zweihundert Millionen Tieren gekeult, also getötet und vernichtet worden sein. Das fehlende Schweinefleisch wurde anschließend importiert - auch aus Deutschland. Davon habe man hier profitiert, sagt Hans-Christian Daniels: "Das letzte Wirtschaftsjahr war für Ferkelerzeuger ein gutes Jahr, ein sehr gutes sogar."
Aber das ist nun vorbei und in Brandenburg wird es langfristig wohl weniger Sauenhalter geben, schätzt Daniels. Die Zukunft der Bauern mit Freilandschweinen sieht er dagegen positiv, wenn die afrikanische Schweinepest irgendwann durch ist. "Dann können diese Bestände ja auch wieder neu anfangen. Ich sehe dafür einen Markt, und der wird bei einem Teil der Bevölkerung vielleicht auch noch weiterwachsen."
Diese optimistische Ansage dürfte die betroffenen Biobauern allerdings kaum trösten – denn wenn die Stallpflicht kommt, ist ihr Geschäft kaputt.
Beitrag von Marie Asmussen
Artikel im mobilen Angebot lesen