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Quelle: dpa-Bildfunk/Jens Büttner

Fehlende Nachfolger

Unternehmer bangen um ihre Altersvorsorge

Tausende kleine und mittlere Unternehmen in der Region stehen vor einem Generationswechsel. Doch es gibt zu wenig geeignete und willige Nachfolger. Für viele Unternehmer heißt das: Abstriche bei der eigenen Altersvorsorge. Von Jan Pallokat

Wolfgang Greiner (63) hat noch was vor: Er will eine Weltreise machen. Erstmal mit dem eigenen Boot die Donau runter und dann ins Schwarze Meer. "Ich muss nur noch meine Frau überzeugen", lacht der Inhaber einer Pankower Bauschlosserei.

Doch neben seiner Frau bedroht noch ein weiterer Unsicherheitsfaktor den Traum. Seit fünf Jahren sucht er aktiv einen Nachfolger für seine Firma, ohne Erfolg. "Langsam rennt die Zeit immer schneller", sagt er. Das Problem gefährdet nicht nur sein Lebenswerk – er hat die Firma über 30 Jahre aufgebaut; in manchen Jahren unentwegt gearbeitet, an Urlaub war oft nicht zu denken. Mehr noch: Wie für die meisten Selbständigen, die in der Regel nicht gesetzlich rentenversichert sind, ist der Firmenwert auch Baustein der eigenen Altersvorsorge.

"Wir als Selbständige versuchen immer, fürs Alter vorzusorgen. Aber heutzutage weiß man ja nicht, wie alt man wird. Reicht das, was man da angespart hat?" Seine Frau, eine Angestellte, habe noch zweieinhalb Jahre bis zur Rente. "Den Lebensabend wollen wir eigentlich gemeinsam genießen", findet Greiner.

Viel Angebot, wenig Nachfrage

Im Schatten des Metathemas "Fachkräftemangel" braut sich eine gefährliche Mixtur zusammen, die den deutschen Mittelstand auszulichten droht – und altgedienten Unternehmern am Ende ihres Lebensweges unerwünschte, aber doch auch absehbare Probleme bereitet.

1.800 altersbedingte Übernahmen pro Jahr stehen allein in Berlin an, schätzt man in der Senatswirtschaftsverwaltung. Nicht alle dürften gelingen – schon wegen eines Missverhältnisses: Es gibt viel mehr Unternehmer, die einen Nachfolger suchen als solche, die eine Firma übernehmen würden.

In einer Erhebung des Deutschen Industrie- und Handelskammertags von 2022 [www.dihk.de] zeigte sich: In allen Branchen gab es deutlich mehr Beratungsanfragen abgabewilliger Unternehmer als umgekehrt. Besonders stark im Handel, wo auf viereinhalb rentenreife Inhaber nur ein Interessent kam. In der Industrie war das Verhältnis mit 1,5:1 etwas besser.

Teilzeitarbeit aus Unternehmenssicht

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"Da steht im Grunde der ganze Aufbau Ost zur Disposition"

Auch regional gibt es Unterschiede. Holger Wassermann, Unternehmensexperte an der Berliner Berufstätigen-Hochschule FOM, warnt vor einem drohenden Substanzverlust besonders in Brandenburg. "Fast alle Unternehmen in Brandenburg wurden in den 90er Jahren gegründet. Da gibt es aber kaum einen, der die Nachfolge machen will", sagt Wassermann. "Da steht im Grunde der ganze Aufbau Ost zur Disposition, wenn da der letzte Bäcker zu macht."

Neben der Demografie spielen auch aktuelle Trends hinein und verschärfen die Lage. Die Berliner Unternehmensberaterin Ines Manzel etwa beobachtet, dass Pandemie-bedingt viele Unternehmer Abstand gewonnen hätten zur eigenen Unternehmung, loslassen gelernt hätten. Sich selbst für unverzichtbar halten und bis zum letzten aller Tage die Zügel in der Hand halten zu müssen: Das sei nicht mehr so verbreitet.

