Berliner Start-up aufgekauft
Deutschlands größte Auskunftei Schufa will mehr Transparenz zeigen. Teil dieser Strategie ist eine App. Dort soll der Schufa-Score durchgehend kostenlos angezeigt werden. Verbraucherschützer sehen das kritisch.
Jeder kennt sie: die Schufa-Auskunft. An dem Dokument von Deutschlands größter Auskunftei führt bei der Wohnungssuche, Kreditbeantragungen oder Ratenkäufen kaum ein Weg vorbei. Für manche mag es nur eine lästige Formsache sein, andere warten bang auf das Urteil der Auskunftei. Den eigenen Schufa-Score kennt kaum jemand ad hoc.
Das soll sich nun ändern: Mit einer App namens "Bonify", in der Nutzerinnen und Nutzer nach Registrierung permanent und kostenlos ihren sogenannten "Schufa-Basisscore" sehen können. Der ist zwar kein Ersatz für die Schufa-Auskunft (das Urkunden-ähnliche Dokument muss man weiterhin bestellen), die App verrät einem aber immerhin, wie die Auskunft ausfallen wird, und erspart böse Überraschungen. Der Score solle quartalsweise aktualisiert werden, verspricht die Schufa.
Der Service wurde diese Woche auf der Homepage von "Bonify" gestartet, innerhalb der nächsten Wochen soll auch die Einführung in der App "Bonify Finanzmanager" folgen, wie die Schufa mitteilte. Um den Basisscore sehen zu können, müssen Nutzerinnen und Nutzer sich mit dem Personalausweis oder ihrem Bankkonto registrieren.
Die App "Bonify" wird vom Berliner Fintech-Unternehmen Forteil GmbH betrieben, welches die Schufa vor rund einem halben Jahr aufkaufte. Bei "Bonify" werden bislang neben dem Bonitäts-Score eines Konkurrenten der Schufa auch weitere Serviceleistungen angeboten. Wer sich mit seinem Bankkonto registriert, kann - so das Werbeversprechen - seine Finanzdaten analysieren lassen; Das Ausgabeverhalten, die Ersparnisse und das Gehalt, alles wird analysiert und mit Optimierungsvorschlägen versehen. Für 90 Tage hat "Bonify" dann Zugriff auf die Kontoaktivitäten.
Verbraucherschützer blicken nun mit Sorge auf diese Verpflechtung. Die Befürchtung: Die ohnehin schon übermächtige Auskunftei Schufa könnte künftig "Bonify"-Kunden dazu bringen wollen, ihre Bankdaten auch der Schufa offenzulegen und mit diesen zusätzlichen Finanzdaten noch mächtiger werden.
Laut der Schufa sollen die Daten der beiden verknüpften Unternehmen allerdings nicht automatisch ausgetauscht werden. Obwohl der Schufa-Basi-Score in der "Bonify"-App angezeigt wird, soll die Schufa nicht automatisch Zugriff auf die Bankdaten von Nutzer:innen haben, wie es vom Unternehmen heißt. Auf Anfrage teilt die Schufa mit, man halte sich selbstverständlich an den Datenschutz. Schufa und "Bonify" seien rechtlich eigenständige Unternehmen, die auch so agieren würden. "Schufa und Bonify können nicht auf die Daten des jeweils anderen zugreifen", schreibt eine Sprecherin.
Für Felix Flosbach von der Verbraucherschutzzentrale in Nordrhein-Westfalen überwiegen dennoch die Risiken bei der Nutzung des neuen Dienstes. Zumal der Nutzen, also die Möglichkeit, seinen Schufa-Score kostenlos zu erfragen, nicht exklusiv ist: Das geht längst und kann ein Mal jährlich kostenlos bei der Auskunftei beantragt werden. Dann kommt die Auskunft nur per Post und nicht quasi live aufs Smartphone.
"Mit der App wird dieses Gimmick hingelegt, dass man seinen Schufa-Basisscore anschauen kann, damit die Leute die App nutzen", sagt Flosbach. Bei der Registrierung würden vermutlich viele Menschen das Bankkonto angeben, weil das Registrierungsverfahren per Personalausweis erfahrungsgemäß noch selten genutzt werde. Dann dürfte "Bonify" eben die Kontoumsätze auswerten. "Das heißt, um diesen Basisscore abzurufen, den man eh ein Mal im Jahr kostenlos abrufen kann bei der Schufa, ohne diese ganzen hochsensiblen Daten bereit zu stellen, gewähren wir jetzt einen Zugriff auf diese Daten", sagt Flosbach.Er befürchtet zudemn, mit dem Score sollten die Nutzer zunächst an die App gewöhnt werden, als Voraussetzungen für künftige Veränderungen an den Nutzungsbedingungen.
