CO2-Kompensation
Günstige Flüge locken, im Ausland Urlaub zu machen. Die entstehenden Emissionen kann man auch dort kompensieren – dank eines Kreuzberger Unternehmens. Es geht aber auch in Brandenburg. Doch: Fliegen bleibt problematisch. Von Julian von Bülow
Zum BER, dann nach Barcelona und zurück: circa 0,87 Tonnen. Nach New York: 3,8 Tonnen. Nach Sydney: sogar 12,7 Tonnen. Etwa so viel CO2 setzt ein Berliner oder eine Brandenburgerin frei, wenn er oder sie sich auf Flugreise begibt.
Pro Kopf lagen die Deutschen im vergangenen Jahr bei 10,8 Tonnen CO2. Laut Umweltbundesamt würde jeder Deutsche klimaneutral leben, wenn er weniger als eine Tonne pro Jahr ausstoßen würde.
Die Wissenschaft ist sich einig: Für das Klima ist es am Besten, wenn Treibhausgase gar nicht erst in die Luft geblasen werden. Doch nicht jeder Flug ist ersetzbar. Menschen wollen etwa ihre Familie sehen oder schlicht auf ihre Wunschreise nicht verzichten. Eine Möglichkeit ist dann, die schädliche Klimawirkung zu kompensieren. Sowohl in Berlin als auch Brandenburg bieten Organisationen dazu eine Möglichkeit.
Das Kreuzberger Unternehmen Atmosfair ist vor allem für seinen Flugrechner bekannt, mit dem man ermitteln kann, wieviel Treibhausgas die eigene Reise ausstößt. Dabei werden etwa Flughöhe, Kerosinverbrauch oder auch Flugzeugtyp berücksichtigt. Die Emissionen kann man dann mit einer Spende kompensieren – die Projekte befinden sich jedoch in anderen Ländern.
So werden etwa moderne Kochöfen in Nigeria, Lesotho, Ruanda und Indien finanziert. Dadurch sinke der Holzverbrauch, so dass für das Klima wichtige Wälder nicht abgeholzt würden, sagt Atmosfair. Auch fördere man mit der eigenen Spende Solaranlagen, etwa im Senegal oder auf Madagaskar. Der Vorteil von Projekten in Ländern des globalen Südens liege darin, dass pro investiertem Euro dort bis zu zehn Mal mehr CO2 als in der EU eingespart werden könne.
Eine Tonne CO2 zu kompensieren kostet rund 23 Euro. Um die Emissionen der Reise nach Barcelona und zurück zu begleichen, braucht es etwa 21 Euro, nach New York 87 Euro und nach Sydney 293 Euro.
In Brandenburg stehen nicht Projekte in anderen Ländern im Fokus, sondern die eigenen ehemaligen Moorflächen. In Mooren sanken Pflanzen im Wasser zu Boden, mit der Zeit entwickelte sich daraus Torf – eine fruchtbare, kohlenstoffreiche Schicht. Jahrhundertelang legten Menschen die Moore mit Gräben und Stauwerken trocken, um an den Torf zu kommen und die Flächen zu beackern. Doch damit beginnt auch die Zersetzung des Torfs und das Freiwerden von Treibhausgasen.
Das soll das Projekt "Moor Futures" verhindern. Hierbei werden nicht die Emissionen eines Fluges automatisch berechnet. Sondern Forscherinnen und Forscher ermitteln, welche Menge an Treibhausgasen im Torf eines ehemaligen Moores gebunden ist und ohne Vernässung freigesetzt würde. Diese Menge wird dann als CO2-Zertifikate zum Verkauf angeboten, um Kosten für die Vernässung zu finanzieren. Reisende müssen dann selbst mit einem Rechner wie dem von Atmosfair berechnen, wie viele Zertifikate sie dann kaufen sollten, um die Flugreise zu kompensieren.
Das Geld wird dann dafür genutzt, ehemalige Moore wieder zu vernässen. So wurde 2021 die Rehwiese bei Freienhagen (Landkreis Oberhavel) zwischen Nassenheide und Liebenwalde wieder restauriert und nach eigenen Angaben verhindert, dass 6.744 Tonnen CO2 in die Atmosphäre gelangt.
Die Herausforderung besteht darin, Flächen zu finden, in denen noch genügend Torf steckt, der so liegt, dass er mit einem angehobenen Wasserstand durchströmt werden kann. Und dann müssen die Landbesitzer noch mitmachen. "Das sind freiwillige Projekte. Wenn wir uns mit den Leuten vor Ort nicht einig werden, dann gibt es eben auch kein Projekt", sagt Martin Szaramowicz von der Flächenagentur Brandenburg. Sie soll dafür sorgen, dass die ehemaligen Moore in Brandenburg wieder nass werden.
Neue Zertifikate zum Ende des Jahres
"Es gibt einige sehr vielversprechende Moorflächen, auf denen wir aktuell Projekte entwickeln. Die ersten Untersuchungen sind dort bereits in Gang gebracht und die Auswertung, die eine Einschätzung der Fläche und des Wiedervernässungs-Potenzials ermöglichen soll, läuft auf Hochtouren", teilt die Agentur auf Anfrage mit. Daher sei man zuversichtlich, bis Ende des Jahres neue Zertifikate anbieten zu können. Bis dahin kann man etwa Zertifikate für das Königmoor in Schleswig-Holstein erwerben.
So kleinteilig wie bei Atmosfair kann man die Emissionen hier allerdings nicht kompensieren - man kann nur für je eine Tonne CO2 bezahlen. Die kostet derzeit 74 Euro. Reist man vom BER nach Barcelona und zurück, würden damit die 74 Euro fällig, nach New York 296 Euro und Sydney schlägt dann mit 962 Euro zu Buche.
Die Kompensation in Brandenburg ist damit deutlich teurer als bei Atmosfair (circa 23 Euro pro Tonne). Dafür ist der Erfolg sicht- und manchmal auch spazierbar. Ganz ohne Flugreise.
Sendung: rbb24 Inforadio, 01.07.2023, 16:55 Uhr
Beitrag von Julian von Bülow
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