Die Grundlage ist das Portal Speisekarte.de, das für zahlreiche Restaurants in Berlin die Menüs mit Preis online stellt. Diese Menüs wurden teilautomatisiert ausgelesen, einmal im Juni 2022 und einmal im April 2023 und abgeglichen.
rbb|24-Datenrecherche
Gemüsesuppe für vier statt zwei Euro und Pommes für das Dreifache des Preises von vor einem Jahr: Eine rbb|24-Datenrecherche zeigt, dass gerade in der einfachen Gastronomie sich die Preise besonders stark verteuert haben. Von Haluka Maier-Borst
Am Wochenende mit Freunden und Freundinnen schick essen gehen. Oder nach einem langen Arbeitstag noch schnell ein einfacher Snack. Das gehört zu den kleinen Vorzügen des Lebens. Doch in Zeiten der Inflation sind gerade der Imbiss und die einfachen Gerichte auswärts sehr viel teurer geworden, wie eine Datenrecherche von rbb|24 zeigt.
Während kleine Gerichte und Beilagen sich binnen neun Monaten im Mittel um mehr als 25 Prozent verteuert haben, sind es bei Gerichten, die bislang zehn Euro und mehr gekostet haben, nur acht Prozent.
Besonders deutlich wird die Situation, wenn man sich einzelne Extrembeispiele für Gerichte anschaut. Während zum Beispiel ein T-Bone-Steak in einem Berliner Restaurant nun 32,90 Euro kostet anstatt wie bisher 28,90 Euro, gibt es in einem anderen Berliner Restaurant die Portion Kartoffelpuffer inzwischen für sportliche 11,90 Euro – anstatt für zuvor sehr preiswerte 3,50 Euro.
Ähnlich ist es mit den Pommes. Je nach Restaurant finden sich hier Preissprünge von 2,90 auf 3,50 Euro (plus 21 Prozent) oder gar von sehr günstigen 1,80 Euro auf 5,90 Euro (plus 228 Prozent). Gleichzeitig ist ein "Scampi-Pfännchen" im Preis "nur" von 23,50 Euro auf 25,50 Euro (plus 8 Prozent) gestiegen.
Dass vor allem die zuvor günstigen Gerichte extrem im Preis zulegen, ist ein Muster, das vergleichbar ist mit einem anderen Phänomen in der Inflation. Nämlich dass Discounter-Produkte deutlich mehr im Preis angezogen haben als Marken-Produkte. Und auch hier können wieder verschiedene Gründe angeführt werden.
Da die Möglichkeit besteht, dass manche Restaurant ihre digitale Speisekarte nicht aktualisiert haben, wurden nur die Restaurants eingeschlossen, in denen mindestens ein Gericht auf der Karte sich preislich verändert hat. Am Ende blieben so 44 Restaurants übrig. Um Fehler zu vermeiden, wurde nochmal händisch durch diese 44 Menüs gegangen. Am Ende blieben knapp 1.400 Gerichte übrig.
Argumentiert man aus der Sicht von Gastronomen, so ließe sich sagen, dass kleine Imbisse und Restaurants wohl knapper kalkulieren. Entsprechend schlägt die allgemeine Inflation viel heftiger durch als in der gehobenen Gastronomie, weil die Preise der Zutaten und die Kosten für die Energie einen größeren Anteil des Endpreises ausmachen.
Hinzu kommt, dass generell in der Gastronomie die Arbeitskräfte fehlen. Entsprechend müssen Restaurants inzwischen mit deutlich mehr als dem Mindestlohn Arbeitskräfte locken, wie Britta Schautz, die Projektleiterin für den Bereich "Lebensmittel und Ernährung" der Berliner Verbraucherzentrale erklärt. Nicht jeder stark angezogene Preis sei also per se unverhältnismäßig.
Argumentiert man aber aus Verbrauchersicht, so sind die Preissteigerungen trotzdem oft zu hoch. Denn während die allgemeine Vorjahresmonat-Inflation bei 7,7 Prozent für Berlin liegt, ist selbst das mittlere Gericht laut rbb|24-Recherche 13 Prozent teurer geworden. Und das alleine im Zeitraum Juni 2022 bis April 2023. Schautz sagt: "Wo wir vom anderthalbfachen, doppelten Preis oder mehr reden, kann man schon sagen, dass das weder der Inflation noch einer überfälligen Anpassung geschuldet ist."
Grundsätzlich deutet die rbb|24-Datenrecherche auch an, dass die veröffentlichten Zahlen des Statistischen Landesamtes die aktuellen Probleme der Inflation nur unzureichend beleuchtet. Denn wie auch bei den Lebensmitteln scheint es massive Unterschiede zwischen der Verteuerung bei günstigen und Premium-Produkten zu geben. Es unterscheidet sich aber dabei auch die Methodik der Statistischen Landesämter von der Methodik, mit der rbb|24 rechnet.
Das Statistische Landesamt sammelt monatlich Daten dazu, wie sich bestimmte Produkte oder zum Beispiel bestimmte Gerichte in Läden oder eben Restaurants verteuert haben. Das hat den Vorteil, dass die Inflation danach berechnet wird, was typischerweise jemand im Restaurant bestellt. Sobald aber jemand von diesem Idealtyp der Statistik abweicht, kann seine persönliche Inflation sehr anders ausfallen.
rbb|24 hat dagegen von 44 Restaurants in Berlin die kompletten Speisekarten digital gescannt und die mittlere Inflation all dieser Produkte errechnet. Entsprechend können sich die errechneten Preissteigerungen unterscheiden. Das ist somit die durchschnittliche Menü-Inflation gewissermaßen. Wie oft oder selten ein Gericht vielleicht aber bestellt wird, fließt bei dieser Berechnung nicht ein.
Die Tatsache, dass speziell die günstigeren Speisen teurer geworden sind, hat aber auch eine soziale Komponente. So sagt die Verbraucherschützerin Schautz, dass insbesondere die Einkommensschwachen diese Entwicklung hart trifft. "Diese Menschen müssen sowieso schon mehr sparen, weil eben Lebensmittel im Einzelhandel teurer geworden sind und wenn nun auch die einfachen Gerichte stark im Preis anziehen, dann wird Essengehen zu etwas sehr Exklusivem."
Und an dieser Situation wird sich wohl erstmal nichts ändern. Denn das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung in München (Ifo) zeigte in seiner jüngsten Branchenumfrage zu den Preiserwartungen, dass sowohl im Einzelhandel als auch der Gastronomie nach wie vor die Mehrheit von weiter steigenden Preisen ausgeht.
So abgedroschen es klingen mag: die Inflation wird wohl auch in den nächsten Monaten weiter die Ärmeren deutlich härter treffen als die Reichen.
Sendung: Fritz, 26.04.2023, 06:30 Uhr
Beitrag von Haluka Maier-Borst
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