Wohnungsmarkt in Berlin
Preiswerte Wohnungen gibt es fast nur noch als Tauschangebote. Dahinter stecken zwei Anbieter von Tauschbörsen. Eigentlich eine gute Sache, doch ein Wohnungstausch ist mit Hürden verbunden. Von Frank Drescher
So ähnlich wie Olaf geht es vielen: Er lebt inzwischen allein, und seine dreieinhalb Zimmer in Neukölln sind ihm jetzt zu groß. Aber weil er einen alten Mietvertrag hat, zahlt er keine 500 Euro warm. Gern würde er in seinem angestammten Kiez bleiben.
Doch für eine 2-Zimmerwohnung in der Gegend würde er locker das Doppelte loswerden. Dabei suchen junge Familien händeringend nach Wohnungen wie seiner.
Die scheinbar naheliegende Lösung wäre: Olaf tauscht seine Wohnung. Theoretisch ist es möglich, dass er die Rechte und Pflichten aus dem Mietvertrag von jemand anderem übernimmt und umgekehrt. Allerdings muss er dann nicht nur einen Tauschpartner finden, sondern auch sein und dessen Vermieter müssen dem Tausch zustimmen.
Und das ist der springende Punkt, erklärt Sebastian Bartels vom Berliner Mieterverein: "Es besteht überhaupt keine Pflicht des Vermieters, einen vorgeschlagenen Nachmieter auch anzunehmen. Das ist eine Fehlvorstellung vieler Mieter, die denken, wenn ich jetzt drei Nachmieter vorschlage, muss einer genommen werden. Das ist nicht so."
Zudem ist es für den Vermieter lukrativer, einen neuen Mietvertrag abzuschließen, bei dem er eine höhere Miete ansetzen kann als bei der Umschreibung eines Bestandvertrags. Deswegen würde sich Olafs Vermieter auf einen Wohnungstausch auch nicht einlassen, vermutet er: "Denn die wollen die Wohnung sanieren, weil sie dann hinterher 1.000 Euro kalt dafür nehmen können."
Trotzdem sind Portale wie Immobilienscout24 oder Immowelt voller Angebote für Wohnungstausche. Erst bei näherem Hinsehen fällt auf: Hinter nahezu allen Angeboten für günstige Wohnungen handelt es sich nicht etwa um Inserate von Privatpersonen, sondern um Inserate zweier Tauschbörsen-Anbieter, wohnungsswap.de und tauschwohnung.com.
Beide vermarkten dort Tauschgesuche aus ihren eigenen Datenbanken weiter. Wer eine der bei Immoscout oder Immowelt angebotenen Wohnungen anklickt, wird zu den Tauschbörsen weitergeleitet. Dort ist eine Registrierung erforderlich, außerdem muss man die eigene Wohnung zum Tausch anbieten und Anschrift, Etage, Wohnungsgröße und derzeitige Miete angeben.
Das Angebot von Wohnungsswap wirkt widersprüchlich: Auf der Startseite preist der Anbieter seinen Dienst als gratis an, doch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen enthalten umfangreiche Regelungen zu Zahlungsbedingungen. "Es ist zur Zeit kostenlos, eine Anzeige bei uns aufzugeben. Allerdings werden wir in Zukunft eine Premium-Version erstellen, für die Sie bezahlen müssen, um Zugriff auf den gesamten Service zu erhalten", erklärt dazu der Kundenservice von Swapwohnung. Auf einen weitergehenden Fragenkatalog erhält rbb|24 keine Antwort.
Bei Tauschwohnung ist die Nutzung der Tauschbörse in bestimmten Städten kostenpflichtig. In Berlin kostet sie je nach Dauer des Abos zwischen 8 und 20 Euro, in Potsdam zwischen 4,80 und 10 Euro. Im übrigen Brandenburg hingegen ist der Dienst kostenlos. John Weinert, Geschäftsführer von Tauschwohnung.com, erklärt im Gespräch mit rbb|24, dass Tauschwillige auf seiner Plattform, die bundesweit sowie in Teilen der Schweiz aktiv ist, durchschnittlich nach vier Monaten einen Tauschpartner finden würden.
Allerdings will Tauschwohnung.com neben den Abogebühren tauschwilliger Wohnungssuchender noch eine weitere Einnahmequelle erschließen: Den Betrieb von Wohnungstauschbörsen im Auftrag von Städten. Für Freiburg im Breisgau und Düsseldorf betreibt die Firma schon solche Tauschbörsen, sie sind für die Tauschwilligen kostenlos. 329 Mal haben in Düsseldorf seit November 2020 Tauschwillige ein Inserat auf der Plattform geschaltet. Dabei ist laut Stadtverwaltung bisher nur ein Tausch zustandegekommen.
In Freiburg gibt es das Angebot seit Juni 2021. Dort unterstützt die Stadt den Wohnungstausch mit 2.000 Euro für die Tauschpartei, die sich verkleinert. Bei 927 Tauschgesuchen sind dort 26 erfolgreiche Tauschvorgänge bekannt geworden. Es könnten aber auch mehr sein, erklärt die Stadtverwaltung; sie erfahre nicht unbedingt davon, wenn ein Tausch zustandekomme.
Auch in Berlin gibt es eine Wohnungstauschbörse, aber nur für Mieterinnen und Mietern der sechs landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften. Von 17.000 Tauschangebote seit 2018 waren 1.000 erfolgreich. Das ist im Vergleich mit Düsseldorf und Freiburg die höchste Erfolgsquote. Warum aber auch in Berlin die Mehrzahl der Tauschgesuche erfolglos bleibt, liegt laut dem Verband der Berlin-Brandenburgischen Wohnungsunternehmen (BBU) an einem Missverhältnis: Auf einen Haushalt, der sich verkleinern will, kämen fünf, die sich vergrößern wollen.
Bei Tauschwohnung.com gebe es auch so ein Missverhältnis, räumt John Weinert ein, wenngleich es kleiner sei. "Wir schauen, wie wir unser digitales Angebot auch analog zugänglich machen können", sagt er. Er vermutet, dass vor allem wenig digital-affine Ältere in zu großen Wohnungen leben, aber an einem Tausch interessiert sein könnten und dazu erst einmal von der Möglichkeit erfahren müssten.
Seit Jahrzehnten steigt in Deutschland die verfügbare Wohnfläche pro Kopf, und es gibt immer mehr Ein-Personen-Haushalte, von denen etliche wie Olaf in zu großen Wohnungen leben. Angesichts einbrechender Neubauzahlen sagt Sebastian Bartels vom Berliner Mieterverein: "Tauschbörsen können eine größere Verteilungsgerechtigkeit herbeiführen."
Dazu müsste es für die interessierten Mietparteien allerdings einen Rechtsanspruch geben. In Österreich gibt es den schon. In § 13 des österreichischen Mietrechtsgesetzes ist detailliert geregelt, unter welchen Voraussetzungen ein Vermieter einem Wohnungstausch zustimmen muss.
Sendung: rbb24 Abendschau, 23.07.23, 19:30 Uhr
Beitrag von Frank Drescher
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