"Aber auch bei den jungen Menschen verändert sich gerade etwas in der Situation jetzt." Fachkräfte werden gesucht – wozu brauche ich da eine Selbständigkeit? "Vielleicht möchte ich auch gar nicht Verantwortung übernehmen." Viele beobachteten auch sehr genau, was als Unternehmer zu leisten ist, stellt Manzel fest. "Selbständig heißt nämlich 'selbst' und 'ständig'“. Da muss man schon schauen: Wer möchte das gern."

Selbst und ständig? Ohne mich!

Bei Greiner Metallbau im Gewerbegebiet Pankow-Nord lassen sich all diese Trends beispielhaft beobachten. Greiner nämlich tat, was Unternehmer meist tun, wenn sich kein Angehöriger anbietet: Er schaute sich die Mitarbeiter genauer an. Seinem besten Azubi bot er sogar an, die Meisterschulung zu bezahlen. Der schlug das in den Wind, "und einen Monat später hat er mir gekündigt".

Inzwischen bekommt er gar keine Bewerbungen mehr auf die Ausbildung zum Bauschlosser. Greiner stellte zwei Polen an, die er zuvor als Subunternehmer einsetzte, und die nun regelmäßig über die Grenze pendeln. Die beiden sind ganz froh darüber. "Da ich selbst eine Firma in Polen hatte, weiß ich, was das heißt", sagt Rafal Danisiewicz. Eine Übernahme komme deswegen nicht in Frage: "So wie jetzt ist es besser."

Zu tun gibt es genug. Greiner Metallbau kann sich vor Aufträgen kaum retten. Bereits im Februar hatte er genug für das ganze Jahr zusammen, verrät der Chef. Aber wer soll umsetzen? Mangels Personal hilft ein früherer Kollege aus, der eigentlich schon in Rente ist: "Ich wollte nie Chef sein", sagt auch Roger Linke. "Zu viel Verantwortung. Und so hat man nach vier Feierabend, kann nach Hause." Wer aber soll künftig all die Geländer und Außentreppen bauen, wenn künftig keiner mehr Verantwortung übernimmt? "Das ist die große Frage", gibt Linke zu. "Vielleicht die künstliche Intelligenz?"

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Aufgrund des bundesweiten Fachkräftemangels finden auch Brandenburger Betriebe nur schwer Auszubildende. Sie müssen sich daher besonders um Nachwuchs bemühen. In Angermünde bringt eine Speed-Dating-Veranstaltung Azubis und Ausbilder zusammen.

Dickes Auftragsbuch nützt wenig

Beim Thema Fachkräfte aber beißt sich die Katze in den Schwanz. Denn heutzutage nützt das dickste Auftragsbuch wenig, wenn Mitarbeiter fehlen. Sie sind das eigentliche Kapital, das eine Firma auch attraktiv machen können für eine Übernahme.

Wolfgang Greiner hat seine Anstrengungen entsprechend verstärkt. Nach erfolglosen Inseraten in Print und Hörfunk schaltete er – erst widerwillig - eine Recruiting-Agentur ein, die über Social Media geht – mit erstem Erfolg, nämlich sechs Bewerbungen in zwei Wochen.

Womöglich ist am Ende sogar ein geeigneter Nachfolger darunter. Wobei es eigentlich schon fünf nach zwölf ist für Greiner Metallbau aus Pankow, denn eine Firma kann man nicht abgeben wie einen Gebrauchtwagen. Übergaben sind juristisch wie menschlich komplex. Es braucht längere Zeit für Einarbeitung und Begleitung. Die Handelskammern raten, das Thema viele Jahre vor dem geplanten Rentenbeginn anzugehen.

Doch Wolfgang Greiner wäre wohl kein Unternehmer, wenn er nicht schon Plan B austüfteln würde. "Wenn ich wirklich niemanden finde, werde ich hier alles verschrotten müssen, und die Gewerbeimmobilie, die mir gehört, vermieten." Er würde dann eben von der Miete im Alter leben, statt vom Unternehmen.

"Aber letztendlich wäre es schade, wenn hier Schluss ist und eine an sich gesunde Firma nicht weitermacht."

Auf Youtube: Krise frisst Rente - Was Selbständige vor Altersarmut schützt

Beitrag von Jan Pallokat

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