"In 20 Minuten könnten wir mit dem Elektrotragflügelboot in Berlin-Mitte sein"
Ein schwedisches Unternehmen möchte Berlins Gewässer zu grünen Autobahnen machen und elektrisch betriebene Tragflügelboote einsetzen. In Stockholm steht das bevor, in Berlin könnten Tempolimits dem Projekt den Wind aus den Segeln nehmen. Von Efthymis Angeloudis
"Ready for take off?", fragt Kapitän Erik Eklund und blickt amüsiert links und rechts auf die konzentrierten, fast schon ängstlich wirkenden Gesichter der Passagiere. "Here we go." Mit dem Umlegen des Hebels baut das elektrische Tragflügelboot rapide Geschwindigkeit auf und hebt sanft einen halben Meter über der Wasseroberfläche ab.
Im Wasser bleiben die drei Tragflügel, die das Boot stabilisieren und dennoch erstaunlich wendig machen. Mal links, mal rechts an den Bojen auf dem Krossinsee vorbei und das ganz ohne Wellen, ohne Spritzer, geräuschlos - während die Wasserschutzpolizei einige Meter daneben in einem alten Dieselboot staunend Fotos von dem futuristischen Schnellboot schießt.
Der Schwebeflug des Tragflügelboots C-8 vom schwedischen Hersteller Candela endet, als Eklund die Geschwindigkeit drosselt, um das Boot zu "landen". Es poltert und braust, als der Rumpf wieder unter Wasser kommt. Die Reibung übernimmt dabei hauptsächlich das Bremsen.
Geschwindigkeitsbegrenzung auf der Spree 10 km/h
"In 20 Minuten könnten wir mit dem Tragflügelboot eigentlich in Mitte sein", sagt Eklund, der Chef von kommerziellen Schiffen bei Candela ist. "Mit dem Auto bräuchte man wohl um die 40 Minuten." Mit 50 km/h erreicht das C-8 auch die dazu benötigte Geschwindigkeit. Das Problem ist allerdings: Auf der Spree dürfte der Elektroflitzer nur 10 km/h fahren. Keine Chance also für Candela, in der Hauptstadt Fuß zu fassen?
"Außer sie heben die Geschwindigkeitsbegrenzung für Elektrotragflügelboote, die keine Wellen erzeugen und dadurch auch niemanden stören", sagt Brigitte Junckers, Public-Affairs Chefin bei Candela. Motorboote können auch schnell sein, das verbraucht aber Kraftstoff, ist laut und erzeugt Wellen.
Landwehrkanal und Spree nicht Zuständigkeit Berlins
Grundsätzlich sei auch Berlin für Vorschläge und neue Technologien offen, heißt es in einer Antwort der Senatsverwaltung für Mobilität und Verkehr an rbb|24, es seien aber entsprechende rechtliche Grundlagen zu beachten. Beim Landwehrkanal und der Spree handele es sich außerdem um Bundeswasserstraßen - sie liegen also gar nicht in der Zuständigkeit Berlins.
"Einzelne Uferbereiche müssten vermutlich technisch umgerüstet werden, sodass sie als Anlegebereiche standardisierte Ausstiegshöhen erhalten. Zudem müssten Medienzuführung und Zuwegungen zum öffentlichen Straßen-/Wegenetz hergestellt werden", so eine Sprecherin weiter.
Dabei wäre ein Shuttle-Katamaran an der Spree entlang nicht nur schneller, sondern auch effizienter, behauptet zumindest Candela. Denn elektrobetriebene Tragflügelboote sollen laut Hersteller 90 Prozent weniger Energie verbrauchen als herkömmliche Boote. "Was wir hier machen, ist ein Trick, um mit wenig Energie schnell zu sein", erklärt Junckers. "Wenn man eine gewisse Geschwindigkeit erreicht hat, dann entsteht ein Druck, der das Boot über die Wasseroberfläche abheben lässt. Dann 'fliegt' man, und dann sinkt auch der Energieverbrauch drastisch." Gerade mal 0,8 kWh pro Seemeile sollen dann reichen. Wenn man seine Wäsche bei 60 Grad wäscht, verbraucht ein Waschgang im Vergleich 0,9 kWh.
Quelle: ABACAPRESS/Candela
In Stockholm nimmt eine Elektrofähre bereits 2024 ihren Liniendienst auf
Mit einem Kaufpreis von 330.000 Euro bleibt das C-8 allerdings ein Spielzeug für die Reichen. Das wissen auch Eklund und Junckers. Jedes verkaufte Schnellboot, und davon soll Candela eins pro Woche liefern, bringt den Hersteller schneller an den Sprung zu kommerziellen Fahrzeugen. "Auch weil wir da wirklich einen Unterschied machen können, nicht nur für gewisse Teile der Gesellschaft", sagt Junckers.
Das Vehikel, um diesen Sprung zu ermöglichen, ist das P-12, ein Tragflächen-Katamaran, der bis zu 30 Passagiere befördern kann und bereits nächstes Jahr als Nahverkehrsmittel im Liniendienst in den Stockholmer Schären benutzt werden soll. Die erste Schnellverbindung zwischen Ekerö und dem Stadtzentrum soll eine 55 Minuten dauernde Busverbindung ersetzen – das Schnellboot schafft die Strecke in nur 25 Minuten. Für den Betrieb hat der Betreiber eine Sondergenehmigung erhalten, um das strenge Tempolimit von zwölf Knoten im Hafen der schwedischen Hauptstadt überschreiten zu dürfen.
Wie bei Tesla
Die Rahmenbedingungen zwischen den Wasserstraßen von Stockholm und Berlin seien kaum vergleichbar, kontert die Senatsverwaltung für Mobilität und Verkehr. Mischungen zwischen unterschiedlichen Geschwindigkeiten würden gerade auf stark ausgelasteten Wasserstraßen ein potenzielles Sicherheitsrisiko darstellen.
Candela-Sprecherin Juckers ist vom Gegenteil überzeugt. Berlin liege immerhin am Wasser. "Es gibt viele Wasserwege, die heute benutzt werden, aber mit langsamem Bootsverkehr." Für ein elektrisches Tragflügelboot würde es dazu nicht viel benötigen. "Man braucht einen Steg, ein Boot und ein Ladegerät zum Laden, so etwa wie bei einem Tesla." Und beim großen automobilen Vorbild hat es in der Hauptstadtregion ja auch geklappt.