Freiland-Ernte in Brandenburg verzögert sich
Eigentlich sollte die Freiland-Erdbeere schon da sein. Aber es gibt Verzögerungen. Wenn sie dann aber in einigen Tagen kommt, punktet die Beere aus der Mark gegenüber dem spanischen Produkt mit klaren Vorteilen. Und dann ist da noch ein Trend. Von Stefan Ruwoldt
Die Kultur-Erdbeere ist ein süßes Streitobjekt: manche sind gut und manche böse. Den Unterschied zwischen guter und böser Erdbeere macht die Herkunft. Als Klima-Ignorantin etwa liegt sie als Großpackung bei den Sonderangeboten der Discounter. Als korrekt grünes Bioobst wird sie dagegen vor allem am Erdbeerstand auf der Straße und im Bioladen angeboten.
Natürlich ist diese Unterscheidung eine sehr grobe.
Die Brandenburger Freilandkultur-Erdbeere ist gut für den insgesamt schlechten Klimaruf ihrer Art. Für ihr Siegel "regional und bio" braucht diese Freiland-Erdbeere allerdings Sonne und Wärme. Das kühle Frühjahrswetter in diesem Jahr macht es der Brandenburger Freiland-Erdbeere schwer: Die geringen Temperaturen hatten einen Wachstumverzug zur Folge. Da half es auch nicht, dass der Regen stimmte, und er den Erdbeer-Durst bislang fast allein löschen konnte.
Die Brandenburger Freiland-Erdbeere ist spät dran, weil lange die Wärme fehlte, aber sie kommt: statt Anfang Mai nun eben Mitte Mai.
Die aus Spanien stammenden importierten Früchte sind meist ökologische Nieten. So jedenfalls rechnen es etwa "Ökotest" [oekotest.de] oder die Berliner Produkt-Aktivisten der Plattform "Codecheck" [codecheck.info] vor: "Bei einem Kilogramm frischer Erdbeeren aus der Region fallen 0,3 Kilogramm CO2-Äquivalent an." Zwar komme die gleiche Menge der in Spanien geernteten Erdbeeren auf nur 100 Gramm mehr, also auf 0,4 Kilogramm CO2-Äquivalent pro Erdbeer-Kilo, verhagelt werde diese Ökobilanz der hier angebotenen und aus Spanien stammenden Erdbeere aber vom Transport, denn der erhöhe das CO2-Äquivalent auf 0,8.
Die meisten der in Brandenburg verkauften Erdbeeren stammen noch immer aus Spanien, und zwar aus einer Region im Südwesten des Landes. Dort standen einst riesige Wälder, in denen vor allem Pinien wuchsen, die mit Wassermangel gut umgehen können. Jetzt aber stehen auf Tausenden Hektar Erdbeerfelder und Folienzelte und verbrauchen das in der Region sehr rare Wasser.
Hinzu kommen die oft sehr geringen Löhne für die Ernte-Arbeiterinnen und -Arbeiter. Und die Ökobilanz der Spanien-Erdbeere verhageln die nicht selten ebenfalls auch in den Erdbeeren nachweisbaren Pestizid-Rückstände, weil die Felder oft noch immer sehr intensiv gespritzt werden.
Insgesamt allerdings ist die Menge der in Deutschland geernteten Erdbeeren - von Jahr zu Jahr ein wenig schwankend - ähnlich hoch wie die Menge der importierten Erdbeeren: 131.000 Tonnen Erdbeeren wurden 2021 in Deutschland geerntet [de.statista.com], dazu wurden rund 131.330 Tonnen Erdbeeren importiert. (Statistisches Bundesamt, Stand: 2021) Dabei stammten deutschlandweit rund 98.000 Tonnen aus dem Freiland und rund 34.000 Tonnen aus dem Erdbeeranbau unter Glas.
Wenn also Erdbeere - dann eine von hier und dann eine mit Regenwasser gezogene, biologisch mit Kompost aus eigenem Anbau gedüngte und mit dem Fahrrad abgeholte Erdbeere. Die nachhaltigste Erdbeere kommt dabei natürlich aus dem eigenen Garten.
Die Haupterntezeit der Erdbeere beginnt im Mai und dauert bis Ende Juli.
Genau das betont auch Sylvia Schießer, Pressesprecherin beim Gartenbauverband Berlin-Brandenburg: die Ökobilanz der in Brandenburg gewachsenen Erdbeere. Schießer betont auch, dass die hier angebauten Erdbeeren nur dann auch hier wachsen und als vermarktbare Produkte reifen können, wenn die Erdbeer-Bauern investieren. Grob ist der Trend, so weisen es die Statistiken aus, dass die Anbaufläche für Erdbeeren in Deutschland und auch in Brandenburg im vergangenen Jahrzehnt gewachsen ist, in den letzten fünf, sechs Jahren aber schrittweise wieder zurückgegangen ist - auch in Brandenburg.
Eine der Erklärungen ist für Sylvia Schießer, dass für den wirtschaftlichen Anbau in der Region aus Gelder nötig seien, die eben nicht alle aufbringen könnten: "Ausreichend Wasser, besseren Frostschutz im Frühjahr, Schutzabdeckungen, der Einsatz von Nützlingen, etwa Hummeln - all das ist auch mit Investitionen verbunden." Die Logik des Erdbeergeschäfts für regionale Produzenten sei: "Es werden weniger, die anbauen, denn wer existieren will, muss expandieren und diversifizieren. So bekommt das Geschäft die nötige Grundlage."
Die größten Erdbeer-Anbauregionen Deutschlands liegen in Nordrhein-Westfalen, Niedersachsen und Baden-Württemberg. Brandenburg gehört eher zu den Schlusslichtern. In Zahlen heißt das: Erbeerbetriebe in Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen bauen auf etwa 2.000 Hektar Erdbeeren an und ernten je etwa 30.000 Tonnen, in Brandenburg auf etwa 200 Hektar mit rund 2.000 Tonnen Ertrag nach Angaben des Statistischen Bundesamtes [de.statista.com]. Dabei weichen die Angaben von Verbänden und Ministerien ein wenig voneinander ab aufgrund der unterschiedlichen Einbeziehung verschiedener Anbaumethoden und der Größe der anbauenden Betriebe.
Dass sich der Anteil der heimischen Erdbeere bei Anbau und Absatz perspektivisch erhöhe oder zumindest stabilisiere, dafür könnte auch ein besseres Preisbewusstsein der Verbraucher sorgen, sagt Sylvia Schießer. Die Verbraucher müssten sich klar machen, dass die Erdbeere aus Spanien Tausende Kilometer unterwegs sei und darum natürlich früher geerntet werden müsse: "Vitamingehalt und Süße - also auch der Geschmack - leiden darunter."
Schießer erinnert außerdem daran, dass in Brandenburg höhere Löhne gezahlt werden als in Spanien. Die Brandenburger Erdbeere sei genau darum auch teurer. Aber sie sei es eben auch wert, sagt Schießer und schließt mit einer Beschwichtigung an alle ungeduldig Wartenden: "Hey Leute, ja, es wird Erdbeeren aus Brandenburg geben. Ausreichend und gut - aber ein paar Tage später, weil sich bei der Freiland-Erdbeere wegen des Wetters auch mal was verschieben kann."
Beitrag von Stefan Ruwoldt
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