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Quelle: rbb24/dpa/Christian Ohde

Datenauswertung | Schuldneratlas

Überschuldung von Verbrauchern ist leicht zurückgegangen

Die Zahl der Menschen, die in Berlin und Brandenburg im vergangenen Jahr nicht mehr ihre Rechnungen bezahlen konnten, ist weiter leicht zurückgegangen. Die regionalen Unterschiede bleiben - auch wenn es ein paar Veränderungen gibt.

Trotz hoher Energiepreise und Inflation ist die Anzahl der überschuldeten Verbraucherinnen und Verbraucher in Berlin und Brandenburg im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr leicht zurückgegangen. Das zeigen die Ergebnisse des Schuldneratlas 2022 der Wirtschaftsauskunftei Creditreform [creditreform.de].

Demnach betrug die Schuldnerquote der Menschen über 18 Jahren in Berlin im vergangenen Jahr 10,47 Prozent (Stichtag 1. Oktober 2022). 2021 lag dieser Wert in der Hauptstadt noch bei 10,81 Prozent. In Brandenburg ging die Quote von 8,62 auf 8,23 Prozent zurück. Der Brandenburger Wert liegt damit erneut leicht unter dem Bundesdurchschnitt von 8,48 Prozent, der Berliner darüber.

Zum Stichtag 1. Oktober 2022 wiesen in Berlin demnach 319.913 erwachsene Einwohner sogenannte Überschuldungsmerkmale auf, 2021 waren es 331.379 Menschen. In Brandenburg wurden 175.322 erwachsene Personen mit Überschuldungsmerkmalen gezählt, 2021 waren es 183.262.

Einen Grund für den Rückgang sieht Creditreform darin, dass während der Corona-Zeit die Verbraucher weniger Zahlungsverpflichtungen eingegangen sind und entsprechend nicht in Überschuldungsprozesse geraten sind. Das habe sich auch im Jahr 2022 noch ausgewirkt.

Außerdem, so die Analyse, habe ein weiterhin robuster Arbeitsmarkt Schuldentilgung und Entschuldung ermöglicht. Entsprechend habe sich die Zahl der überschuldeten Personen verringert, heißt es. Die hohen Energiepreise hätten die Verbraucherüberschuldung demnach bisher nicht negativ beeinträchtigt. Wie stark dieser Effekt ausfällt, dürfte erst in den kommenden Monaten sichtbar werden.

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Als überschuldet gelten Privatpersonen, deren Einkommen über einen längeren Zeitraum nach Abzug der Lebenshaltungskosten trotz Reduzierung des Lebensstandards nicht ausreicht, um fällige Forderungen wie zum Beispiel Kreditraten zu begleichen. Die Schuldnerquote setzt die Zahl der überschuldeten Personen zur Anzahl der Bevölkerung (ab 18 Jahre) ins Verhältnis. Die Daten setzen sich aus öffentlichen Informationen der Amtsgerichte, Inkassoinformationen von Creditreform und Daten von privaten Unternehmen mit Privatkunden zusammen.

Auch Marco Rauter, Schuldner- und Insolvenzberater bei AWO Kreisverband Südost e.V. in Berlin, erklärt sich den leichten Rückgang der Überschuldung durch das veränderte Konsumverhalten während der Pandemie. Jedoch sieht er in der Überschuldungsquote nach wie vor ein großes Problem: "Das ist keine Momentaufnahme", sagte Rauter rbb|24. "Immer mehr Menschen schaffen es nicht, aus dieser Überschuldungssituation dauerhaft wieder herausrauszukommen."

Mit Blick auf die hohen Energiekosten geht Rauter davon aus, dass der große Ansturm auf die Schuldnerberatungsstellen noch bevorsteht, da die Abrechnungen für das Jahr 2022 noch nicht alle verschickt wurden. Schon jetzt hätten immer mehr Menschen kein Geld mehr, um sich mal im Leben zu belohnen und vielleicht mal Essen zu gehen, so Rauter. "Diese Depression nimmt in der Beratung zu. Die Menschen drehen sich im Kreis und kommen nicht mehr vorwärts."

Am höchsten ist die Überschuldungsquote in Brandenburg in der Altersklasse der 40- bis 49- Jährigen (12,86 Prozent). Aber auch hier ist nach Angaben von Credtireform gegenüber dem Vorjahr ein leichter Rückgang zu verzeichnen. Auch in Berlin ist die Überschuldungsquote erneut in der Altersgruppe der 40- bis 49-Jährigen mit 15,31 Prozent am höchsten.

Warum genau diese Altersgruppe betroffen ist, ist schwer zu sagen: "Diese Altersgruppe konsumiert intensiv, hat Verträge abgeschlossen und muss Rückschläge wie Trennung, Krankheit oder Kurzarbeit hinnehmen", vermutet Schuldnerberater Rauter.