Die Schufa teilt auf Anfrage mit, man biete die App an, um Verbraucherinnen und Verbrauchern mehr Transparenz und Kontrolle zu geben. "Noch im Laufe des Jahres sollen auch die bei der Schufa gespeicherten Daten, die zur Ermittlung der Bonität wichtig sind, über Bonify verfügbar sein", schreibt eine Sprecherin. Die Einsicht in den Score solle auch künftig kostenfrei bleiben.
Die Berliner Beauftragte für Datenschutz ist zudem bereits seit März in die Integration des Schufa-Scores in die "Bonify"-App involviert. Die Behörde habe sich mit den Unternehmen bereits getroffen und prüfe die App seit Mai, teilt eine Sprecherin auf Anfrage mit. Der Datenaustausch zwischen einer Auskunftei, wie sie die Schufa sei, und einem Finanzdienstleister wie "Bonify" müsse grundsätzlich auf einer Rechtsgrundlage beruhen.
"Ob die Übermittlung personenbezogene Daten von Bonify an die Schufa datenschutzkonform ist, wird entscheidend von der konkreten Ausgestaltung der Einwilligungserklärung abhängen, die wir zur weiteren Prüfung angefordert haben", schreibt die Sprecherin dem rbb. Es geben strenge Vorgaben in der Datenschutzverordnung, insbesondere in Bezug auf persönliche Daten wie Arztbesuche oder Parteimitgliedschaften.
Die Schufa teilt auf Anfrage mit, die Unternehmen sollen auch in Zukunft nicht verschmolzen werden. "Bonify" biete einen geschützten Raum.
Insbesondere, da die Schufa bereits angekündigt hat, an Erweiterungen für "Bonify" zu arbeiten. Schon im kommenden Jahr könnte die App zu einem Daten-Cockpit werden, mit dem Menschen die Auswirkungen bestimmter Entscheidungen auf ihren Basisscore simulieren könnten.
Der Verein "Finanzwende" hatte bereits Anfang Juni eine Petition gegen die Pläne der Schufa gestartet. Er kritisiert, dass das Unternehmen unter dem Vorwand einer Transparenzoffensive Anreize schaffe, ihm weitere Informationen bereitzustellen. Die Schufa setze Menschen mit einem derartigen Cockpit "unter Druck", ihren Score mit mehr Informationen verbessern zu wollen.
Auch die Schuldnerberatung Berlin sieht die Pläne und die neue App der Schufa kritisch. Transparenz schaffe sie nicht. "Seit jeher behandelt die Schufa ihre Berechnung des Scores als Geschäftsgeheimnis. De facto wird mit der neuen App Bonify gezeigt werden, wie Ihre Bonität aktuell ist. Nichtsdestotrotz wird weder von der Schufa noch der App offengelegt, in welcher Gewichtung die Daten zu Verträgen usw. berücksichtigt werden", sagt Anh-Van Tran, juristische Mitarbeiterin der Landesarbeitsgemeinschaft Schuldner- und Insolvenzberatung.
Für die ist das Thema auch deshalb interessant, weil die "Bonify"-App unter anderem auch eine Art Kreditvermarktung anbietet. Maßgeschneidert auf die Anforderungen der Nutzer und auch - so stand es zumindest schon seit Längerem auf der Homepage - für Menschen, deren Schufa-Score so niedrig ist, dass sie eigentlich keinen Kredit bekommen würden.
Während den Nutzerinnen und Nutzern in einem Teil Teil der App also künftig der Schufa Score verraten wird, bietet ein anderer (getrennter) Teil der gleichen App, Kredite für die Menschen an, deren Schufa-Score eigentlich zu niedrig für einen klassischen Kredit ist. Verboten sei das nicht, ungewöhnlich aber schon, sagt auch Anh-Van Tran.
"Da stellt sich nun die Frage, ob die individuelle 'Maßschneiderung' so vorteilhaft ist.", sagt Anh-Van Tran. Sie befürchtet, dass Menschen mit einem niedrigen Score Angebote für Kredite mit einem hohen Jahreszinssatz angezeigt werden könnten. Solche hochverzinste Kredite könnten Menschen, die ohnehin schon einen niedrigen Score hätten, noch weiter in die Überschuldung treiben. Sie rät deshalb von dieser Funktion ab und stattdessen dazu, Beratungsangebote wie die der Schuldnerberatung wahrzunehmen.
Sendung: rbb24 Inforadio, 19.07.2023, 16:30 Uhr
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