Sonderregelungen für Hochhäuser
Kleine Balkon-Kraftwerke sollen die Energiewende unterstützen und werden seit neuestem auch vom Land Berlin gefördert. Trotzdem bekommt ein Mieter der Degewo keine Genehmigung für sein Balkon-Kraftwerk. Der Grund: Für Hochhäuser gelten andere Regelungen. Von Björn Tritschler
Guido Brügmann wollte eigentlich alles richtig machen bei seiner kleinen Balkonsolaranlage. Doch es klappte nicht, jedenfalls nicht so, wie er es geplant hatte: "Die Idee vom Balkonkraftwerk ist schon gut", sagt er, "aber es werden einem einfach zu viele Steine in den Weg gelegt."
Trotz der südlichen Ausrichtung seiner Marzahner Wohnung gibt es ausgerechnet für seine Solaranlage keine sonnigen Aussichten. "Das Problem ist, dass diese Anlage dort, wo sie eigentlich am effektivsten arbeiten kann – also hier draußen - nicht angebracht werden darf", so Brügmann. Diese Einschränkung überrascht, denn Balkon-Kraftwerke sind eigentlich genehmigungsfrei - allerdings nicht in jeder Höhe.
Bauten über einer Traufhöhe von 22 Metern – das ist die Grenze von normalen Gebäuden in Berlin – seien Sonderbauten, so Jörg Lippert, Leiter des Bereichs Technik des Verbandes Berlin Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU). Bauten über dieser 22-Meter-Marke seien Hochhäuser und für diese gelten dann andere Regelungen als bei normalen Gebäuden.
Die gute, alte Platte von Guido Brügmann ist laut Bauordnung ein Hochhaus. In solch einem höheren Haus nun über die Sonne Strom zu beziehen, ist offenbar ein besonderes Problem. Um die Anlage zu installieren, frage Brügmann - regelkonform - bei seinem Vermieter nach: "Als Antwort kam, dass die Installation solch einer Anlage neu sei für die Degewo und dass sie sich auch erst mal schlau machen müssten."
Guido Brügmann installierte die Anlage, steckte sie in die Steckdose und produzierte Strom. Nach einem halben Jahr aber kam dann die Aufforderung von seinem Vermieter Degewo, die Anlage zu demontieren.
"Das Gebäude ist ein Sonderbau / ein Hochhaus gemäß der Bauordnung und unterliegt den gesetzlichen Bestimmungen. Wir bitten um Rückbau der Anlage", hieß es in der Aufforderung. Brügmann aber hält die Begründung für falsch: "'Gesetzliche Vorschriften' ist für mich eine Null-Aussage. Einfach zu sagen: 'Nein, das geht nicht.' ist nicht in Ordnung." Auch habe er keine Möglichkeit bekommen, eine Lösung zu finden oder gemeinsam mit der Degewo an einer Lösung zu arbeiten. Brügmann greift zu Telefon: "Ich wollte wissen: Was ist denn nun eigentlich der wahre Grund, warum mir diese Anlage verweigert wird." Als Antwort habe er die Aussage erhalten: "Wenn wir es Ihnen erlauben, dann müssen wir es allen anderen auch erlauben."
Ein Interview über die Gründe der Ablehnung lehnt die Wohnungsbaugesellschaft Degewo ab und erklärt schriftlich: "Balkonkraftwerke genehmigen wir gern, so lange (...) keine (...) aufwendige externe Antragsverfahren durchgeführt werden müssen."
Sebastian Bartels, Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, reagiert mit Unverständnis auf die Reaktion der Degewo: "Gerade dort haben wir viele Balkone und haben viele unverschattete Flächen an den Hochhäusern: Je höher, desto sonniger in der Regel."
Allerdings beruft sich die degewo auch auf die Bauordnung, denn eigentlich genehmigungsfreie Balkonsolaranlagen sind bei Hochhäusern eben nicht genehmigungsfrei. Sie benötigen dort eine Baugenehmigung. Für Jörg Lippert vom Verband der Wohnungsunternehmen ist diese Einschränkung für Hochhäuser durchaus berechtigt. So hätten die Häuser mehr Lasten zu tragen und auch seien dort höhere Brandschutzanforderungen zu stellen: "Man muss die Menschen, wenn es zu Rettungen kommt - etwa bei Bränden -, auch retten können aus den Gebäuden."
Berlins Mieterverein Geschäftsführer Sebastian Bartels hält diesen Grund nicht für stichhaltig: "Auch Balkonpflanzen können runterfallen. Warum sollte jetzt ausgerechnet eine PV-Solaranlage wesentlich anders behandelt werden als Pflanzenanhäufung auf einem Balkon?" Eine Baugenehmigung brauche es für solche kleinen Balkonanlagen nicht.
Hier nun lehnt es die Degewo ab, einen Antrag auf Baugenehmigung zu stellen und Guido Brügmanns Stecker-Solaranlage zu prüfen und genehmigen zu lassen. Solch einen Bauantrag zu erstellen, sei zu aufwändig. Unterstützung bekommt die Degewo dabei vom Verband der Wohnungsunternehmen, der diese Haltung verteidigt.
Eine Nachfrage von Super.Markt bei allen anderen fünf kommunalen Berliner Wohnungsbaugesellschaften sowie bei denen in Cottbus und Frankfurt/Oder bestätigt diese Haltung. Grundsätzlich blicken viele sehr positiv auf die individuellen Möglichkeiten, mit solch einer Balkonsolaranlage umweltfreundlich Energie zu erzeugen. Doch Genehmigungen gibt es bisher kaum, und die Mieter mussten teils kostenpflichtige Bauanträge selbst stellen.
Der Berliner Mieterverein fordert darum, dass die mittleren Wohnungsunternehmen, etwa landeseigene Wohnungsunternehmen, eine Vorreiterrolle übernehmen: "Die Mieter müssen informiert werden. Es müssen Info-Blätter verteilt werden und einheitliche Kriterien entwickelt werden, um diese Stecker-Solaranlagen praktikabel zu machen und das Verfahren zu erleichtern."
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen erklärte, sie prüfe zukünftige Verfahrenserleichterungen.
Brügmann hat für sich nun eine Zwischenlösung geschaffen: "Ich habe mir eine Konstruktion ausgedacht, um die Anlage innerhalb des Balkons aufzubauen, so wie es genehmigt, bzw. geduldet wird. Das Problem ist: Sie nimmt uns innen drin Licht weg und verschattet uns den Innenraum."
Sendung: SUPER.MARKT, 6.3.2023, 20.15 Uhr
Beitrag von Björn Tritschler
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