Berlin verzeichnet mehr Steuerschulden und weniger Steuereinnahmen
Bislang konnte Berlin dem schlechten Wirtschaftstrend in Deutschland trotzen. Doch nun ziehen dunkle Wolken auf: Die Steuereinnahmen gehen zurück - und die Menge der Steuerschulden wächst. Schlechte Nachrichten für den Finanzsenator. Von Sebastian Schöbel
Die Höhe der Steuerschulden in Berlin steigt weiter an. Das geht aus Zahlen der Finanzverwaltung hervor, die der Linken-Abgeordnete Sebastian Schlüsselburg beim Senat erfragt hat. Demnach warteten die Finanzämter Ende 2022 auf insgesamt fast 580 Millionen Euro, die nachgezahlt werden mussten. Die größten Rückstände wurden bei der Einkommens- und der Gewerbesteuer verzeichnet, mit jeweils rund 200 Millionen Euro.
Über eine halbe Milliarde Steuerrückstände
Die Beträge geben an, wie viel Geld die Finanzämter von Steuerschuldnern abkassieren können, es handelt sich um sogenannte "echte Rückstände". Sprich: Den Schuldnern werden keine weiteren Fristen mehr gewährt, es werden stattdessen Mahnungen verschickt und die Vollstreckung der Forderungen angedroht.
Die Finanzverwaltung weist darauf hin, dass Berlin in den vergangenen Jahren steigende Steuereinnahmen zu verzeichnen hatte - was automatisch auch bedeute, dass die Zahl der Steuerschuldner ebenfalls steigt. "Die Herausforderungen für die Menschen und die Wirtschaft Berlins durch Coronapandemie und den Krieg in der Ukraine zeigten allerdings auch Auswirkungen bei der Höhe der Steuerrückstände", so die Verwaltung weiter.
Bezirke, Schulen, Polizei und Feuerwehr: Berlins neue Regierung rechnet in den kommenden beiden Jahren mit Rekordausgaben. Unterdessen sind bei den Steuereinnahmen keine Rekorde zu erwarten.
Einnahmenprognose des Senats gerät in Schieflage
Insgesamt hatte Berlin 2022 laut Finanzverwaltung 27,22 Milliarden Euro Steuern eingenommen. Für dieses Jahr war man bislang von 28 Milliarden Euro ausgegangen. Ob diese Prognose zutrifft, muss aber bezweifelt werden. Wie aktuelle Daten aus dem Hauptausschuss des Abgeordnetenhauses zeigen, hat Berlin bis Juli erst rund 15 Milliarden Euro Steuereinnahmen verbucht, das sind 1,6 Milliarden Euro weniger als zum gleichen Zeitpunkt vor einem Jahr.
Das deutet darauf hin, dass sich die Lage in der Berliner Wirtschaft nach Jahren des überdurchschnittlichen Wachstums eintrübt, entsprechend dem Trend im gesamten Bundesgebiet. Expertinnen und Experten warnen seit geraumer Zeit davor, dass Deutschland in eine Rezession rutscht, die Wirtschaft also schrumpft. In der Bundeshauptstadt war es zuletzt unter anderem der Einzelhandel, der stark unter Druck geraten ist, zahlreiche Geschäfte wurden aufgegeben. Gleichzeitig leiden die Unternehmen in Berlin in fast allen Branchen unter Fachkräftemangel.
Der schwarz-rote Senat hat im Entwurf seines Doppelhaushaltes für die kommenden zwei Jahre sämtliche Reserven aktiviert, um investieren zu können - in der Hoffnung, dass sich die Wirtschaft wieder erholt und damit auch die Steuereinnahmen wieder steigen. Geht diese Rechnung nicht auf, drohen harte Sparmaßnahmen, weil Berlin keine neuen Schulden machen dürfte.
Der Senat zieht noch einmal die Spendierhosen an. Statt Kürzungen steht in fast allen Bereichen ein dickes Plus vor den Haushaltszahlen. Schwarz-Rot hält damit Wort, geht aber auch voll ins Risiko. Von Jan Menzel
Steuerprüfungen fördern Millionen zu Tage
Der Haushaltsexperte der Linken, Schlüsselburg, forderte von Finanzsenator Stefan Evers, die Einnahmeseite zur Priorität zu machen. "Er muss alles dafür tun, die Finanzämter personell und technisch in die Lage zu versetzten, die echten Steuerschulden beizubringen." So würden allein die 580 Millionen Euro Steuerrückstände für Investitionen in Krankenhäuser, Schulen oder den öffentlichen Nahverkehr benötigt, so Schlüsselburg.
Wo weitere Einnahmen schlummern könnten, zeigt ein Blick auf die Ergebnisse der Sonderprüfungen der Finanzämter. Auch diese hatte Schlüsselburg abgefragt. Demnach fanden die Prüfer der Finanzämter 2022 bei Berliner Unternehmen rund 112,7 Millionen Euro an nicht gezahlter Umsatzsteuer. Dabei lag die Zahl der Steuerprüfungen mit 2668 deutlich unter dem Niveau, das vor der Coronapandemie erreicht wurde. Unter anderem der Bundesrechnungshof kritisiert seit Jahren, dass Unternehmen und Einkommensmillionäre viel zu selten Nachprüfungen durch die Finanzämter fürchten müssten.