Auch wenn sich die Lage insgesamt etwas gebessert hat, gibt es doch zwischen den einzelnen Regionen bemerkenswerte Unterschiede. So findet sich im Cottbuser Postleitzahlbereich 03052 beispielweise mit 18,03 Prozent die höchste Schuldnerquote auf PLZ-Ebene in ganz Brandenburg; im Jahr 2016 lag die Quote hier noch bei 4,53 Prozent. Im benachbarten PLZ-Bereich 03051 wiederum gibt es eine der niedrigsten Schuldnerquoten im Land. Hier beträgt die Quote 3,21 Prozent. Im Jahr 2011 lag sie hier noch bei 26,11 Prozent.

Woher diese Unterschiede kommen, ist unklar. "Wir haben natürlich auch ein Klientel, das langfristige Zahlungsvereinbarungen eingegangen ist - ob das nun im Grundstücksbereich ist, im Hausbau oder im Hauskauf", sagt Schuldnerberater Reik Burkhart vom Cottbuser Verein SIN mit Blick auf die hohe Quote im einen PLZ-Bereich. "Ich könnte mir erklären, dass durch die steigenden Zinsen, die steigenden Baukosten, auch durch geplatzte Finanzierungen diese Quote dort zusammenkommt." Das sei aber nur eine Vermutung - und er könne auch nur spekulieren, warum der benachbarte PLZ-Bereich 03051 eine der niedrigsten Schuldnerquoten im Land hat, so Burkhart. Aber bei der Schuldnerberatung würden sie auch auch feststellen: "Wir haben da manchmal Anfragen, die sehr konzentriert in einem Stadtteil liegen."

In Berlin ist die Schuldnerquote in allen Bezirken gesunken, wenn auch unterschiedlich. Den größten Rückgang gab es in Neukölln um 0,58 Prozentpunkte. Der geringste Rückgang wurde in Marzahn-Hellersdorf mit 0,16 Prozentpunkten verzeichnet.

Im Nordosten der Stadt liegt auch der PLZ-Bezirk mit der höchsten Schuldnerquote. Im PLZ-Bereich 12689 (Marzahn) beträgt sie 20,72 Prozent - ein leichter Anstieg zum Vorjahr. Allerdings sieht es in dieser Gegend um die Ahrensfelder Chaussee, die Märkische Allee und die Havemannstraße an der Stadtgrenze zu Ahrensfelde schon deutlich besser aus als noch im Jahr 2005: Damals lag die Schuldnerquote noch bei 34,18 Prozent.

In Berlin gab es den größten Zuwachs im PLZ-Bereich 12439 in Niederschöneweide. Hier stieg die Schuldnerquote 12,19 Prozent im Vorjahr auf 12,67 Prozent. Somit galten 1.305 Menschen als überschuldet, 2021 waren es noch 1.263.

Den größter Rückgang gab es im Neuköllner Schillerkiez im PLZ 12049. 2021 waren hier noch 2.706 Menschen überschuldet, 2022 galt das für 2.468. Damit sank die Quote von 15,96 auf 14,7 Prozent.

Im Vergleich der deutschen Landeshauptstädte hat Potsdam eine besonders niedrige Überschuldungsquote (7,06 Prozent). Nur die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt Mainz hatte 2022 mit 6,84 Prozent eine noch niedrigere Quote. Berlin landet hier auf dem 11. Platz, Schlusslicht ist Saarbrücken mit 15,15 Prozent.

Im bundesweiten Vergleich von 401 Landkreisen, kreisfreien Städten und Städteregionen belegt Potsdam-Mittelmark mit Platz 83 den besten regionalen Rang. Potsdam liegt bundesweit auf Rang 131, Berlin auf Platz 340. Regionale Schlusslichter sind Frankfurt (Oder) (348) sowie Brandenburg an der Havel (387), die im hinteren Viertel des bundesweiten Rankings landen.

Ebenfalls zurückgegangen sind die Insolvenzverfahren von Privatpersonen im Jahr 2022 in Berlin und Brandenburg. So ging die Zahl in Berlin von 3.573 Verfahren im Jahr 2021 auf 3.251 im vergangenen Jahr zurück, ein Minus von etwa neun Prozent.

In Brandenburg veringerte sich die Zahl der Insolvenzverfahren bei Verbraucherinnen und Verbrauchern von 2.648 auf 2.334, ein Rückgang um fast 12 Prozent.

Sendung:

Beitrag von Götz Gringmuth-Dallmer, Mitarbeit: Isabelle Schilka (Studio Cottbus), Wanda Bleckmann (Grafik)

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