Ob als Lastenrad, Transportmittel oder für Ausflüge: Seit einigen Jahren sind E-Bikes nicht mehr aus dem Berliner Stadtbild wegzudenken. Lieferkettenprobleme während Corona hatten trotz hoher Nachfrage den Markt zwischenzeitlich ausgebremst. Von Lisa Splanemann
Sie sind unkompliziert, schnell und ermöglichen bequemes Fahren: E-Bikes, oder auch Pedelecs genannt, sind in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden.
"In den letzten Jahren war die Tendenz: mehr von allem. Mehr Akku, mehr Motor, mehr Watt, mehr Reichweite", sagt Annette Blum, Geschäftsführerin des Berliner Fahrradhändlers Velophil. Inzwischen gehe der Trend hin zum leichteren Modell. "Vor allem im Innenstadtbereich benötigt man nicht die 300-Kilometer-Akkus." Praktikablere, alltagstauglichere Pedelecs – die beispielsweise unkompliziert über die Treppe in den Keller transportiert werden können – würden stattdessen in der Großstadt immer beliebter, so die Fahrradspezialistin.
Ein Fahrrad mit Motorunterstützung biete einige Vorteile, sagt Reiner Kolberg vom Zweirad-Industrie-Verband. Das E-Bike werde stark mit dem Thema Komfort verbunden. "Es erschließt neue Anwendungsgebiete – viele ältere Menschen nutzen Pedelecs, Leute wollen vom Auto auf eine andere Mobilitätsform umsteigen. Gleichzeitig kann das E-Bike in der Freizeit genutzt werden", sagt Kolberg.
Im vergangenen Jahr wurden insgesamt rund 4,6 Millionen Fahrräder in Deutschland verkauft, wie Daten des Zweirad-Industrie-Verbands (ZIV) zeigen. Knapp die Hälfte aller verkauften Fahrräder sind inzwischen E-Bikes. Sie seien in Deutschland somit auf der "Überholspur", so der Verband. In diesem Jahr könnte sogar die Zahl der verkauften Pedelecs zum ersten Mal die der unmotorisierten Fahrräder übersteigen, so die Prognose des ZIV. Einzelne Bereiche, wie etwa der Mountainbike-Sport, seien inzwischen größtenteils motorisiert, schätzt Annette Blum vom Fahrradhändler Velophil.
Nachfrageboom und Lieferprobleme in Corona-Zeiten
Vor allem in den vergangenen Corona-Jahren hat die E-Bike-Branche einen großen Nachfrageboom erlebt. Viele Menschen sind auf das Zweirad – mit oder ohne Motor – umgestiegen. Die Fahrradbranche hat das zu spüren bekommen. "Die Branche hat einen plötzlichen Nachfrageschub in der Corona-Zeit erlebt", schildert Reiner Kolberg vom Zweirad-Industrie-Verband.
Doch die Fahrradindustrie wurde gleichzeitig mit großen Lieferproblemen konfrontiert. "In asiatischen Ländern sind von einem Tag auf den anderen ganze Fabriken und Häfen geschlossen worden." Das habe dazu geführt, dass es zu Lieferengpässen bei Teilen und Rohstoffen gekommen sei, "die Kosten für Rohstoffe und den Transport sind dadurch deutlich gestiegen", so Kolberg.
Mit knapp 27.000 Fahrrädern sind in Berlin so viele gestohlen worden wie seit Jahren nicht mehr. Besonders häufig betroffen waren Bezirke im Innenstadtbereich. Die Aufklärung dieser Straftaten bleibt schwierig.
Rabattaktionen durch volle Lager
Inzwischen gebe es keine Lieferprobleme mehr. Um drohenden Engpässen entgegenzuwirken, haben die Unternehmen ihre Lagerbestände aufgefüllt. Nun versuchen die Fahrradhändler und -hersteller, die Vorräte zu verkleinern und die Bestände abzubauen. Das führt zu Preisnachlässen. "Wir haben beispielsweise schon deutliche Preissenkungen bei den Herstellern sehen können", beobachtet Reiner Kolberg. Dass die Preise runtergeschraubt werden konnten, liege an der verbesserten Einkaufssituation am Markt. So komme es bei den regionalen Händlern immer wieder zu Rabattaktionen, "die aus Kundensicht natürlich sehr gut sind".
Der Preis eines Pedelecs spielt bei der Kaufentscheidung eine wichtige Rolle. Günstige E-Bikes gibt es für rund 1.000 Euro. Wer ein hochwertiges, sicheres Pedelec kaufen will, müsse deutlich tiefer in die Tasche greifen, so Fahrradhändlerin Annette Blum.
Gebrauchte E-Bikes als preiswertere Alternative
Das französische Startup Upway hat sich auf den Weiterverkauf von gebrauchten E-Bikes spezialisiert. Das junge Unternehmen wurde 2021 gegründet und hat in mehrere Länder expandiert. Dazu gehört auch Deutschland. In Berlin-Bohnsdorf befindet sich das Lager der französischen Firma. In einer etwa 10.000 Quadratmeter großen Halle werden die Fahrräder mit Motorunterstützung gelagert, geprüft, aufbereitet und gesäubert, bevor sie für die Website fotografiert werden.
"Das gebrauchte E-Bike soll einem neuen Produkt in nichts nachstehen", sagt Florian Groß, der bei Upway unter anderem für den Kundenservice zuständig ist. Das junge Unternehmen beziehe die gebrauchten Fahrräder aus unterschiedlichen Quellen – etwa von Händlern oder Herstellern. Bei den E-Bikes könne es sich beispielsweise um Ausstellungsstücke handeln oder um Produkte, die durch Überkapazitäten nicht verkauft worden seien, sagt Groß.
Im vorderen Teil der schlauchförmigen Halle werden die verkauften Räder für den Versand vorbereitet. Rund 20 Mitarbeiter sind am deutschen Standort tätig. "Wir wollen mehr Menschen den Kauf eines E-Bikes ermöglichen", sagt Florian Groß.
Der Verkauf von batteriebetriebenen Fahrrädern floriert. Bei Dieben sind die E-Bikes aber gleichermaßen beliebt: Fast jeden zweiten Tag registriert die Polizeidirektion Süd in Cottbus einen Klau. Von Thomas Krüger
Inflation als kurzfristige Bremse
Die Branche beobachtet aktuell einen Nachfragerückgang. Das kann an der derzeit hohen Inflation liegen – die Teuerungsrate im Juli lag nach ersten Schätzungen des Statistischen Bundesamts bei 6,2 Prozent. Längerfristig rechnen die Händler und Hersteller allerdings mit einem Nachfrageboom. "Das Fahrrad ist nicht mehr aus dem Straßenbild wegzudenken", sagt Annette Blum von Velophil, "wenn wir wegwollen vom motorisierten Autoverkehr – und das müssen wir, weil der Platz nicht reicht – dann ist das Fahrrad unter anderem die Lösung".