rbb24
  1. rbb|24
  2. Wirtschaft
Quelle: dpa/P.Zinken

Paritätischer Gesamtverband

Berlin weist bundesweit zweithöchste Armutsquote auf

Die Armut in Deutschland ist höher als vom Paritätischen Gesamtverband zunächst angenommen, er korrigierte die von ihm erfassten Zahlen seines Armutsberichts nach oben. Berlin ist weit vorne, Brandenburg hinten.

In Deutschland sind nach Angaben des Paritätischen Gesamtverbands noch mehr Menschen von Armut betroffen als zuvor angenommen. Die Quote habe im Jahr 2021 bei 16,9 Prozent gelegen, teilte der Verband am Freitag mit. Er korrigierte seine Daten damit nach oben [der-paritaetische.de]. Auch die zuvor berechnete Armutsquote von 16,6 Prozent war bereits ein Rekord. Statt 13,8 Millionen waren 2021 demnach 14,1 Millionen Menschen armutsbetroffen.

Berlin hat dabei im Bundesländervergleich eine der höchsten Armutsquoten - Brandenburg eine der niedrigsten. Die niedrigsten Armutsquoten gibt es dem Verband zufolge in Bayern (12,8 Prozent), Baden-Württemberg (14,1 Prozent) und Brandenburg (14,8 Prozent). Am anderen Ende des Spektrums finden sich Sachsen-Anhalt und Nordrhein-Westfalen (jeweils 19,2 Prozent), Berlin (20,1 Prozent) und Bremen (28,2 Prozent).

Anfrage der Linksfraktion

Kinderzuschlag erreicht wohl nur jedes dritte berechtigte Kind

Kinder überdurchschnittlich von Armut betroffen

"In unseren schlechtesten Träumen hätten wir nicht daran gedacht, dass es nun noch einmal nach oben geht", erklärte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Gesamtverbands, Ulrich Schneider, zu den neuen Berechnungen. Das Ergebnis sei "ein bitteres Armutszeugnis für die Politik der großen Koalition. Sie hat die Armut einfach billigend in Kauf genommen."

Deutlich überdurchschnittlich von Armut betroffen seien Kinder und Jugendliche, erklärte der Verband weiter. "Mit 21,3 Prozent steigt ihre Armutsquote auf einen noch nie gemessenen traurigen Rekordwert." Zugleich sei die Altersarmutsquote von 2020 auf 2021 "geradezu sprunghaft" angestiegen von 16,3 auf 17,6 Prozent - ebenfalls ein Rekord.

Armut ist in verschiedenen Bevölkerungsgruppen und auch in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich weit verbreitet. Dem Bericht des Paritätischen zufolge sind 17,8 Prozent der Frauen in Deutschland arm, bei den Männern sind es lediglich 16 Prozent. "Besonders gravierend ist die Diskrepanz zwischen den Geschlechtern bei älteren Personen ab 65 Jahren."

Deutliche Zunahme der Armut unter Erwerbstätigen

"Auffällig ist die deutliche Zunahme der Armut unter Erwerbstätigen, die als eine direkte Folge der Auswirkungen der Pandemie auf den Arbeitsmarkt angesehen werden kann", führte der Paritätische aus. Diese Quote habe 2021 bei 8,9 Prozent gelegen.

Schneider erklärte, es sei nun "keine Zeit zu verlieren, um die wachsende Not zu lindern. Die Armut wird nicht nur immer größer, sondern mit den explodierenden Preisen auch immer tiefer." Schneider forderte insbesondere eine "spürbare Anhebung" der Regelsätze beim Bürgergeld und der Altersgrundsicherung, "eine existenzsichernde Anhebung des Bafög und die zügige Einführung der Kindergrundsicherung".

Supermärkte

Berliner Tafel und Sozialsenatorin fordern verpflichtende Lebensmittelabgabe

Kritik an Definition von Armut

Um die Verbreitung von Armut zu messen, nutzt der Paritätische die sogenannte relative Einkommensarmut als Indikator. Dieser in einer EU-Konvention festgelegten Größe zufolge ist ein Mensch arm, wenn sein Einkommen weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens in Deutschland ausmacht. Mitgezählt werden dabei alle Nettoeinkünfte, also etwa Lohn, Rente, Wohngeld, Kindergeld oder Hartz IV. Um Haushalte unterschiedlicher Größe vergleichbar zu machen, wird ein Pro-Kopf-Wert ermittelt. Grundlage aller Berechnungen sind Daten des Statistischen Bundesamts.

Im Jahr 2021 lag dieser Schwellenwert nach Angaben des Statistischen Bundesamtes für eine alleinlebende Person in Deutschland bei 15.009 Euro netto im Jahr (1.251 Euro im Monat), für zwei Erwachsene mit zwei Kindern unter 14 Jahren bei 31.520 Euro netto im Jahr (2.627 Euro im Monat).

Experten verschiedener Wirtschaftsforschungsinstitute kritisierten in der Vergangenheit mehrmals den vom Paritätischen herangezogenen Indikator für Armut. Man müsse auch Vermögen berücksichtigen, sagte etwa Markus Grabka vom Wirtschaftsforschungsinstitut DIW der "Süddeutschen Zeitung" im Sommer vergangenen Jahres. Zudem wurde die Methodik der Erhebung des Armutsberichts kritisiert. Der Paritätische wies die Kritik zurück und sprach von validen Daten, die in Abstimmung mit dem Statistischen Bundesamt ausgewertet worden seien.

Sendung: rbb24 Inforadio, 10.03.2023,12:00 Uhr

Artikel im mobilen Angebot lesen