Büromarkt in Berlin
Der Markt für Büroflächen ist in Berlin von Gegensätzen geprägt. Durch das Arbeiten im Homeoffice sind viele Firmen deutlich leerer, doch in Spitzenlagen steigen die Preise. Nachhaltigkeitsregeln tragen wesentlich zu dieser Entwicklung bei. Von Johannes Frewel
Zu Hause arbeiten statt in der Firma - in fast zwei von drei Unternehmen gehört Homeoffice inzwischen zum Alltag. In größeren Firmen sind es nach einer Umfrage des Ifo-Instituts München gar 94 Prozent. Zahlreiche Beschäftigte verbringen demnach jeden Monat zwischen 5,5 bis 7,4 Arbeitstage nicht mehr im Büro.
Das hat Folgen: Viele Büros sind zwar noch langfristig vermietet, stehen inzwischen jedoch zu einem Gutteil leer. Experten schätzen, mehrere Hunderttausend Quadratmeter ungenutzter Büroflächen könnten auf den Markt drängen, sobald die Mietverträge auslaufen. Trotzdem werden noch weitere Büros gebaut.
Die Vermietung von großen Büroflächen ist im ersten Halbjahr ins Stocken geraten. Auch, weil frisches Risikokapital für Start-ups inzwischen Mangelware ist. Teils hatte die Start-up-Szene große Büroflächen spekulativ angemietet, damit die auch für starkes Wachstum in einiger Zeit reichten. Diese Mieter sind rarer geworden. Start-ups werden seit der Zinswende nicht mehr von Risikokapital überschwemmt.
Steigt das Büro-Angebot, sinken die Preise. Steigt die Nachfrage, ziehen die Mietpreise an. So einfach funktioniert der Büroflächenmarkt in der Regel. Komplizierter ist es in Berlin. Hier kosten Büroflächen innerhalb des S-Bahn-Rings leicht etwa doppelt so viel wie außerhalb. Dazu kommt, dass etwa 86 Prozent der Bürohäuser zwischen 1870 und 2010 gebaut wurden. Sie sind energetisch veraltet und heute weniger gefragt als moderne energieeffiziente Bürogebäude.
Das spiegelt sich im Preis, wie Kemal Zeyveli, Regionalmanager des internationalen Gewerbeimmobilien-Dienstleisters Colliers, beobachtet. Es gebe Knappheit bei energieeffizienten Bürogebäuden in gefragter Lage. Er erwarte, dass die Spitzenmieten in dieser Nische deshalb steigen werden. "Alte Gebäude in schlechten Lagen werden deutlich stärker abgestraft." Der Preisabstand zwischen Büros in sehr guten Lagen und solchen außerhalb des S-Bahn-Rings wachse.
Angekurbelt wird dieser Trend durch EU-Nachhaltigkeitsregeln zur Environmental Social Governance (ESG). Größere Unternehmen müssen jährlich offenlegen, was sie mit Blick auf ESG-Nachhaltigkeitskriterien fürs klimaneutralere Wirtschaften tun. Etwa beim Anmieten ihrer Büros. Der Nachweis ist wichtig, wenn Unternehmen Geld aus nachhaltig orientierten Finanzierungen wollen. Das verstärkt den Run auf nagelneue Bürogebäude mit dem modernsten ESG-Zertifikat. In Berlin sind das zwei Prozent des Bestands, ein weiteres Prozent steckt noch in der Zertifizierung.
Die ESG-Kriterien veränderten den Markt, so Zeyveli, zahlreiche Bestandsgebäude fielen bei der Suche nach Büroflächen raus. "Man konzentriert sich dann nur noch auf die Neubauten und auf die sehr, sehr guten Lagen."
Außerhalb der Berliner Ringbahn werden Büromieten bis gut 24 Euro je Quadratmeter aufgerufen. In der schmalen Nische besonders gefragter nachhaltiger Innenstadtbüros könnte die Spitzenmiete bis 2026 Prognosen zufolge hingegen 50 Euro erreichen.
Befeuert wird dieser Preistrend von den Folgen des Zinsanstiegs. Investitionen in neue Büros, die in den nächsten Jahren auf den Markt kommen könnten, sind nach der Zinswende um rund 90 Prozent eingebrochen - in etwa auf das Niveau von 2012, dem Tiefpunkt der Neubauinvestitionen nach der Finanzkrise.
Die Bruttospitzenrendite für Büros lag Ende März bei vier Prozent. Investoren können ihr Geld anderswo attraktiver anlegen. Derzeit stehen alle Signale auf Talfahrt, Investoren verabschieden sich. "Im Moment werden Projekte, die angefangen wurden, fertig gestellt", registriert Gewerbeimmobilien-Experte Zeyveli, "aber es gibt kaum einen, der jetzt noch neu mit der Entwicklung einer Büroimmobilie startet."
In der Nische nachhaltig gebauter Innenstadtbüros dürfte der Nachschub also weitgehend versiegen. Knappheit treibt dort die Preise. In anderen Bürogebäuden könnte der Leerstand bis 2026 hingegen von einst 1,2 auf 5,8 Prozent steigen und Büromieten dort deswegen etwas nachgeben.
Ein Leerstand wie im Einzelhandel, der schon jetzt teils über 15 Prozent hinausgeht, ist nach Expertenmeinung auf dem Büromarkt aber nicht zu befürchten.
Sendung: rbb24 Inforadio, 09.08.2023, 12 Uhr
Beitrag von Johannes Frewel
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