Baustillstand in Berlin
Seit fünf Jahren wird am 'Ku'damm Karree" gebaut. Zurzeit aber stehen die Kräne still, die Baustelle ist verwaist. Dabei sollte bereits im vergangenen Jahr die Premiere der Ku'damm Bühnen in einem neuen Theater stattfinden. Von U. Zelle und E. Angeloudis
Seit fünf Jahren wird da gebaut, wo einst Theater und Komödie am Kurfürstendamm standen: Das neue "Ku'damm-Karree" sollte schon längst fertig sein und 2023 wollten die Ku'damm-Bühnen einziehen. Doch nun hakt es bei der Finanzierung des gesamten Bauprojekts. Auf der Baustelle am Kurfürstendamm tut sich derzeit: nichts. Alle Kräne stehen still, keine Bauarbeiter. Die Baustelle wirkt verwaist - auch wenn von einem Baustopp noch niemand reden mag.
Damit ist das Karree allerdings nicht allein. Die Baubranche hat immer größere Sorgen, man leidet an gestiegenen Zinsen sowie an hohen Materialkosten. Baustopp am Steglitzer Kreisel, Baustopp auch am "Alexander Capital Tower".
Das "Ku’damm-Karree" aber ist ein besonderer Fall. Sieben Mal wurde das Projekt bereits verkauft. Zum letzten Mal vor zwei Jahren von der Firma Aggregate, die den Gebäude-Komplex in "Fürst" umbenannt hat - ein Mega-Deal für 1,02 Milliarden Euro. Immerhin geht es um ein 20.000-Quadratmeter-Grundstück mit einer 85 Meter langen Front an Berlins Pracht-Boulevard.
Auf der Webseite des Bauprojekts erfährt man, dass dort ein "innovativer Nutzungsmix mit u.a. 47.000 Quadratmeter Büroflächen und 12.000 Quadratmeter Einzelhandelsflächen" entstehen soll. Die Ku’damm-Bühnen sollen laut Plan dann im Kellergeschoss residieren.
Doch möglicherweise muss sich Intendant Martin Wölfer zunächst eine neue Spielstätte für seine Theater finden – mal wieder. Bereits zwei Mal sind die Bühnen umgezogen, seitdem die alten Ku’damm-Bühnen abgerissen wurden. In der aktuellen Spielstätte, dem Theater am Potsdamer Platz, kann Wölfer voraussichtlich nicht mehr allzu lange bleiben.
Die erhofften Mieteinnahmen nach der Fertigstellung von Büros, 155-Zimmer-Hotel, Gastronomie, Geschäften werden mit 50 Millionen Euro pro Jahr beziffert. So eine Summe sollte eigentlich reichen, um den Bau voranzutreiben. Doch seit Monaten wird über mögliche finanzielle Schwierigkeiten des Ku’damm-Karree-Investors spekuliert. Von "Schwierigkeiten bei erforderlichen Nachfinanzierungen", "widersprüchlichen Interessen aller Investoren" und einer "Gemengelage" sprach die Senatsverwaltung in einer Antwort auf eine schriftliche Anfrage von Linken-Abgeordneten vom Juni.
Der Investor weist die Schuld von sich: "Es gibt gewisse Schwerkräfte im Markt, die können Sie nicht als Investor positiv beeinflussen", sagt Cevdet Caner. Er ist Geschäftsführer der Aggregate-Immobiliengesellschaft, die das "Fürst" betreut. "Also ich habe leider nicht die Kraft, die Zinsen- und die Inflationspolitik der Zentralbank zu bestimmen", sagt er.
Der Österreicher war mit Aggregate auch an der Adler-Gruppe beteiligt, die den Steglitzer Kreisel ausbauen will. Nun hält sie laut dem "Handelsblatt" [Bezahlinhalt] noch vier Prozent an der Adler-Group.
Das Karree ist nicht die einzige Baustelle des Großinvestors. Aggregate nennt das große Quartier in der Heidestraße in Moabit sein "Flaggschiff". Und Obwohl Aggregate 2022 fünf von sieben Segmenten des Quartiers nördlich des Berliner Hauptbahnhofs für 950 Millionen Euro verkaufen konnte, bleibt unter dem Strich ein Verlust von 2,8 Milliarden Euro.
Beim "Fürst" machen nun steigende Baukosten und Zinsen eine Nachfinanzierung nötig. Caner hofft, dass es beim Bau "in wenigen Monaten beziehungsweise wenigen Wochen" wieder losgehen kann. "Wir werden auch das 'Fürst' durchziehen, fertigstellen, vermieten und das Theater wird dort einziehen. Vorausgesetzt, die Eigentümer-Gesellschaft beschließt eine Kapitalaufstockung", so Caner.
Eine Kapitalaufstockung, an die der Baustadtrat von Charlottenburg-Wilmersdorf nicht so richtig glaubt. Die Prozedur ist komplex, erklärt auch Christoph Brzezinski (CDU), Baustadtrat im Bezirk, gegenüber dem rbb: "Es ist offenbar so, dass bei größeren Nachfinanzierungen immer alle Gesellschafter zustimmen müssen. Und das ist aktuell offenbar nicht der Fall."
Auf der Webseite wirbt Aggregate damit, dass das "Fürst"-Projekt Ende 2024 fertiggestellt sein soll. Der Intendant der Ku’damm-Bühnen, Martin Wölfer, muss also noch länger warten. Bis Ende 2022 spielte seine Komödie im Schillertheater, hier residiert nun aber die Komische Oper. Wölfer zog daher an den Potsdamer Platz in den Berlinale Palast. Da kann aber auch nicht immer bleiben. Für die Ku'damm-Bühnen geht die Reise als Wandertheater weiter.
Sendung: rbb24 Abendschau, 03.09.2023, 19:30 Uhr
Beitrag von Uli Zelle, Efthymis Angeloudis
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