Preiskampf bei Ackerflächen
Der Traum von einem Leben in der Landwirtschaft reizt viele junge Menschen. Das Problem: Viele können sich die Ackerflächen nicht mehr leisten - auch weil sie im Preiskampf um den Boden starke Konkurrenz aus der Energiewirtschaft haben. Von Thomas Rautenberg
Wiebke Kullick steht bei den Kälbern im Landwirtschaftsbetrieb ihres Vaters und verteilt Streicheleinheiten. Die Tiere, knapp vier Wochen alt, buhlen um ihre Aufmerksamkeit. Die Szenerie auf dem elterlichen Hof bei Groß Lübbenau könnte derzeit auch bei der Grünen Woche zu sehen sein - dort wird die Arbeit in der Landwirtschaft besonders attraktiv in Szene gesetzt. Die Streicheleinheiten für die Kälbchen sind für die 25-jährige Kullick aber in der Regel nicht mehr als die kurze Flucht aus dem anstrengenden Alltag.
Wiebke Kullick ist Landwirtin mit Herz und Seele, wie sie selbst sagt. Vor einem Jahr hat sie ihr duales Studium Agrar-Management bei einem Betrieb in Sachsen abgeschlossen und ist dann ins südliche Brandenburg zurückgekehrt. Heute managt sie den Landwirtschaftsbetrieb ihres Vaters. Sie kümmert sich um den ganzen Papierkram, der bergeweise auf ihrem Schreibtisch liegt - und sie kümmert sich um rund 380 Kühe und Kälber und 700 Hektar Land, die im Frühjahr wieder beackert werden müssen. Da gibt es viel zu tun.
Hinzu kommt, dass die Kullicks auch noch einen sogenannten Lohnbetrieb haben. Das ist ein teurer Technikfuhrpark inklusive Fahrer, deren Dienste sich Agrarunternehmen in der Region mieten können - um zu pflügen oder Getreide zu dreschen. 40 Stunden in der Woche leitet Wiebke Kullick das Büro des elterlichen Betriebes.
Ob sie den Familienbetrieb einmal übernehmen wird, wisse sie nicht, sagt Wiebke Kullick. Ihr Vater setzt auf konventionelle Landwirtschaft. Die Jung-Landwirtin sieht ihre Zukunft dagegen eher in der Öko-Landwirtschaft. "Einfach, weil die Verbraucher es wollen und dort besser bezahlt wird."
Zu Beginn des vergangenen Jahres hat sie deshalb noch ihr eigenes Unternehmen gegründet: einen kleinen Öko-Betrieb mit rund 90 Hektar Fläche, den sie neben der Arbeit im Elternbetrieb im sogenannten Nebenerwerb führt. "Das war ein großes Risiko. Man sieht ja, wie viele Höfe in Deutschland aufgeben müssen, weil sie wirtschaftlich nicht über die Runden kommen. Und dann als junge Familie mit Kind einen solchen Neustart zu wagen - da gab es viele Diskussionen."
Dass sie sogar Land für einen eigenen Öko-Hof pachten konnte, war ein glücklicher Zufall. Ihr Vorgänger ließ die Arbeit auf den Feldern von den Leuten und Maschinen machen, die ihr Vater vermietet. Als der Vorgänger aufgab, nutzte die junge Landwirtin die Gunst der Stunde und konnte die Pachtflächen übernehmen. "Mehr Glück kann man nicht haben", sagt die 25-Jährige. Allerdings sind die Wachstumsmöglichkeiten und damit die Zukunft von Kullicks Öko-Hof ungewiss. Eigentlich bräuchte sie weitere Flächen, damit sich der neugegründete Betrieb auf Dauer lohnt.
Die bundeseigene Bodenverwertungs- und Verwaltungsgesellschaft (BVVG), die in der Region die meisten Landwirtschaftsflächen besitzt, hatte sogar gerade einige Hektar zur Pacht für Jung-Landwirte im Öko-Bereich ausgeschrieben. Zum Zuge gekommen ist Wiebke Kullick allerdings nicht. Andere Unternehmen müssen mehr geboten haben.
Im Jahr 2001 lag die durchschnittliche Pacht für einen Hektar Ackerfläche in Brandenburg noch bei 73 Euro. In knapp 20 Jahren haben sich die Pachtkosten mehr als verdreifacht. Bei den aktuellen Ausschreibungen, bei denen allein das höchste Preisgebot entscheidet, machen nun häufig Firmen das Rennen, die mit Landwirtschaft gar nichts mehr zu tun haben.
Stromproduzenten, die Photovoltaikanlagen auf den Feldern und Weiden bauen wollen, schlagen jede Konkurrenz aus dem Weg, wie Jung-Landwirtin Kullick sagt. "Diese großen Unternehmen bezahlen bei Kauf oder Pacht mehr, als ich auf den Böden jemals erwirtschaften könnte. Das ist einfach so. Da habe ich als Landwirtin keinerlei Chance."
Der Brandenburger Bauern-Präsident Henrik Wendorff hatte kürzlich beklagt, dass dem Land durch Straßen-, Industrie-, und Energiebauten täglich sieben Hektar landwirtschaftliche Nutzfläche verloren gehen. Das entspricht der Größe von sieben Fußballfeldern.
Auch der Brandenburger Agrarminister Axel Vogel (Grüne) will dem Ausverkauf der landwirtschaftlichen Flächen an branchenfremde Investoren einen Riegel vorschieben. Künftig, so die Pläne, soll bei Flächenverkäufen nur noch der landwirtschaftliche Verkehrswert bezahlt werden. Die Landwirte sollen zudem ein Vorkaufsrecht ausüben können. Ob und wann das entsprechende Gesetz allerdings tatsächlich kommen wird, ist offen.
Wiebke Kullick will ihren Job trotz aller Schwierigkeiten mit keinem anderen tauschen. Der Einstieg in die Selbstständigkeit sei geschafft und ob es auf Dauer funktioniert, werde sie sehen, sagt die 25-Jährige. Bis dahin sei ihr als junger Landwirtin vor allem eines wichtig: Dass sie für die Arbeit als Landwirtin Wertschätzung erfährt - auf der Grünen Woche und im praktischen Alltag.
Sendung: rbb24 Inforadio, 26.01.2023, 9:45 Uhr
Beitrag von Thomas Rautenberg
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