Unternehmen in Berlin und Brandenburg haben es immer schwerer, Auszubildende zu finden. Also werden einige kreativ: Sie suchen mit Agenturen in Südostasien nach den Industriemechanikern und Bäckerinnen von morgen. Von Carl Winterhagen
Konditoreien, sagt Clairine Feodora, gebe es in ihrem Heimatland Indonesien nur ganz wenige. "Am meisten essen wir Reis", erzählt sie. Umso bemerkenswerter ist es, dass sie nun hier steht, hinter der Theke der Wiener Conditorei im Berliner Westend. Vor ihr in der Auslage reiht sich eine klebrig-süße Verführung an die andere: Aprikosentarte, Apfelstreuselkuchen und Erdbeerschnittchen, die kann Clairine Feodora besonders empfehlen.
Die junge Indonesierin macht in der Wiener Conditorei seit März 2023 eine Ausbildung zur Konditoreifachverkäuferin. Sie ist in der Wiener Conditorei nicht allein. In diesem Jahr haben zehn junge Menschen aus Südostasien in dem Betrieb von Geschäftsführer Maximilian Jansen eine Ausbildung begonnen. Sie lösen für Jansen ein großes Problem, denn in Deutschland findet er einfach keine Auszubildenden. "Die Zahl der Bewerber sinkt jedes Jahr und viele brechen die Ausbildung nach kurzer Zeit wieder ab, weil sie die Arbeit zu sehr belastet", sagt der Geschäftsführer.
Ausbildungsplätze können nicht besetzt werden - diese Klage war in den letzten Jahren oft zu hören. Dabei beginnen einer Studie zufolge immer mehr Abiturienten eine Lehre. Für andere junge Menschen sieht es allerdings schlechter aus.
Bis zu 3.000 Euro Vermittlungsgebühr
Also wendet er sich im vergangenen Jahr an eine Agentur. Sie verdient Geld damit, Auszubildende für deutsche Unternehmen in Vietnam, Malaysia und Indonesien zu rekrutieren. Dazu sprechen Mitarbeiter in den Ländern gezielt Schülerinnen und Schüler an, in der Hoffnung, sie für eine Ausbildung in Deutschland zu begeistern.
Ron Schenke, der die Agentur 2015 gegründet hat, hat den Fachkräftemangel zu seinem Geschäftsmodell gemacht. Noch in ihrem Heimatland vermitteln die Mitarbeiter der Agentur den Schulabgängern erste Deutschkenntnisse – je nach angestrebter Ausbildung mit einem anderen Fokus. Per Videocall lernen sich Unternehmen und Bewerber dann näher kennen. Passt es, zahlen die Unternehmen zwischen zwei- und dreitausend Euro pro erfolgreich vermitteltem Azubi.
Für die Wiener Conditorei ein notwendiges Übel. Trotz der Kosten und der sprachlichen wie kulturellen Hürden zieht Geschäftsführer Maximilian Jansen eine positive Zwischenbilanz: „Wir haben weniger Herausforderungen damit gehabt, die jungen Menschen aus dem Ausland, die arbeiten möchten, anzulernen, als junge Menschen von hier zum Arbeiten zu motivieren.“
An Motivation mangelt es Clairine Feodora auf keinen Fall: Obwohl es in Indonesien eher unüblich ist, habe sie sich schon als Kind für das Backen begeistert, sagt sie, und möchte eigentlich einmal Konditorin werden. Sie habe gehofft, in Deutschland ihr Hobby zum Beruf machen zu können. Seit März 2023 ist sie nun angehende Konditoreifachverkäuferin. Zwar vermisst sie ihre Familie und um 3 Uhr morgens aufzustehen, sei wirklich anstrengend, „"ber die Arbeit macht Spaß", sagt sie.
Putzkraft, Kellnerin, Wachmann: In sogenannten Helferberufen finden oft Geflüchtete Arbeit. Fehlende Sprachkenntnisse oder Abschlüsse bremsen den Einstieg in gut bezahlte Jobs aus. Doch die Zahl der Fachkräfte unter den Zuwanderern steigt. Von G. Gringmuth-Dallmer und S. Schneider
Der Bedarf nimmt zu
Dass inzwischen nicht mehr nur qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland angeworben werden, sondern auch solche, die es erst werden wollen, sei ein zunehmendes Phänomen, sagt Marcel Schmutzler von der Zentralen Auslands- und Vermittlungsstelle (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit.
Die Arbeitsagentur betreibt seit 2019 selbst Pilotprogramme, über die Auszubildende aus Vietnam, Südamerika oder Nordafrika vermittelt werden. Zunächst ging es dabei vor allem um Auszubildende für die Pflege. Doch mittlerweile steigt der Bedarf auch in anderen Branchen, darüber hinaus, sagt Schmutzler.
Das bestätigt auch Ron Schenke: "Wir merken das daran, dass sich auch Branchen bei uns melden, die sonst genügend Auszubildende finden und einstellen konnten: Vom Zahnmedizinischen Fachangestellten bis zur Bürokauffrau."
An allen Ecken und Enden in der Wirtschaft und im Handwerk fehlt es an qualifizierten Fachkräften. Firmen können schon teilweise keinen neuen Aufträge annehmen, weil die Leute fehlen. Der Landkreis Uckermarck denkt über eine Ausbildungspflicht nach.
Lösung für den Fachkräftemangel?
Sind die Auszubildenden erst einmal gefunden, gibt es noch andere Hürden zu überwinden. Schenke berichtet, dass es immer wieder Probleme mit den Visa der Bewerber gebe, weil die Ausländerbehörden mit der Bearbeitung nicht hinterherkämen.
Das müsste sich wahrscheinlich bald ändern, wenn die Entwicklung anhält und noch mehr junge Menschen als Auszubildende rekrutiert werden. Und davon geht Marcel Schmutzler von der ZAV geht davon aus, denn er sagt: "Das kann ein probates Mittel sein, um den Fachkräftemangel in Deutschland abzuschwächen." In der Wiener Conditorei hoffen sie in dieser Hinsicht auf ihre Auszubildenden rund um Clairine Feodora. Doch die ist sich noch nicht ganz sicher, ob sie längerfristig in Deutschland bleiben möchte.