Datenauswertung
Montags oder freitags frei oder nur vier Stunden am Tag arbeiten: Für die einen ist es Wunsch, für die anderen Wirklichkeit. Der Anteil derer, die einer Teilzeittätigkeit nachgehen, unterscheidet sich regional oft deutlich. Auffällig sind die Zahlen aus Berlin und Brandenburg.
Der Anteil der Menschen, die in Berlin und Brandenburg einer sozialversicherungspflichtigen Teilzeitbeschäftigung nachgehen, ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Das zeigen Daten der Arbeitsagentur, die rbb|24 ausgewertet hat.
Lag die Teilzeitquote im Jahr 1999 in Berlin noch bei 17,2 Prozent, so stieg sie bis zum Jahr 2022 auf 34,7 Prozent (Stichtag jeweils 30. Juni, Wohnort). Die Hauptstadt belegte damit den Spitzenplatz unter den Bundesländern.
In Brandenburg hat sich die Teilzeitquote nahezu verdreifacht, von 12,2 Prozent im Jahr 1999 auf 31,4 Prozent im vergangenen Jahr. Damit liegt Brandenburg im Bundesvergleich auf Platz fünf. Schlusslicht ist Baden-Württemberg. Dort gehen mit 27,2 Prozent nur etwa ein Viertel aller sozialversicherungspflichtigen Beschäftigten einer Teilzeitbeschäftigung nach. Zum Vergleich: In Deutschland lag die Teilzeitquote 1999 bei 15.6 Prozent und 2022 bei 29,5 Prozent.
In den oben genannten Zahlen sind jedoch weder Beamte noch Selbständige enthalten. Die werden dafür vom Mikrozensus erfasst. Demnach gehen in Berlin 29,4 Prozent der Erwerbstätigen einer Teilzeitbeschäftigung nach, in Brandenburg sind es 24,4 Prozent. Wer in Deutschland einer Vollzeitbeschäftigung nachgeht, arbeitet im Schnitt 40,5 Stunden pro Woche (Destatis), Teilzeitbeschäftigte etwa halb soviel.
Uta Brehm, Familiensoziologin am Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB) begründet die Zunahme von Teilzeitarbeit damit, dass mehr Frauen einer Erwerbstätigkeit nachgehen. "Die freiwillige Teilzeiterwerbstätigkeit ist für sehr viele Mütter in den letzten Jahren ein Weg gewesen, sich am Erwerbsleben zu beteiligen", so Brehm gegenüber rbb|24. "Heute ist insbesondere bei Frauen zu einem erheblichen Teil die Betreuung und Pflege von Familienmitgliedern der Grund, warum sie in Teilzeit arbeiten – wobei dieser Wert während der Corona-Pandemie noch deutlich höher lag." (mehr siehe Interview)
Ein weiterer Blick in die Statistik der Arbeitsagentur zeigt, dass Frauen zwar deutlich häufiger Teilzeit arbeiten als Männer, die Frauen in Berlin aber mit einer Quote von 45,1 Prozent weniger als im bundesdeutschen Durchschnitt von 49,4 Prozent. Die höchste Teilzeitquote bei den Frauen gibt es mit 53 Prozent in Schleswig-Holstein, die niedrigste in Hamburg mit 44,7 Prozent. Brandenburg bildet mit 49,6 Prozent nahezu den Durchschnitt ab.
Metropolen sind immer auch Städte mit einem hohen Anteil an hochqualifizierten Beschäftigten. In diesen Spezialisten- und Expertentätigkeiten arbeiten Frauen deutlich häufiger Vollzeit, als wenn sie Fachkraft- oder Helfertätigkeiten ausüben", so Arbeitsmarktexperte Holger Seibert vom Institut für Arbeitsmarkt und Berufsforschung (IAB) gegenüber rbb|24. So seien vier von zehn Berliner Frauen auf solchen hochqualifizierten Arbeitsplätzen mit durchschnittlich höherer Arbeitszeit tätig, während es unter den Brandenburger Frauen nur gut zwei von zehn sind.
"Der Unterschied zwischen Stadt und Land hat auch etwas mit traditioneller Rollenaufteilung zwischen Männern und Frauen zu tun", sagt Seibert. "Frauen übernehmen immer noch mehr Pflegearbeit. Gerade auf dem Land, wenn dann noch weitere Entfernungen zwischen Wohn- und Arbeitsort zurückzulegen sind, ist Kinderbetreuung und eine Vollzeitbeschäftigung viel schwerer unter einen Hut zu bekommen. So etwas ist in der Stadt dann doch einfacher, wenn man die Kita um die Ecke hat."
Ein ganz anderes Bild zeigt sich bei den Berliner Männern. Mit 24 Prozent geht fast ein Viertel von ihnen einem sozialversicherungspflichtigen Teilzeitjob nach. In Brandenburg sind es 14 Prozent. Die niedrigste Quote hat Baden-Württemberg mit 9,4 Prozent, der bundesweite Durchschnitt liegt bei 12,1 Prozent.
