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Video: Abendschau | 25.05.2021 | Rainer Unruh | Thorsten Gabriel im Gespräch | Quelle: rbb|24/ imago-images/ Joko

Datenrecherche | Wohnungsmangel in Berlin

Der Trend geht zur Vereinzelung

Dass Berlin durch Zuzug aus allen Nähten platzt, ist mehr als nur stadtbekannt. Zahlen zeigen aber auch, dass die, die hier leben, immer mehr Platz pro Kopf einnehmen. Ist der Wohnungsmangel auch ein Luxusproblem? Von Götz Gringmuth-Dallmer und Thorsten Gabriel

Zwei Zahlen veranschaulichen gut die Berliner Wohnungsmisere: Zwischen 2011 und 2019 ist die Anzahl der Einwohnerinnen und Einwohner Berlins um rund 340.000 Menschen gestiegen – der Wohnungsbestand nahm im gleichen Zeitraum aber nur um etwas weniger als 100.000 zu. Nun benötigen nicht alle, die zuziehen, eine Wohnung für sich allein. Man kann die beiden Zahlen also nicht direkt miteinander verrechnen. Aber die Tendenz wird deutlich: Die Bevölkerung ist um rund zehn Prozent gewachsen, der Wohnungsbestand nur um etwa fünf Prozent.*

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Große Spreizung beim Wohnflächenverbrauch

Schaut man in die Statistik, sticht allerdings noch eine weitere Größe ins Auge: der sogenannte Wohnflächenverbrauch. In den vergangenen rund 30 Jahren stieg die Wohnfläche pro Kopf in Berlin von 33,8 Quadratmetern 1991 auf 39,3 Quadratmeter im Jahr 2019. Die durchschnittliche Wohnungsgröße kletterte im gleichen Zeitraum vom 67,5 auf 73,2 Quadratmeter. Was den Flächenverbrauch pro Mensch angeht, liegen die Hauptstädter laut einer Sondererhebung für den Mikrozensus 2018 (externer Link) übrigens damit in etwa gleichauf mit Hamburg (40 Quadratmeter), aber hinter Köln (45,2 Quadratmeter).

Aus Sicht von Ricarda Pätzold vom Deutschen Institut für Urbanistik (DIfU) sind die bloßen Durchschnittswerte allerdings wenig geeignet, die Realität zu beschreiben. Der gestiegene Wohnflächenverbrauch pro Kopf täusche darüber hinweg, dass es insgesamt eine viel größere Spreizung gebe. "Es gibt immer mehr Familienhaushalte, die in beengten Verhältnissen wohnen und auf der anderen Seite die, deren Wohnflächenkonsum extrem gestiegen ist", so Pätzold gegenüber rbb|24.

Mehr Ein- als Mehrpersonenhaushalte

Dazu kommt: Die Anzahl der Singlehaushalte hat in den vergangenen Jahren deutlich zugenommen. 1991 gab es in Berlin noch etwa 787.000 Einpersonenhaushalte. Das entsprach 44,9 Prozent der Haushalte. 2003 gab es dann erstmals mehr Single- als Mehrpersonenhaushalte in der Stadt. 2019 lebten fast 1,1 Millionen Menschen alleine – 52,9 Prozent der Haushalte. Demgegenüber zählte die Statistik laut Amt für Statistik Berlin-Brandenburg nur 958.000 Mehrpersonenhaushalte.

Wenn man die Wohnflächenstatistik in diesem Licht betrachte, sehe man, "dass Familien mit Kindern weniger Fläche pro Kopf bewohnen als Einpersonenhaushalte", sagt die Wissenschaftlerin Pätzold. Das liege an der "Haushaltsautarkie": "Ich brauche eine Küche, ein Bad und so weiter – diese Flächen nutze ich [als Single] alleine und deshalb muss der Durchschnitt steigen."

Zunehmende Vereinzelung in der Gesellschaft

In Berlin wird also keineswegs auf immer größerem Fuß gelebt. Zwar trägt auch der höhere Flächenverbrauch mit zur Wohnungsknappheit bei – ein Wohlstandsproblem ist das allerdings allenfalls dort, wo etwa Dachgeschosse luxuriös ausgebaut und für Millionenbeträge als Eigentumswohnungen angeboten werden. Ansonsten erzählt die Zahl mehr von der Vereinzelung der Gesellschaft.

Spannend bleibt für Ricarda Pätzold vom DIfU die Frage, ob und, wenn ja, welchen Einfluss die Corona-Pandemie auf die Entwicklung der Wohnungsgrößen haben wird. "Es gab in den letzten Jahren vor Corona die zunehmende Tendenz, auch im Segment der sogenannten Mikrowohnungen stärker zu bauen. Das sieht man an der Zahl der Wohnungen mit ein oder zwei Räumen, die in vielen Städten zugenommen haben." Ob solche Minimierungstendenzen sich fortsetzen, daran hegt Pätzold gewisse Zweifel.

Wohnfläche häufiger auch Arbeitsfläche

"Wenn man überlegt, dass die Wohnung inzwischen ja die neue Funktion des Homeoffice in wesentlich größerem Stil übernommen hat, und wenn Teile davon bleiben, dann ist Wohnfläche eben auch Arbeitsfläche und es könnte sein, dass wir dann noch weitere Steigerungen erleben", vermutet die Wissenschaftlerin. Es werde auf alle Fälle so bleiben, dass ein größerer Teil an Personen auch in Zukunft von Zuhause arbeiten werde. "Und das wird sich nicht dauerhaft an Küchentischen abspielen können. Und dafür braucht es dann flexible Wohnungen und Grundrisslösungen, wo man eben mal eine Nische hat."

Unabhängig davon bleibt nach Ansicht von Ricarda Pätzold die schwierige Frage: "Was macht Wohnungen eigentlich bedarfsgerecht?" Das sei nicht unbedingt nur an Quadratmeterzahlen abzulesen, da müsse man über Wohnqualität und Passgenauigkeit sprechen. "Sind zum Beispiel 100 Quadratmeter richtig geschnitten, damit eine Familie mit drei Kindern da gut leben kann? Oder gibt es da drei Kinder in einem Zimmer und dann noch zwei andere große Räume? Also: Wie nutzbar sind Wohnungen eigentlich?" Das ist aus Pätzolds Sicht die wichtigere Frage für die Zukunft als die nach der Zahl der Quadratmeter.


* Zwar liegen mittlerweile Neubauzahlen für 2020 vor. Allerdings fehlen diese aktualisierten Angaben noch für die Vergleichsdaten wie etwa Wohnfläche und Einwohnerzahl. Am beschriebenen Trend dürfte sich allerdings auch im vergangenen Jahr nichts geändert haben.

Die Kommentarfunktion wurde am 25.05.2021 um 20:40 Uhr geschlossen

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Beitrag von Thorsten Gabriel und Götz Gringmuth-Dallmer

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