Familiensoziologin Uta Brehm sieht für die verhältnismäßig hohe Teilzeitquote bei Männern in Berlin mehrere Ursachen. "In Berlin haben wir auf der einen Seite ein Milieu, was sehr progressiv ist und sehr auf Gleichstellung und auch Beteiligung der Väter an der Familienarbeit ausgerichtet ist", so Brehm. Ein weiterer Grund sei, dass in Berlin die Arbeitslosigkeit im Bundesländervergleich relativ hoch ist und damit die unfreiwillige Teilzeiterwerbstätigkeit eine größere Rolle spielt.
Arbeitsmarktexperte Seibert erklärt die hohe Männerteilzeitquote mit den Beschäftigungsverhältnissen, die in der Hauptstadt angeboten werden: "Die Berliner Männer arbeiten generell deutlich häufiger in Teilzeit als Männer aus anderen Bundesländern. Besonders ausgeprägt ist dies jedoch bei den Helferjobs, wo jeder zweite Berliner nur in Teilzeit arbeitet. In Brandenburg sind es nur 33 Prozent, in Bayern sogar nur 17 Prozent."
Diese einfachen Jobs gebe es in Berlin besonders häufig in der Gastronomie, dem Ausbaugewerbe und in der Zeitarbeit, in Bayern und Brandenburg hingegen häufiger auch in der Industrie. "So kommen in Berlin vielfach geringe Arbeitszeit und geringe Löhne in generell schlecht entlohnten Jobs zusammen. Und offensichtlich sind gerade Berliner mit ausländischer Staatsangehörigkeit viel häufiger bereit, diese ungünstige Kombination in Kauf zu nehmen, um einer Arbeit nachzugehen", so Seibert gegenüber rbb|24.
Kinder betreuen, Angehörige pflegen, das Studium finanzieren, sich selbständig machen oder einfach keinen Vollzeitjob finden: Es gibt viele Gründe, einer Teilzeitbeschäftigung nachzugehen. Laut Mikrozensus 2021 haben in Berlin 12,3 Prozent der Männer und 6,6 Prozent der Frauen, die einer Teilzeitbeschäftigung nachgingen, keinen Vollzeitjob gefunden.
In Brandenburg trifft das auf 10,8 Prozent der Frauen zu, für die Männer gibt es keine Angabe, es sind also wohl zu wenige, als dass sie im Mikrozensus ausgewiesen werden.
Der meist genannte Grund für die Arbeit in Teilzeit ist die Betreuung von Kindern. Allerdings gibt es dafür in Berlin und Brandenburg im Mikrozensus nur Zahlen für Frauen.
In Berlin haben sich fast 70.000, in Brandenburg knapp 50.000 Frauen aus diesem Grund für einen Teilzeitjob entschieden. Die Männer kommen im Mikrozensus an dieser Stelle nicht vor, die Zahl ist wohl zu klein. Zieht man allerdings die Zahl der Frauen, die für Kinder Teilzeit arbeiten, von der Gesamtzahl ab, bleiben in Berlin etwa 7.200 und in Brandenburg 3.700 Männer übrig, die für die Betreuung ihrer Kinder vermutlich Teilzeit gearbeitet haben.
Sehr ungleich verteilt ist der Anteil der Menschen in den einzelnen Berufsgruppen, die einer Teilzeitbeschäftigung nachgehen. In Brandenburg (Arbeitsort) sind es eher diejenigen Jobs, die überwiegend von Frauen ausgeübt werden. So beträgt die Teilzeitquote zum Beispiel bei Erzieherinnen und Sozialarbeiterinnen 60,1 Prozent und in der Altenpflege 58,4 Prozent.
Den höchsten Teilzeitanteil gibt es in Berlin bei Psychologen und nichtärztlichen Psychotherapeut:innen - drei Viertel der hier sozialversicherungspflichtig Beschäftigten arbeiten Teilzeit - überwiegend sind es Frauen (nicht in der Tabelle).
Die Statistik kennt zum Thema Teilzeitarbeit noch eine andere Zahl. Nach der würden offenbar deutlich mehr Menschen in Deutschland gerne Teilzeit arbeiten.
Eine Befragung des Sozio-oekonomischem Panel (SOEP) von Arbeitnehmer:innen nach ihrem Wunschwochenpensum hat ergeben, dass die Menschen in Deutschland sich im Schnitt eine wöchentliche Arbeitszeit von 32,8 Stunden wünschen. Also eine Vier-Tage-Woche.
Sendung: rbb24 Inforadio, 20.04.2023, 06:00 Uhr
Beitrag von Götz Gringmuth-Dallmer
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